TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/30 90/08/0101

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Veröffentlicht am 30.03.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AVG §63 Abs3;
BSVGNov 02te Art2 Abs1;
BSVGNov 11te Art3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des I in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 29. November 1989, Zl. 127.518/1-7/89, betreffend Versicherungspflicht in der Penionsversicherung nach dem BSVG (mitbeteilige Partei:

Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1030 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. April 1989 sprach die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt aus, daß der Beschwerdeführer vom 1. Jänner 1988 an in der Pensionsversicherung der Bauern pflichtversichert sei. Zur Begründung ihrer Entscheidung berief sie sich im wesentlichen auf Art. III Abs. 1 der 11. Novelle zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG), BGBl. Nr. 611/1987: Für Personen, die gemäß Art. II Abs. 1 der 2. Novelle zum BSVG, BGBl. Nr. 532/1979, von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung befreit worden seien, verliere diese Befreiung mit Ablauf des 31. Dezember 1987 ihre Wirksamkeit, sofern die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung der Pensionsversicherung nach dem BSVG nach den am 1. Jänner 1988 geltenden Vorschriften erfüllt seien.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, wobei er im wesentlichen vorbrachte, als Vollinvalide und Bezieher eines Hilflosenzuschusses nicht in der Lage zu sein, die Landwirtschaft so zu führen, daß sie einen Gewinn abwerfe. Die Landwirtschaft sei auch nicht zu verpachten, da sie aus lauter kleinen Flächen oder Steilhängen bestehe, die mit einem Traktor nicht zu bearbeiten seien. Die Einnahmen aus der Landwirtschaft seien dadurch so gering, daß nicht einmal der Pensionsbeitrag erwirtschaftet werden könne. Die Bearbeitung bedeute demnach eine Belastung ohne finanziellen Erfolg. Außerdem sei der Beschwerdeführer bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert. Aus diesen Gründen müsse er die von ihm geforderten Beitragszahlungen ablehnen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 21. August 1988 wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bestätigt. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer Eigentümer land(forst)wirtschaftlicher Betriebe mit einem Einheitswert in der Höhe von S 141.000,-- (1. Jänner 1988 bis 30. September 1988) bzw. S 130.000,-- (ab 1. Oktober 1988). Nach den bis 1988 geltenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften sei er ab 1. Jänner 1980 von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG befreit gewesen. Diese Befreiung habe aufgrund von Art. III Abs. 1 der 11. Novelle zum BSVG ihre Wirksamkeit verloren. Da der Beschwerdeführer keinen Grund zur Nichtführung seines Betriebes habe darlegen können, bestünde keine Möglichkeit, ihn von der Pensionsversicherungspflicht auszuscheiden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, wobei er im wesentlichen darauf verwies, Kriegsversehrter mit einer Erwerbsminderung von 100 % zu sein; außerdem sei ihm ein Hilflosenzuschuß zuerkannt worden. Er sei von 1980 bis 1988 von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung der Bauern ausgenommen gewesen. In seiner Berufung (gemeint: Einspruch) habe er die Gründe angeführt, die ihm eine neuerliche Beitragszahlung nicht ermöglichten. Ferner sei er bereits in der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert. Man könne ihm nicht seine Invalidität absprechen und an den für jeden gesunden Menschen gültigen Gesetzen messen. Auch könne man einen im pensionsfähigen Alter befindlichen Menschen nicht neuerlich pensionszahlungspflichtig machen, besonders wenn ein Einkommen für die Bezahlung fehle.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 415 ASVG als unzulässig zurückgewiesen. Nach der Begründung habe der Landeshauptmann mit seinem Bescheid - in Bestätigung des Bescheides der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt - nur über den Eintritt der Pflichtversicherung des Beschwerdeführers nach dem BSVG ab 1. Jänner 1988 abgesprochen. In seiner Berufung wende sich der Beschwerdeführer jedoch ausschließlich gegen die mit der eingetretenen Versicherung verbundene Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen. Eine Berufung an den Bundesminister ausschließlich in diesem Punkt sei allerdings nicht zulässig, weshalb die Berufung zurückzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde, die - ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 21. August 1989 den Eintritt der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG (so der Beschwerdeführer) oder ausschließlich die damit verbundene Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (so die belangte Behörde) bekämpft.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung unter anderem einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Bei der Beurteilung eines begründeten Berufungsantrages kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf eine formell und inhaltlich vollendete Darstellung des Berufungswerbers an, wohl aber muß mit Sicherheit zu erkennen sein, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. die Erkenntnisse vom 23. Februar 1993, Zlen. 92/08/0193 und 92/08/0220, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ist der Berufung des Beschwerdeführers sowohl zu entnehmen, was er damit angestrebt hat (Berufungsantrag) als auch womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (Begründung des Antrages), nämlich nicht in der Pensionsversicherung der Bauern pflichtversichert zu sein und damit im Zusammenhang zu der - ihn belastenden - Zahlung von Beiträgen herangezogen zu werden, da er bereits in der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert sei und ihm aufgrund seiner Invalidität ein Einkommen für die Bezahlung fehle.

Die Auffassung der belangten Behörde, daß sich die Berufung des Beschwerdeführers ausschließlich gegen die mit der eingetretenen Versicherung verbundene Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen wende, erweist sich daher als rechtswidrig. Ob die Begründung der Berufung auch "stichhältig", das heißt geeignet war, diese Unrichtigkeit zu erweisen und damit dem Beschwerdeführer zu einem Sacherfolg zu verhelfen, war nicht entscheidend.

Die belangte Behörde hätte daher nicht mit einer Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers vorgehen dürfen, sondern eine Sacherledigung treffen müssen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren auf Stempelgebührenersatz war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 44 BSVG) abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990080101.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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