TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/29 92/15/0066

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Veröffentlicht am 29.03.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

B-VG Art140 Abs7;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 litc;
EStG 1988 §22 Abs1 Z1 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des E in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 28. Jänner 1992, Zl. 88-2/92, betreffend Gewerbesteuer 1987 bis 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist diplomierter Sozialarbeiter und in dieser Eigenschaft bei der S-Gesellschaft mbH auf Werkvertragsbasis tätig. Während er die daraus erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit einstufte, schrieb ihm das Finanzamt mit Bescheid vom 10. Feber 1989 dafür Gewerbesteuer für 1986 und Gewerbesteuervorauszahlung für 1989 und die Folgejahre vor.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 19. März 1990, Zl. 1321-2/89, als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 26. Juni 1991, Zl. B 588/90-7, gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG die amtswegige Prüfung der Verfassungsmäßigkeit 1. der Wortfolge "sowie aus der Tätigkeit als Berater in den gemäß Bundesgesetz BGBl. Nr. 80/1974 geförderten Familienberatungsstellen" in § 22 Abs. 1 Z. 1 lit. c des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440, idF des Abgabenänderungsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 531", sowie 2. der Wortfolge "- der Tätigkeit als Berater in den gemäß dem Familienberatungsförderungsgesetz geförderten Familienberatungsstellen" in § 22 Z. 1 lit. c des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400," einleitete.

Mit Erkenntnis vom 4. Dezember 1991, Zl. G 260-267/91-6, hob der Verfassungsgerichtshof die eben zitierten Gesetzesstellen als verfassungswidrig auf und sprach aus, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 1992 in Kraft zu treten habe (Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 94/1992).

Mit Erkenntnis vom 4. Dezember 1991, Zl. B 588/90-9, hob der Verfassungsgerichtshof unter anderem die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 19. März 1990, Zl. 1321-2/89, mit dem Ausspruch auf, der Beschwerdeführer sei durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetze in seinen Rechten verletzt worden.

Am 8. und am 11. Juni 1990 erließ das Finanzamt Gewerbesteuerbescheide betreffend die Jahre 1987 und 1988, am 24. Mai 1991 betreffend das Jahr 1989.

Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde (unter anderem) die Berufung gegen die Gewerbesteuerbescheide 1987 bis 1989 als unbegründet ab, gab der Berufung gegen den Gewerbesteuerbescheid 1986 Folge und hob diesen ersatzlos auf.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht darauf verletzt, daß auch für die Streitjahre 1987 bis 1989 der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Dezember 1991 behandelte Fall als Anlaßfall iS des Art. 140 Abs. 7 B-VG anzusehen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 140 Abs. 7 B-VG lautet:

"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden."

Als sogenannten Anlaßfall bezeichnet man jene konkrete Rechtssache, die tatsächlich Anlaß für die Einleitung des Normprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof war, sowie jene, die zur Zeit des Beginns der mündlichen Verhandlung oder der nichtöffentlichen Beratung vor dem Verfassungsgerichtshof im Normprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig ist (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 1170), wobei der Verfassungsgerichtshof nunmehr in ständiger Judikatur die Bescheide in den Anlaßfällen jedenfalls aufhebt (Walter-Mayer a.a.O.).

Anlaßfall idS für das zur Zl. B 588/90 vom Verfassungsgerichtshof eingeleitete Normprüfungsverfahren war somit der Fall der mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1991 aufgehobenen Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 19. März 1990, Zl. 1321-2/89. Dieser Bescheid betraf "Gewerbesteuer 1986 und Gewerbesteuervorauszahlung für 1989 und die Folgejahre".

Daraus folgt zunächst, daß die nunmehr beschwerdegegenständliche Berufungsentscheidung betreffend die Steuerjahre 1987 und 1988 mit der dem aufgehobenen Bescheid vom 19. März 1990 zugrundeliegenden Rechtssache überhaupt nichts zu tun hat. Aber auch was das Streitjahr 1989 anlangt, kann dem Beschwerdeführer die sogenannte Ergreiferprämie nicht zukommen, weil nicht die Gewerbesteuer für das Jahr 1989, sondern u.a. die rechtlich davon zu unterscheidenden Gewerbesteuervorauszahlungen für dieses Jahr, die gemäß § 23 Abs. 1 GewStG auf die Jahressteuerschuld bloß anzurechnen sind, Gegenstand des Normprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof waren.

Daraus folgt wiederum, daß die belangte Behörde für die Streitjahre mit Rücksicht darauf, daß der Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der eingangs erwähnten Wortfolgen der §§ 22 Abs. 1 Z. 1 lit. c des EStG 1972 und des EStG 1988 erst mit dem Ablauf des 31. Dezember 1992 anordnete, frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit die vom Beschwerdeführer erzielten Einkünfte nicht als solche aus freiberuflicher Tätigkeit anerkannte.

Da des weiteren der Beschwerdeführer die von ihm behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht weiter zur Darstellung brachte und den vorgelegten Verwaltungsakten Verfahrensfehler auch nicht entnommen werden konnten, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992150066.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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