TE Vfgh Erkenntnis 1990/10/12 B1424/89

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Veröffentlicht am 12.10.1990
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall B-VG Art83 Abs2 AuslBG §20 Abs1 AuslBG §4 Abs6

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §12 Abs1 und von Teilen des §12 Abs2 AuslBG sowie von Teilen der auf die aufgehobenen Gesetzesbestimmungen gestützten Kontingentierungsverordnung mit E v 12.10.90, G146/90, V211/90. Zuständigkeit des Arbeitsamtes gem. §20 Abs1 AuslBG zur Entscheidung über Anträge nach dem AuslBG und nicht des Landesarbeitsamtes, wie in den Fällen des §4 Abs6 AuslBG; keine Anwendbarkeit der Kontingentierungsverordnung im vorliegenden Fall mehr, deren Überschreitung das Verfahren nach §4 Abs6 AuslBG ausgelöst hat.

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die beschwerdeführende GesmbH und Co KG beschäftigt sich mit der Planung, Montage und Wartung von Elektroanlagen und beantragte im Februar 1989 beim Landesarbeitsamt Niederösterreich gemäß §11 AusländerbeschäftigungsG, BGBl. 218/1975 (AuslBG), die Ausstellung von Sicherungsbescheinigungen für sieben polnische Staatsangehörige. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales unter Hinweis auf die Ausschöpfung des mit Verordnung vom 20. Dezember 1988, BGBl. 730/1988 aufgrund des §12 Abs1 AuslBG festgesetzten Kontingentes (K 9) abgewiesen. Da im Bereich des Landesarbeitsamtes Niederösterreich an einschlägigen Arbeitskräften insgesamt dreißig inländische und eine ausländische zur Vermittlung heranstünden, die Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz bezögen, stehe das dringende öffentliche Interesse an einer solchen Vermittlung einer Beschäftigungsbewilligung entgegen (§4 Abs1 AuslBG). Besonders wichtige Gründe für ein Überschreiten des Kontingents im Sinne des §4 Abs6 AuslBG lägen umso weniger vor und der Unterausschuß des Verwaltungsausschusses habe keine einhellige Zustimmung erteilt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und Freiheit der Erwerbsausübung.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen unter anderem die Verfassungsmäßigkeit des §12 Abs1 und 2 AuslBG (über die Festlegung von Kontingenten) sowie die Gesetzmäßigkeit der für die beschwerdeführende Gesellschaft maßgeblichen Worte "der Elektro-, Radio- und Fernsehtechniker" in der Verordnung BGBl. 730/1988 geprüft. Mit Erkenntnis G146/90, V211/90 vom heutigen Tag hat er §12 Abs1 und einen Teil des §12 Abs2 AuslBG als verfassungswidrig aufgehoben und festgestellt, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle gesetzwidrig war.

III. 1. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

Im Hinblick auf den letzten Halbsatz des §20 Abs1 AuslBG, wonach über Anträge in den Fällen des §4 Abs6 ausnahmsweise das Landesarbeitsamt entscheidet, sind im vorliegenden Fall als erste Instanz das Landesarbeitsamt und in zweiter Instanz der Bundesminister für Arbeit und Soziales eingeschritten. Da jedoch die Verordnung, mit der das Kontingent festgelegt wurde, dessen Überschreitung das Verfahren nach §4 Abs6 ausgelöst hat, im Anlaßbeschwerdeverfahren nicht mehr anzuwenden ist (Art139 Abs6 B-VG), bleibt es bei der Regel des ersten Halbsatzes des §20 Abs1 AuslBG, wonach über Anträge nach dem Ausländerschäftigungsgesetz das Arbeitsamt entscheidet. Es hat somit in erster Instanz eine unzuständige Behörde über den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft entschieden und die Berufungsbehörde hat dies - in Anwendung der gesetzwidrigen Verordnung - nicht wahrgenommen. Damit verletzt der angefochtene Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Er ist folglich ohne Eingehen in eine inhaltliche Prüfung aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.

Schlagworte

Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, Behördenzuständigkeit, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1424.1989

Dokumentnummer

JFT_10098988_89B01424_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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