TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/21 92/01/0865

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Veröffentlicht am 21.04.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des X in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juli 1992, Zl. 4.303.440/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem türkischen Staatsangehörigen, der am 10. Juni 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer, der seiner Behauptung nach kurdischer Abstammung ist, macht in der Beschwerde nicht (mehr) geltend, daß ihm wegen Verfolgung aus Gründen der Nationalität Asyl zu gewähren gewesen wäre. Dafür bestand auch - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - im Hinblick darauf, daß die Ausführungen des Beschwerdeführers diesbezüglich nur allgemeiner Natur waren und damit keine konkreten, individuell gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen dargetan wurden, objektiv kein Anhaltspunkt. Der belangten Behörde ist aber - zumindest im Ergebnis - auch darin beizupflichten, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) aus Gründen der Religion oder seiner politischen Gesinnung nicht zukommt.

Was eine allfällige Verfolgung des Beschwerdeführers aus Gründen der Religion anlangt, so ist vorauszuschicken, daß in diesem Punkt auf sein Vorbringen in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 3. Dezember 1990 nicht Bedacht zu nehmen war. Im Hinblick darauf, daß insoweit kein Fall des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorlag, der eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erforderlich gemacht hätte, hatte nämlich die belangte Behörde ihrer Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Dadurch, daß sich die belangte Behörde dessen ungeachtet auch mit diesem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt hat, wurde der Beschwerdeführer aber nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beschwerdeführer, der sich als "Angehöriger der religiösen Sekte der Alewiten" bezeichnet, hat bei seiner niederschriftlichen Befragung am 21. September 1990 in diesem Zusammenhang angegeben, "auf die Idee der Ausreise" gekommen zu sein, weil er seine Gebete nicht mehr verrichten und die Fastenzeit nicht mehr einhalten habe können, seine Kinder im Religionsunterricht schlecht benotet worden seien und es "außerdem" in seiner Region Streitigkeiten "zwischen den verschiedenen Richtungen der islam. Religion (Sunniten, Schiiten)" gebe. Er habe auch seinen Vater nicht am sunnitischen Friedhof seines Heimatdorfes beisetzen können, sondern in einem anderen Dorf bestatten müssen. Dadurch sehe er sich in seiner Religionsfreiheit behindert. Dies bedeutet jedoch noch keineswegs - wie der Beschwerdeführer meint - eine den staatlichen Behörden seines Heimatlandes zuzurechnende Verfolgung des Beschwerdeführers aus religiösen Gründen, stellten doch die von ihm angeführten Umstände, sollten sie tatsächlich zutreffen, im wesentlichen lediglich eine (offenbar alle in der gleichen Situation befindlichen Personen treffende) Einschränkung der Religionsausübung dar, die aber aus objektiver Sicht keine solche Intensität erreicht hat, auf Grund derer ihm der weitere Verbleib in seinem Heimatland unerträglich gewesen wäre. Daß dies der Fall gewesen wäre, hat er auch selbst nicht zum Ausdruck gebracht, wobei hinzukommt, daß nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß er Schutz vor allfälliger Verfolgung nicht in anderen Teilen seines Heimatlandes hätte finden können (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0555, und vom 10. März 1993, Zl. 93/01/0079).

Das Hauptgewicht seiner Ausführungen legt der Beschwerdeführer darauf, daß er wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt worden sei und aus diesem Grunde auch eine weitere Verfolgung zu befürchten habe. Diesbezüglich verweist er in erster Linie auf seine niederschriftlichen Angaben vom 21. September 1990, wonach er Mitgliedern der PKK zu essen gegeben habe, dabei von Nachbarn beobachtet und denunziert sowie daraufhin vom "Dorfbewacher" deswegen auch zur Rede gestellt und mit Schlägen bedroht worden sei, weshalb er sich aus Angst davor zur Ausreise entschlossen habe. Er wendet sich mit Recht gegen die von der belangten Behörde gebrauchte Argumentation, der Beschwerdeführer habe nach seinem eigenen Vorbringen die PKK, ihrer Meinung nach eine notorisch mit Mord und Brandschatzung vorgehende Bande, durch Lebensmittel unterstützt, woraus sie zusammenfassend abgeleitet hat, daß die von ihm behauptete, darauf zurückzuführende Verfolgung wegen krimineller Handlungen seinerseits und nicht wegen seiner Gesinnung erfolgt sei. Die belangte Behörde hat - wie unter anderem in dem dem Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703, zugrunde liegenden Beschwerdefall, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird - diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und keine entsprechenden Feststellungen getroffen, wobei auch im vorliegenden Beschwerdefall zu bemerken ist, daß sie den im § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 (Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Ausschließungsgrund nicht herangezogen hat. Darin ist aber kein wesentlicher Verfahrensmangel zu erblicken, weil die belangte Behörde auch sonst nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können. Das gleiche gilt hinsichtlich der Ansicht der belangten Behörde, eine "Bedrohung durch die sogenannten "Dorfschützer"" sei wenig glaubhaft, weil es kaum denkbar erscheine, daß seitens der türkischen Polizei einer solchen Anzeige, wie sie vom Beschwerdeführer behauptet worden sei, nicht nachgegangen werde, er aber seinen eigenen Angaben zufolge nicht von den türkischen Behörden einvernommen oder sonst in irgendeiner Weise behelligt worden sei, welcher Ansicht jedoch die hinreichende Schlüssigkeit fehlt.

Der Beschwerdeführer hat am 21. September 1990 zwar erklärt, Sympathisant der PKK zu sein, "Mitteilungsblätter" bekommen und gelesen zu haben und "die Sache der PKK auch als meine Sache" angesehen zu haben. Seinen Angaben kann aber nicht entnommen werden, daß diese seine politische Gesinnung den Behörden seines Heimatlandes auch bekannt geworden sei und er deshalb Verfolgung zu erleiden bzw. zu erwarten gehabt habe. Er hat vielmehr betont, daß er - wie andere auch - Mitglieder der PKK auf ihr Verlangen mit Nahrung versorgt habe, "sonst wären wir nicht am Leben geblieben". In diesem Sinne hebt er auch in der Beschwerde besonders hervor, daß er dann, wenn er den Mitgliedern der PKK "das verlangte Essen nicht gegeben hätte", selbst um sein Leben zu fürchten gehabt hätte. Es geht daraus nicht hervor, daß der Beschwerdeführer Schwierigkeiten mit den staatlichen Behörden seines Heimatlandes (auch) deshalb gehabt habe, weil man ihm selbst eine derartige politische Gesinnung unterstellt oder ihn einer solchen zumindest verdächtigt habe. Bei der PKK handelt es sich bekanntermaßen um eine in der Türkei verbotene Organisation, weshalb es naheliegt, daß die dortigen staatlichen Behörden gegen jeden, der diese Organisation, egal aus welchen Motiven, unterstützt, vorgehen (sei es auch nur, wie der Beschwerdeführer behauptet hat, dadurch, daß man ihm für die Zukunft mit Maßnahmen droht und ihn unter Beobachtung stellt), weshalb allfällige daraus resultierende Verfolgungsmaßnahmen ihre Ursache nicht ohne weiteres in der politischen Gesinnung des Betreffenden haben. Im übrigen ist auch in Ansehung dieses Verfolgungsgrundes mangels gegenteiligen Vorbringens des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, aus welchen Gründen er vor einer allfälligen Verfolgung nicht in anderen Teilen seines Heimatlandes sicher gewesen wäre.

Wenn sich schließlich die Auffassung des Beschwerdeführers, er hätte als Flüchtling anerkannt werden müssen, zuletzt noch darauf stützt, daß er auch im Hinblick darauf, daß er im September 1990 dem türkischen Arbeiterverein beigetreten sei, im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit einer Verfolgung zu rechnen habe, so übersieht er ebenfalls, daß dieses erstmals in der Berufung enthaltene Vorbringen schon deshalb keine Berücksichtigung finden kann, weil keiner der Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorliegt, insbesondere sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit nicht geändert hat. Den vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängeln kommt demnach, sofern sie überhaupt gegeben sind, insgesamt keine Relevanz zu.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010865.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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