TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/20 92/14/0226

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Veröffentlicht am 20.04.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §294 Abs1 lita;
BAO §294 Abs1;
EStG 1972 §23a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des NN in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 3. Dezember 1992, Zl. 50.430-5/92, betreffend Widerruf der Nachsicht von Einkommensteuer betreffend die Jahre 1985 und 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Widerruf der Einkommensteuernachsicht 1985 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen (Widerruf der Einkommensteuernachsicht 1986) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das (aufhebende) Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, 91/14/0163, verwiesen. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften hatte der Verwaltungsgerichtshof in der Unterlassung der Vernehmung von Zeugen, die von den entscheidenden Besprechungen über die Nachsichtsgewährung Kenntnis hatten, erblickt.

Im zweiten Rechtsgang wurden über den Inhalt der seinerzeitigen Besprechungen die beiden damit befaßten Ministerialräte Dr. H und Dr. Mz sowie der steuerliche Vertreter Dr. M vernommen. Schließlich wurde hiezu auch noch eine schriftliche Zeugenaussage des damaligen Bundesministers für Finanzen Dr. S eingeholt.

Mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung wurden die Bescheide, mit denen der Widerruf der Einkommensteuernachsicht 1983 und 1984 ausgesprochen worden war, ersatzlos aufgehoben; die Berufung gegen die Bescheide betreffend Widerruf der Einkommensteuernachsicht 1985 und 1986 wurde als unbegründet abgewiesen. Auf Grund der im fortgesetzten Verfahren ergänzten Sachverhaltsfeststellungen gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, der Beschwerdeführer habe nach dem Inhalt der mündlichen Vereinbarungen nicht annehmen dürfen, daß durch die von ihm eingewendeten beiden Widerrufsgründe (Nichterfüllung der Auflagen und Nichterreichen des Sanierungserfolges) die in Betracht kommenden Widerrufsgründe erschöpfend festgelegt worden wären. Der Beschwerdeführer habe nicht auf Grund von Zusagen der Abgabenverwaltung damit rechnen dürfen, daß eine seinerzeit nicht vorhersehbare Entwicklung bezüglich der prognostizierten Ergebnisse der KG sowie der Einkommen der Gesellschafter und das Ausbleiben nachteiliger Wirkungen des § 23a EStG 1972 für die Kommanditisten zu keinem Widerruf der Begünstigung führen werde. Insoweit sei der Widerruf daher nicht unsachlich und verletze nicht den Grundsatz von Treu und Glauben.

Das fortgesetzte Verfahren ergab, daß die Nachsichtsbeträge (bzw. entsprechende Akontierungen) nicht - wie zuvor angenommen - erst 1986, sondern bereits Ende 1983 fortlaufend in die KG eingelegt worden waren. Die belangte Behörde stimmte daher mit dem Beschwerdeführer darin überein, daß die günstigere Entwicklung der KG insoweit zu einem Teil durch die Einkommensteuernachsichten herbeigeführt worden war, als die aus diesem Anlaß getätigten Einlagen Fremdkapital ersetzt und dadurch zu einer Zinsenersparnis geführt hatten. Hingegen hänge die günstigere Entwicklung der Jahreseinkommen der Kommanditisten (im Nachsichtsantrag mit ca. S 100 Mio angenommen, tatsächlich bis zu S 249 Mio) damit nicht zusammen. Für die Jahre 1983 und 1984, in denen die KG Gewinne von S 1,090.850,-- und S 1,166.074,-- erzielt hatte, maß die belangte Behörde dem Ministerial-Erlaß vom 12. September 1985 entscheidende Bedeutung zu. Hiezu habe Dr. H ausgeführt, für die Beibehaltung der Nachsichtszusage habe gesprochen, daß der Verlust des Jahres 1982 von S 54,107.477,-- wesentlich erheblicher gewesen sei als der Gewinn des Jahres 1983; durch den Gewinn des Jahres 1984 habe sich an dieser Relation nichts wesentliches geändert. Die erwarteten Einkommensteuernachsichten 1982 bis 1984 seien im wesentlichen von den drei Kommanditisten akontiert bis zum 18. Oktober 1984 bereits eingelegt worden, wodurch die günstigere Entwicklung der Betriebsergebnisse der KG überhaupt erst herbeigeführt worden sei. Ein Widerruf der Einkommensteuernachsichten 1983 und 1984 wäre daher trotz der in diesen Jahren erzielten Gewinne der KG sachlich nicht gerechtfertigt.

Der gesamte Verlustanteil 1985 aus der Beteiligung des Beschwerdeführers an der KG habe infolge des durch die Kapitaleinlagen wieder positiv gewordenen Kapitalkontos mit den übrigen positiven Einkünften des Beschwerdeführers ausgeglichen werden können. Im Jahr 1985 seien die im Nachsichtsantrag vom 19. April 1983 befürchteten nachteiligen Wirkungen des § 23a EStG 1972 somit nicht eingetreten. Im Jahr 1986 habe die KG einen Gewinn von S 40,386.270,-- erzielt. Der Gewinnanteil des Beschwerdeführers sei mit dem verbliebenen Wartetastenverlust 1982 gegenverrechnet worden, was zu dessen vollständiger Auflösung geführt habe. 1986 habe sich die Bestimmung des § 23a EStG 1972 daher in keiner Weise für den Beschwerdeführer nachteilig ausgewirkt. Für dieses Gewinnjahr habe der Beschwerdeführer auch auf Grund der mündlichen Vereinbarungen nicht mit dem Fortbestand der Nachsichtszusage rechnen dürfen. Dem Widerruf der Nachsichten für 1985 und 1986 stehe der Grundsatz von Treu und Glauben somit nicht entgegen.

Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, daß die für 1985 und 1986 gewährten Abgabennachsichten nicht widerrufen werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Hiezu gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab, worauf die belangte Behörde ihrerseits replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit die belangte Behörde ausführt, durch die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sei jedenfalls auch der Tatbestand des § 294 Abs. 1 lit. a BAO erfüllt worden, ist zu bemerken, daß der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis auf die genannte Bestimmung nicht Bezug genommen hat. Dies deshalb nicht, weil ein behördlicher Widerrufsvorbehalt, wie er sich im § 294 Abs. 1 BAO findet, nicht an die dort genannten Voraussetzungen gebunden ist. Diese gelten nur, "soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind". Das schließt nicht aus, daß im Einzelfall eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse einen tauglichen Widerrufsgrund darstellen kann.

Im Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof für den Fall eines nicht besonders determinierten Widerrufsvorbehaltes darauf abgestellt, daß nur zureichende sachliche Gründe zur Ausübung des Widerrufs berechtigen. Er hat als möglichen sachlichen Grund nicht nur die Unrichtigkeit der von den Antragstellern seinerzeit gegenüber dem BMF entwickelten Prognosen, also gemessen am möglichen Wissensstand im Zeitpunkt ihrer Erstellung, angesehen, sondern auch eine von dieser Prognose in der Folge wesentlich abweichende Entwicklung von Ergebnissen der KG sowie von Einkommen der Gesellschafter und ein Ausbleiben nachteiliger Wirkungen aus § 23a EStG 1972 für diese; all dies jedoch nur unter der Voraussetzung, daß diese günstigere Entwicklung nicht bereits durch die beabsichtigten positiven Auswirkungen der Abgabennachsicht herbeigeführt wurde und die Kommanditisten nicht auf Grund von Zusagen seitens der Abgabenverwaltung damit rechnen durften, daß eine seinerzeit nicht vorhersehbare Entwicklung in den angeführten Punkten zu keinem Widerruf der Begünstigung führen werde.

2. Die belangte Behörde hat im zweiten Rechtsgang festgestellt, daß es eine Zusage der Abgabenverwaltung, ein Widerruf der zu gewährenden Nachsicht komme nur in Frage, wenn die Nachsichtswerber ihre Pflicht nicht erfüllen, die nachgesehenen Beträge in die Gesellschaft einzulegen und ihre Anteile bis Ende 1986 nicht zu veräußern, oder wenn das Sanierungsvorhaben aus unvorhersehbaren Gründen aussichtslos werden sollte, nicht gegeben habe. Vielmehr seien die Widerrufsgründe nicht erschöpfend aufgezählt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar im ersten Rechtsgang die schriftliche Erklärung des Zeugen Dr. H vom 14. März 1991 dahin verstanden, daß ein Widerruf nur in den dort erwähnten Fällen erfolgen dürfe, nicht also deshalb, weil die Prognosedaten nicht eingetreten seien. Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren hiezu aber weitere Beweise aufgenommen:

Der Zeuge Dr. H hat unter anderem ausgesagt:

    "Die in den vorgehaltenen Akten angegebenen Voraussetzungen

mußten für eine Nachsichtszusage erfüllt sein, wobei diese

wirtschaftlichen Größen (Jahreseinkommen bzw. Verluste der KG)

natürlich keine starren Größen sein konnten. Bei Vorliegen von

Gewinnen der KG wäre aber eine Nachsichtszusage hinfällig

gewesen, weil dadurch auch der § 23a nicht zu dem befürchteten

Ergebnis geführt hätte. ... Dazu muß ich erklärend festhalten,

daß die ganze Nachsichtszusage im wesentlichen auf den

Auswirkungen des § 23a EStG fußte, und daß von vornherein nur

mit Verlusten des Unternehmens im Zeitraum 1982 bis 1986

gerechnet wurde, die nicht ausgleichsfähig gewesen wären. Unter

dieser Prämisse war an eine rückwirkende Wiederaufrollung der

Nachsicht damals nicht gedacht. Daher wäre an eine

Wiederaufrollung der Nachsichtszusage nur ex nunc im Falle des

Wegfallens einer wesentlichen Voraussetzung bzw. ex tunc im

Falle der Erschleichung gedacht gewesen. Dies deshalb, weil zum

damaligen Zeitpunkt auf Grund des Parteivorbringens mit

durchgehenden Verlusten für den Zeitraum 1982 bis 1986

gerechnet werden mußte, und daher eine Aufrechenbarkeit der

Verluste mit Gewinnen dieses Betriebes im Sinne des § 23a EStG

nicht zu rechnen war. ... Es hat gesprächsweise insbesondere

anläßlich der Besprechung am 6. Oktober 1983 im Beisein des

Parteienvertreters Dr. M ... Erörterungen gegeben, hinsichtlich

der Vorgangsweise bei etwaigen Gewinnen des Unternehmens im Zeitraum 1982 bis 1986. Es war damals davon die Rede, daß in einem solchen Falle keine Nachsichten mehr notwendig seien. An eine rückwirkende Wiederaufrollung der Nachsichtszusage war unter dem Eindruck der seitens Dr. M prognostizierten Verluste und bei den ausdrücklich ausgeschlossenen Gewinnen überhaupt nicht gedacht. ... Ausgangspunkt unserer damaligen Gespräche war das Ausschalten des § 23a EStG. Es war daran gedacht, die konsumierten Nachsichten zu belassen und im Falle eines möglichen Gewinnes am Schluß des Beobachtungszeitraumes 1982 bis 1986 keine Nachsicht mehr zu erteilen. Da mit durchgehenden Verlusten fest gerechnet wurde, sind keine anderen Überlegungen angestellt worden, weil man mit einer anderen Entwicklung nicht rechnen konnte. Da Überlegungen in die Richtung, daß bereits Gewinne 1982 bis 1985 erzielt werden könnten, völlig unwahrscheinlich waren, hat es in dieser Richtung keine Vereinbarungen bezüglich einer Revidierung einer Nachsichtszusage gegeben. Im Falle eines Gewinnjahres wäre jedenfalls für dieses Jahr keine Nachsichtserteilung gewesen. Es wurde jedenfalls keine Vereinbarung für den Fall getroffen, die einen Widerruf ausgeschlossen hätte, für den Fall, daß wider Erwarten 1982 bis 1985 Gewinne geschrieben worden wären. Ergänzend stelle ich klar, daß die parteiseits dargelegten Prognosen die Nachsichtszusage nur insoweit rechtfertigen sollten, soweit die jährliche Überprüfung des wirtschaftlichen Fortganges diese Prognosen in etwa bestätigen. ... Der wirtschaftlich relativ geringe Gewinn des Jahres 1983 hat unsere Nachsichtszusage deshalb nicht in Wegfall gebracht, weil der Verlust des Jahres 1982 wesentlich erheblicher war. Außerdem hat Dr. M mir mündlich berichtet, daß in der Folge wieder Verluste eingetreten sind. Bei Eintreffen weiterer Gewinne in den Folgejahren wäre die Nachsichtszusage zumindest überdacht worden. ... Meine Aussagen im zweiten Fax (vom 14. März 1991) sind so zu verstehen, daß es meiner Rechtsansicht entsprochen hat, daß bereits konsumierte Nachsichten nicht mehr wieder aufzurollen waren, auch dann, wenn sich die prognostizierten Voraussetzungen in späteren Jahren als nicht richtig erweisen sollten, sondern, daß eine Änderung der Nachsichtszusage nur ex nunc gedacht war. Diese meine Rechtsansicht war aber nicht Teil ausdrücklicher Vereinbarungen. Insoweit sind meine Bemerkungen in diesem Fax "Ein Widerruf kam aber nicht in Betracht" oder "Es besteht auf Grund der getroffenen Vereinbarungen keine rechtliche Grundlage für einen Widerruf" zu verstehen. ... "

In der Aussage des Zeugen Dr. Mz heißt es:

"Ausgangspunkt für die erteilte Nachsichtszusage war, daß das Unternehmen in den roten Ziffern stand und in der Folge für die Jahre 1982 bis 1986 mit einer negativen Entwicklung zu rechnen war. Da diese Verluste wegen des § 23a EStG nicht ausgleichsfähig waren, wollte man dem Unternehmen durch eine Nachsicht der Einkommensteuer der Kommanditisten insoferne helfen, als diese nachgesehenen Beträge dem gefährdeten Unternehmen zugute kommen sollten."

Der steuerliche Vertreter Dr. M sagte als Zeuge unter anderem folgendes aus:

    "Die maßgeblichen Verhandlungen wurden von mir persönlich

mit Dr. H und dem damaligen Bundesminister für Finanzen Dr. S

geführt, wobei mit Dr. S nur ein Grundsatzgespräch geführt

wurde. ... Der Inhalt meines Vorbringens im Schreiben vom

19. April 1983 in Verbindung mit dem Ergänzungsschreiben vom

27. April 1983 bildete die Grundlage für die ministerielle

Befürwortung der Nachsichtszusage. ... Es war vereinbart, daß

bei Nichtsanierbarkeit des Unternehmens die Nachsichten pro futuro nicht mehr ausgesprochen werden sollten, hingegen, daß bei mißbräuchlicher Ausnützung der Nachsichten, d.h. bei Nichteinhalten der angebotenen Bedingungen laut Schreiben vom 27. April 1983 die Nachsichtszusage insgesamt fallen sollte. Eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse wurde damals (1983) nicht besprochen. ... "

Auf die Frage, ob (wenn ja, welche) Vereinbarungen für den Fall bestanden, daß im Zeitraum 1982 bis 1986 entgegen den Verlusterwartungen in einem oder mehreren Jahren von der Gesellschaft ein Gewinn erwirtschaftet würde, antwortete der steuerliche Vertreter:

"Das war damals nicht Gesprächsthema, weil es auf Grund der bestehenden wirtschaftlichen Situation nicht denkmöglich war."

Im Hinblick auf diese Aussagen, die im wesentlichen miteinander in Einklang zu bringen sind, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die Feststellung der belangten Behörde, die Widerrufsgründe wären in den getroffenen Vereinbarungen nicht erschöpfend festgelegt worden, rechtswidrig wäre. Vielmehr durfte der Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen auf eine taxative Aufzählung der Widerrufsgründe nicht vertrauen. Übereinstimmend waren die Verhandlungspartner anläßlich der Nachsichtsvereinbarung von weiteren Verlusten der KG ausgegangen, sodaß eine Regelung für den Fall von Gewinnen entbehrlich schien; nach der Zeugenaussage des steuerlichen Vertreters waren damals Gewinne im Zeitraum 1982 bis 1986 geradezu "denkunmöglich". Darüber hinaus hat nach der unbestritten gebliebenen Aussage des Zeugen Dr. H der steuerliche Vertreter sodann im Zusammenhang mit dem (relativ geringen) Gewinn des Jahres 1983 auf in der Folge wieder eingetretene Verluste hingewiesen, worauf die ministerielle Weisung aufrecht erhalten wurde.

Ließ sich entgegen all diesen Prognosen das Sanierungsvorhaben schneller als geplant verwirklichen, so konnte grundsätzlich auch hierin ein zureichender sachlicher Widerrufsgrund gelegen sein.

3. Im Jahr 1985 haben sich noch beträchtliche Verluste der KG ergeben. Die Bestimmung des § 23a EStG 1972 wirkte sich für den Beschwerdeführer allerdings nicht nachteilig aus, weil wegen des wieder positiv gewordenen Kapitalkontos ein Ausgleich des Verlustanteiles des Beschwerdeführers mit seinen übrigen positiven Einkünften möglich war. Die belangte Behörde erkennt selbst, daß das im Jahr 1985 bestehende positive Kapitalkonto eine Folge der durch die Einkommensteuernachsichten veranlaßten Kapitaleinlagen war. Es handelte sich daher gerade um eine Auswirkung der Abgabennachsicht, wenn für den Beschwerdeführer 1985 aus § 23a EStG 1972 kein Nachteil entstanden ist. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht darin beipflichten, dieser Umstand würde dadurch berücksichtigt, daß dem Beschwerdeführer die Einkommensteuernachsichten 1982 bis 1984 erhalten blieben. Auch von der den Vereinbarungen zugrunde liegenden Sanierungsabsicht her war es gerechtfertigt, wegen des 1985 eingetretenen beträchtlichen Verlustes der KG eine Zufuhr weiterer Mittel zu begünstigen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Ansicht, daß für 1985 kein ausreichender Widerrufsgrund vorlag. Der angefochtene Bescheid war demnach insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4. Im Jahr 1986 hat die KG hingegen einen beträchtlichen Gewinn erzielt. Der Beschwerdeführer bringt selbst vor, daß das schließliche Erreichen der Gewinnzone auf die Erhöhung des Eigenkapitals der Gesellschaft, auf die allgemeine Zinssenkung und die sukzessive Halbierung von Dollarkurs und Treibstoffpreis zurückzuführen war. Zwar hat sich jedenfalls auch die sich verbessernde Eigenkapitalbasis der Gesellschaft auf ihre Ergebnisse positiv ausgewirkt, wobei die Kommanditisten wegen ihrer unerwartet hohen Jahreseinkommen höhere Nachsichtsbeträge einlegen konnten. Für die Beschleunigung des Sanierungserfolges gegenüber der Prognose war offensichtlich aber auch die nicht vorhergesehene Entwicklung anderer Faktoren von wesentlicher Bedeutung. Hinzu kommt, daß mit einem Umfang der Nachsicht von insgesamt ca. S 267 Mio der im Antrag vom 19. April 1983 genannte Finanzmittelbedarf der KG für 1982 bis 1986 in der Höhe von

S 148 Mio ebenso wie der dort vorgesehene Nachsichtsrahmen von ca. S 155 Mio (steuerpflichtige Einkünfte der Kommanditisten von jährlich ca. S 100 Mio, ca. S 62 Mio Steuerbelastung, Nachlaß der Hälfte für die Dauer von fünf Jahren) auch größenordnungsmäßig weit überschritten wurde. Wenn auch keine starren Bezugsgrößen angenommen worden waren, so durfte der Beschwerdeführer für das Gewinnjahr 1986, in dem sich aus § 23a EStG 1972 für ihn keine Nachteile ergeben haben, nicht darauf vertrauen, im Genuß der gewährten - im Hinblick auf die getroffenen Vereinbarungen "überschießenden" - Begünstigung bleiben zu können. Es war daher insoweit sachlich gerechtfertigt und nicht treuwidrig, wenn die belangte Behörde die Abgabennachsicht widerrufen hat.

Der Vollständigkeit halber sieht sich der Verwaltungsgerichtshof in Hinblick auf die Behauptung des steuerlichen Vertreters in seinem Schriftsatz vom 23. November 1992, der Gerichtshof habe im Vorerkenntnis die rechtliche Zulässigkeit steuerlicher Sonderregelungen für die Sanierung erhaltungswürdiger Unternehmen bestätigt, zur Bemerkung veranlaßt, daß im Vorerkenntnis über die Gesetzmäßigkeit der Nachsichtsgewährung nicht abgesprochen wurde. Im vorliegenden Fall ist vielmehr die Rechtmäßigkeit des Widerrufes bereits gewährter Nachsichten unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu überprüfen.

5. Einen Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die von ihm beantragte gemeinsame Vernehmung der "Hauptzeugen" Dr. H und Dr. M unterblieben ist. Beide Zeugen sind ausführlich vernommen worden; der Beschwerdeführer erhielt hiezu Parteiengehör. Ein wesentlicher Verfahrensmangel kann schon deshalb nicht vorliegen, weil der Beschwerdeführer nicht aufzeigt, welche Widersprüche zwischen diesen Aussagen vorliegen sollen, die durch eine Gegenüberstellung der beiden Zeugen bereinigt werden könnten.

Die Vernehmung des seinerzeitigen Finanzamtsvorstandes war entbehrlich, da dieser unbestritten an den maßgeblichen Verhandlungen nicht beteiligt war. Wenn der Beschwerdeführer meint, es sei nicht von vornherein auszuschließen, daß der Zeuge mehr über die Beschwerdesache wisse, als die belangte Behörde ohne Einvernahme des Zeugen vermute, so legt er offen, daß er die Aufnahme eines Erkundungsbeweises anstrebt. Hiezu war die belangte Behörde nicht verpflichtet.

In Hinblick auf die Beweisergebnisse des zweiten Rechtsganges erübrigte sich, auf den Aktenvermerk des Finanzamtes vom 29. November 1990, wonach über Widerruf nie gesprochen wurde, und die diesbezügliche, korrigierende Eingabe des Beschwerdeführers einzugehen.

Ein vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmender Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich demnach, soweit sie das Jahr 1986 betrifft, als unbegründet, weshalb sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992140226.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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