TE Vfgh Erkenntnis 1990/11/26 B1212/89

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Veröffentlicht am 26.11.1990
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1983 §2 Abs1
AVG §68

Leitsatz

Kein Entzug des gesetzlichen Richters durch die Zurückweisung eines Antrags auf Feststellung, daß ein bestimmtes Grundstück den Bestimmungen des Grundverkehrsrechtes nicht unterliege, wegen entschiedener Sache; keine relevante Änderung der Sachlage

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom 13. Jänner 1987 erwarb F K von J S die Bp. 354 der EZ 44 I KG Brixen i.Th., wobei im Kaufvertrag festgehalten war, daß im Grundbuch zugunsten des Käufers ein Bestandvertrag vom 25. Oktober/2. November 1979 bis 30. August 2179 sichergestellt und daß das ob der Liegenschaft errichtete Gebäude bereits vor Jahren vom Käufer auf eigene Kosten ausgebaut worden sei.

Mit Schriftsatz vom 22. Jänner 1986 beantragten beide Vertragsparteien die Ausstellung einer Negativbestätigung nach dem (Tiroler) Grundverkehrsgesetz, weil das schon 1969 zu einem Wohnhaus umgebaute Objekt seit damals, also seit 18 Jahren, von der Familie des Käufers privat als Ferienhaus genutzt werde.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Brixen i.Th. bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 24. Juni 1987 wurde gemäß §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69/1983 idF LGBl. Nr. 44/1984 (im folgenden: GVG 1983), festgestellt, daß das gegenständliche Grundstück den Bestimmungen des GVG 1983 unterliege. Der Antrag wurde daher zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, daß dem Antrag nicht zu entnehmen sei, auf welche Bestimmung des GVG 1983 er Bezug nehme, daß aber die Ausstellung der begehrten Bestätigung gar nicht möglich sei, wozu auf die Bescheide der Höfekommission Brixen i.Th. vom 24. Juni 1982 und der Landeshöfekommission vom 5. Oktober 1983 verwiesen werde; zu ergänzen sei, daß ein gesetzwidriger Zustand nicht dadurch saniert werde, daß er jahrelang aufrecht erhalten werde.

2. Mit Kaufvertrag vom 5. August 1988 veräußerte J S die Bp. 354 der EZ 90044 GB 82001 Brixen i.Th. neuerlich an F K, wobei die Vertragsparteien mit Schriftsatz vom 13. September 1988 wieder von der Grundverkehrsbehörde die Ausstellung einer Negativbestätigung begehrten.

Gegen den diesem Antrag Folge gebenden Bescheid der Grundverkehrsbehörde Brixen i.Th. vom 26. Jänner 1989 erhob der Landesgrundverkehrsreferent Berufung an die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung, die mit Bescheid vom 25. Juli 1989, Z LGv - 682/3, den Bescheid erster Instanz wegen Unzuständigkeit ersatzlos aufhob und den Antrag auf Feststellung im Sinne des §2 Abs1 GVG 1983, daß das verfahrensgegenständliche Grundstück den Bestimmungen des GVG 1983 nicht unterliege, wegen entschiedener Sache zurückwies.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

"Wie bereits ... aufgezeigt, war das Gst.Nr. 354 in EZ 44 I GB Brixen i.Th. mit darauf befindlichem Wohnhaus bereits Gegenstand eines Kaufvertrages zwischen F K und J S. Da über den diesbezüglichen Antrag bereits rechtskräftig entschieden wurde, hatte die Landesgrundverkehrsbehörde vorweg zu prüfen, ob in den für die damalige Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist, oder ob der neuerlichen Sachentscheidung der Erstinstanz die Rechtskraft des bereits ergangenen Bescheides entgegenstand ('res judicata').

Voraussetzung der res judicata ist die Identität der Sache. Haben sich seit der Erlassung des Bescheides wesentliche Änderungen im Sachverhalt ergeben, liegt demnach Identität der Sache nicht vor. Sind anstelle der Verwaltungsvorschriften, die dem Bescheid zugrundeliegen, neue Vorschriften getreten, wird die materielle Rechtskraft insoweit, als danach eine neue Rechtslage gegeben ist, ausgeschaltet (VwGH. 29.4.1965, 2078/64, 24.9.1980, 1691/79).

Eine Änderung der Rechtslage ist nun aber im konkreten Fall nicht eingetreten, daher blieb zu prüfen, ob sich seit der Erlassung des Bescheides vom 24.6.1987 relevante Änderungen im Sachverhalt ergeben haben, ob also die Erstinstanz ihre Entscheidung über 'denselben Sachverhalt' oder einen 'anderen Sachverhalt' getroffen hat.

Ein 'anderer Sachverhalt' liegt vor, wenn ein wesentliches neues Sachverhaltselement geltend gemacht wird (vgl. u.a. VwGH. 19.11.1979, Zl. 16/79). Die den Anträgen der rechtsfreundlich vertretenen Einschreiter vom 22.1.1986 und 13.9.1988 zugrundeliegenden Sachverhalte unterschieden sich jedoch lediglich dadurch, daß zwischen denselben Vertragsparteien über denselben Kaufgegenstand ein um S 5.000,-- höherer Kaufpreis vereinbart und für die gegenständliche Liegenschaft ein Geh- und Fahrrecht sowie das Recht der Wasserfassung und Ableitung bücherlich sichergestellt wurde. Diese Sachverhaltselemente können aber in der Frage, ob das vertragsgegenständliche Grundstück den Vorschriften des Grundverkehrsgesetzes unterliegt, kein anderes Beurteilungsergebnis herbeiführen, daher sind sie auch für eine Änderung der Sachlage nicht relevant. ... Einer meritorischen Erledigung des gegenständlichen Antrages stand somit das Verfahrenshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache ('res judicata') entgegen."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, daß nach §2 Abs1 GVG 1983 die Grundverkehrsbehörde im Zweifel zu entscheiden habe, ob ein Grundstück, das Gegenstand eines Rechtserwerbes im Sinne des §3 Abs1 leg.cit. sei, den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliege. Die Beschwerdeführer hätten einen hierauf abzielenden Antrag gestellt, über den auch die Grundverkehrsbehörde erster Instanz meritorisch entschieden habe. Die gegenteilige Ansicht der belangten Behörde beruhe auf einer denkumöglichen Gesetzesanwendung und verletze sie daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

Der angefochtene Bescheid verletze sie aber auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides hätte die belangte Behörde gegenüber dem im Zeitpunkt des Bescheides vom 24. Juni 1987 gegebenen Sachverhalt über einen wesentlich geänderten Sachverhalt zu entscheiden gehabt. Sowohl in rechtlicher als auch in faktischer Hinsicht sei nunmehr das vom Käufer und seiner Familie erbaute Privathaus als eigenes Wohnobjekt mit gesichertem Weg, gesicherter Versorgung und Entsorgung zu werten. Die früher der Genehmigung im Wege gestandenen Befürchtungen über "Probleme im Rahmen der Energieversorgung, Zufahrt, Abfall- und Abwasserbeseitigung" seien nicht mehr vorhanden. "Die lapidare Ansicht, diese Änderungen könnten kein anderes Beurteilungsergebnis herbeiführen, daher sind sie auch für eine Änderung der Sachlage nicht relevant", sei unverständlich.

4.2. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren war lediglich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, mit dem der Antrag der Beschwerdeführer vom 13. September 1988 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war, und nicht auch die Rechtmäßigkeit des rechtskräftigen Bescheides der Grundverkehrsbehörde Brixen i.Th. vom 24. Juni 1987 zu prüfen. Formell-rechtskräftige Bescheide können nämlich außer in den Fällen der §§69 und 71 AVG nur unter der Voraussetzung der Abs2 bis 4 des §68 leg.cit. aufgehoben, abgeändert oder für nichtig erklärt werden. Insoweit diese Voraussetzungen nicht zutreffen, sind die Behörden an Bescheide, allenfalls auch ungeachtet der Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes, gebunden, und ist ein dennoch gestellter Antrag gemäß §68 Abs1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 10240/1984, VwGH 19.11.1979 Z16/79). Die Wirkung der Rechtskraft eines Bescheides erstreckt sich jedoch nicht auf nach Erlassung des Bescheides geänderte Sachverhalte (eine solche Änderung des Sachverhaltes wird von der Beschwerde behauptet), es sei denn, daß sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, daß es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist (VwGH 19.11.1979 Z16/1979 und die dort zitierte Vorjudikatur). Es können daher nur solche Änderungen des Sachverhaltes zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zulassen, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die negative Sachentscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten können (VwSlg. 7762 A/1970).

Wie der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 10240/1984 unter Hinweis auf seine Vorjudikatur ausgesprochen hat, ist die Frage, ob sich die nach dem früheren Bescheid maßgebend gewesene Sachlage derart geändert hat, daß die Erlassung eines neuen Bescheides in Betracht kommt, durch Messen des bestehenden Sachverhaltes an der dem früheren Bescheid zugrundeliegenden Rechtsanschauung und ihrem normativen Hintergrund zu beantworten, und zwar nach derselben Methode, mit der er im Falle einer neuen Sachentscheidung an der Norm selbst zu messen wäre. Dieser Vorgang gleicht der Lösung der Sachfrage so sehr, daß er auch wie diese behandelt werden muß. Hat sich also die zuständige Behörde zu Recht mit der Frage beschäftigt, ob nach Rechtskraft einer Entscheidung eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eine neue Entscheidung rechtfertigt, und diese Frage verneint, so berührt eine allfällige Unrichtigkeit ihres Urteiles das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter im allgemeinen ebensowenig wie eine unrichtige Ansicht über die bindende Wirkung einer anderen behördlichen Erledigung (VfSlg. 6740/1972, 7144/1973, 7972/1976 und 8214/1977) oder die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens (VfSlg. 7865/1976).

Ausgehend hievon vermag der Verfassungsgerichtshof den Überlegungen der belangten Behörde, daß keine relevante Änderung des von ihr zu beurteilenden Sachverhaltes gegenüber dem, der dem Bescheid der Grundverkehrsbehörde vom 24. Juni 1987 zugrunde lag, nicht entgegenzutreten. Auch der Verfassungsgerichtshof vermag für die Frage, ob das Kaufobjekt den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes unterliegt, in dem Umstand, daß gegenüber dem früheren Kaufabschluß im nunmehrigen Vertrag ein etwas höherer Kaufpreis vereinbart wurde und daß für die gegenständliche Liegenschaft Dienstbarkeiten bücherlich sichergestellt wurden, keine relevante Änderung der Sachlage zu erblicken. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß einer meritorischen Erledigung des Antrages der Beschwerdeführer das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.

Da somit der Antrag der Beschwerdeführer zu Recht zurückgewiesen wurde, sind sie durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden. Aufgrund der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung kommt aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht in Frage.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4.3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Bescheid Rechtskraft, Rechtskraft Bescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1212.1989

Dokumentnummer

JFT_10098874_89B01212_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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