TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/26 92/17/0095

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Veröffentlicht am 26.03.1993
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Index

L37039 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Videoabgabe Wien;
L37039 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/01 Strafprozess;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
StPO 1975 §56;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §19 Abs1 idF 1990/044 1990/073;
VergnügungssteuerGNov Wr 1990/044 Art16 Z2;
VergnügungssteuerGNov Wr 1990/044 Art19;
VergnügungssteuerGNov Wr 1990/073 Art17;
VStG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. Dezember 1991, Zl. UVS-05/27/00146/91, betreffend Aussetzung eines Verwaltungsstrafverfahrens in einer Vergnügungssteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien

- Magistratsabteilung 4/7 - vom 24. Juli 1991 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe es unterlassen, die Vergnügungssteuer für einen näher bezeichneten Spielapparat "für die Monate Juni und Juli 1990 rechtzeitig einzubekennen und zu entrichten". Die Beschwerdeführerin habe dadurch "die Vergnügungssteuer für Juni und Juli 1990 in der Zeit vom 28. August 1990 bis 10. Dezember 1990 mit dem Betrag von 6.000,-- S verkürzt"; sie habe dadurch § 19 Abs. 1 Vergnügungssteuergesetz (in der Folge: Wr VGSG) idF. LGBl. für Wien Nr. 44/1990 verletzt. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 54.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Wochen) verhängt.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Die belangte Behörde erstattete mit Schreiben vom 20. Dezember 1991 (u.a.) gegen die Beschwerdeführerin Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachtes der Hinterziehung von Vergnügungssteuer mit einem die gerichtliche Zuständigkeit begründenden Gesamtbetrag.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom selben Tag setzte die belangte Behörde das Strafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG bis zur rechtskräfigten Entscheidung des Strafgerichtes aus. Zur Begründung wurde - nach Wiedergabe des § 19 Abs. 1 Wr VGSG (offenbar in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 73/1990) und des § 30 Abs. 2 VStG - ausgeführt:

"Der Magistrat der Stadt Wien erließ gegen die Berufungswerberin mehrere Straferkenntnisse, in denen ihr vorgeworfen wurde, sie habe Vergnügungssteuer, die in der Summe den Betrag von S 300.000,-- überschreitet, hinterzogen. Es ist daher zweifelhaft, ob die Verwaltungsbehörde oder das Strafgericht zuständig ist.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden."

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 25. Februar 1992, B 160-174/92-3, ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind gemäß § 30 Abs. 1 VStG die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch eine und dieselbe Tat begangen worden sind.

Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlungen bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat nach Abs. 2 dieses Paragraphen die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

Vorauszuschicken ist zunächst, daß auch die Berufungsbehörde nach § 30 Abs. 2 VStG vorzugehen hat, wenn ein Berufungsverfahren anhängig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1986, Zl. 86/09/0086), wobei ihr eine Entscheidungsbefugnis jedoch im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG nur "in der Sache" zukommt.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bekämpft die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid (im Vordergrund stehend) mit dem Argument, bei Bescheidfällung habe keinerlei Zweifel an der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden bestanden. Durch § 1 Abs. 2 VStG in Verbindung mit § 19 Wr VGSG in der Fassung des Art. XVI Z. 2 des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 44/1990 sei nämlich die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden in der gegenständlichen Sache gegeben und die Zuständigkeit keinesfalls zweifelhaft. Die belangte Behörde habe die geltende und im Beschwerdefall gemäß § 1 Abs. 2 VStG anzuwendende Fassung des § 19 Wr VGSG "gänzlich außer acht gelassen".

Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage.

Der Art. XVI des Gesetzes vom 26. Juni 1990, mit dem abgabenrechtliche Strafbestimmungen geändert werden, LGBl. für Wien Nr. 44, hatte (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"Das Vergnügungssteuergesetz 1987, LGBl. für Wien Nr. 43, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. für Wien Nr. 3/1990, wird wie folgt geändert:

1. § 19 Abs. 1 hat zu lauten:

"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens 300.000,-- S verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 600.000,-- S zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen. Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von mehr als 300.000,-- S verkürzt wird, sind vom Gericht als Finanzvergehen mit Freiheitsstrafen bis zu neun Monaten oder mit Geldstrafen bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

2. § 19 Abs. 1 hat zu lauten:

"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen."

3. § 19 Abs. 2 und 3 haben zu lauten:

....."

Der Art. XIX des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 44/1990 traf folgende Regelung:

"(1) Dieses Gesetz tritt, soweit in Abs. 3 nicht eine andere Regelung getroffen wird, mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft.

(2) Die jeweilige Z 1 der Art. I bis XIII und XV bis XVII sowie die jeweilige Z 2 des Art. XIV und XVIII treten mit Ablauf des 31. Dezember 1990 außer Kraft.

(3) Die jeweilige Z 2 der Art. I bis XIII und XV bis XVII sowie die jeweilige Z 3 der Art. XIV und XVIII treten mit 1. Jänner 1991 in Kraft."

Das Gesetz LGBl. für Wien Nr. 44/1990 wurde jedoch - was von der Beschwerdeführerin offenkundig übersehen wird - durch das Gesetz LGBl. für Wien Nr. 73/1990 (in Kraft getreten mit Ablauf des 21. Dezember 1990) geändert. Der Art. I dieses Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 73/1990 bestimmt:

"Das Gesetz vom 26. Juni 1990, mit dem abgabenrechtliche Strafbestimmungen geändert werden, LGBl. für Wien Nr. 44, wird wie folgt geändert:

1. Die jeweilige Z 2 der Art. I bis XIII und XV bis XVII sowie die jeweilige Z 3 der Art. XIV und XVIII entfallen.

2. Art. XIX entfällt."

Weiters erhielt der § 19 Abs. 1 Wr VGSG durch Art. XVII des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 73/1990 folgende Fassung:

"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens 300.000,-- S verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 600.000,-- S zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von mehr als 300.000,-- S fahrlässig oder vorsätzlich verkürzt wird, sind vom Gericht als Finanzvergehen mit Freiheitsstrafen bis zu neun Monaten oder mit Geldstrafen bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Monaten festzusetzen."

Die wiedergegebenen Regelungen zeigen somit, daß der von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes herangezogene Art. XVI Z. 2 des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 44/1990 gar nicht in Kraft getreten ist.

Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen vermag derart eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Soweit sich die Beschwerdeführerin aber darauf bezieht, es würden die ihr vorgeworfenen zeitlich auseinanderliegenden "Vergnügungssteuerverkürzungshandlungen" zusammengerechnet und damit eine gerichtliche Zuständigkeit "konstruiert", so ist diese Beschwerderüge im Ergebnis berechtigt.

Ausgehend davon, daß Abspruchsgegenstand des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, und damit auch "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG, eine die Steuer um den Betrag von weniger als S 300.000,-- verkürzende Tat ist, fehlt im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtslage jegliche Begründung dafür, warum es "zweifelhaft" sei, daß DIESE Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung - etwa unter dem Gesichtspunkt einer (in einem Fortsetzungszusammenhang stehenden) Teilhandlung eines Gesamtkonzeptes - bilde.

Derart ist der Verwaltungsgerichtshof aber auch gehindert, den angefochtenen Bescheid auf die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit zu überprüfen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da im Falle der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden beschwerdeführenden Partei kein Ersatz der Stempelgebühren gebührt, die sie im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichten mußte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1983, Zl. 83/17/0145), war das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992170095.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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