TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/22 92/09/0351

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Veröffentlicht am 22.04.1993
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Index

L24004 Gemeindebedienstete Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §48 Abs1;
BDG 1979 §91;
StGdBG OÖ 1956 §110 Abs1;
StGdBG OÖ 1956 §21 Abs2;
StGdBG OÖ 1956 §66 Abs1;
StGdBG OÖ 1956 §67;
StGdBG OÖ 1956 §69 Abs1;
StGdBG OÖ 1956 §69 Abs2;
StGdBG OÖ 1956 §92 Abs2;
StGdBG OÖ 1956 §92 Abs4;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des E in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission der Landeshauptstadt Linz vom 28. Mai 1990, Zl. 020-5-A, betreffend Ordnungsstrafe in einem Disziplinarverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Schuldspruches, der Beschwerdeführer habe mindestens einmal "stillschweigenden Zeitausgleich" in Anspruch genommen, indem er an einem sogenannten langen Arbeitstag nach einem Arztbesuch um

17.30 Uhr den Dienst nicht mehr antrat, er habe dadurch, daß er die festgesetzte Arbeitszeit nicht eingehalten habe, einen Verstoß gegen § 21 Abs. 2 StGBG, LGBl. Nr. 37/1956 i.d.g.F. begangen, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben;

im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Landeshauptstadt Linz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist als Amtsrat beim Magistrat der Stadt Linz tätig und leitete seit November 1987 eine Abteilung. Der Direktor des Wirtschaftshofes der Stadt Linz (SR. C) als der zuständige Dienststellenleiter des Beschwerdeführers war mit dessen Amtsführung in mehrfacher Weise nicht zufrieden, weshalb er in einem an den Präsidialdirektor gerichteten Schreiben vom 23. Februar 1989 die Abberufung des Beschwerdeführers von seinem Dienstposten beantragte. Er verwies darin u.a. auf eine dem Beschwerdeführer bereits am 11. Juli 1988 erteilte schriftliche Rüge und stellte ausführlich dar, worin er die Abteilungsführung durch den Beschwerdeführer als unbefriedigend ansehe. Unter zahlreichen anderen Vorwürfen findet sich auch jener, der Beschwerdeführer habe es trotz ausdrücklicher Untersagung in der schriftlichen Rüge vom 11. Juli 1988 nicht unterlassen, im Dienst alkoholische Getränke zu konsumieren. Auch habe sich der Beschwerdeführer zu wiederholten Malen "an den langen Tagen Nachmittag krank gemeldet", wahrscheinlich um den Umstand einer Alkoholisierung zu verbergen. Mit Rücksicht auf die unzulänglichen Fähigkeiten des Beschwerdeführers, auf seine Rückstände sowie auf die gegen ihn erhobenen Beschwerden könne derzeit die Gesamtbeurteilung des Beschwerdeführers nur mit "noch gut" ausgesprochen werden.

Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben des unmittelbaren Vorgesetzten des Beschwerdeführers berichtete das Organisationsamt am 20. März 1989 an den Magistratsdirektor, es sehe sich vorerst außerstande, disziplinäre oder organisatorische Maßnahmen vorzuschlagen, und zwar vor allem deshalb, weil die Beurteilung mit "noch gut" solche Maßnahmen nicht zulasse, und weil kein konkretes Fehlverhalten des Beschwerdeführers aufgezeigt worden sei. Hierauf kam es am 23. März 1989 zu einer Besprechung im Beisein des Magistratsdirektors, deren Gegenstand die schriftlich eingebrachte Beschwerde des Direktors des Wirtschaftshofes gegen den Beschwerdeführer war. Als Folge dieser Besprechung korrigierte SR. C am 10. April 1989 die Gesamtbeurteilung der Dienstleistung des Beschwerdeführers auf "minder entsprechend", worauf die Versetzung in die Wege geleitet und der Beschwerdeführer zu einer Einvernahme vorgeladen wurde.

Im Zuge dieser Einvernahme am 26. April 1989 nahm der Beschwerdeführer ausführlich zu den ihm vorgeworfenen dienstlichen Verfehlungen Stellung. U.a. gab er auch an, oft auch außerhalb der Dienstzeit zu Hause oder im Büro zu arbeiten; in diesem Zusammenhang ergänzte

er, "... daß ich durch mein Rückenleiden bedingt nachmittags häufig meinen Arzt in P besuchen muß und ich anschließend wegen ein bis zwei Stunden nicht noch extra ins Büro fahre; ich sehe dies als stillschweigenden Zeitausgleich für meine zahlreichen privaten Mehrleistungen."

Zu dem ihm vorgeworfenen Alkoholkonsum gab der Beschwerdeführer folgendes zu Protokoll:

"Wie bereits erwähnt, hat mich schon vor einem Jahr Dir. C wegen angeblicher Probleme im Zusammenhang mit dem Alkohol angesprochen und mir damals und später auch schriftlich den Genuß von Alkohol im Dienst untersagt. Ich möchte gleich eingangs betonen, daß ich keine Probleme mit dem Alkohol habe, daß ich aber auf mein vormittägliches Bier zur Speckjause nicht verzichten möchte und dies auch bisher nicht getan habe. Das von meinem Vorgesetzten nur mir gegenüber ausgesprochene Alkoholverbot betrachte ich als Schikane, daher halte ich mich auch nicht daran. Ich betone aber, nur ein Bier am Vormittag bzw. im Dienst zu trinken. Allfällige Abwesenheiten am Nachmittagen haben mit Alkoholkonsum nicht das geringste zu tun, sondern sind ausschließlich gesundheitlich bedingt ... Probleme im Zusammenhang mit einer möglichen Alkoholfahne nach dem einen Bier im Rahmen des Parteienverkehrs sehe ich allein schon deshalb nicht, weil mein Schreibtisch eine Überbreite aufweist, außerdem habe ich in einem solchen Fall ein Zuckerl parat oder spüle mir den Mund aus."

Nun wurde die Anzeige an den Disziplinarsenat II des Magistrats der Stadt Linz weitergeleitet, welcher am 10. Juli 1989 in nicht öffentlicher Sitzung gemäß § 87 Abs. 2 des oö. Statutargemeinden-Beamtengesetzes, LGBl. Nr. 37/1956 (StGBG), einen Verhandlungsbeschluß faßte, wonach dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wird,

"... nach Erteilung eines absoluten Alkoholverbotes seitens des DL-Dir. WH Alkohol konsumiert zu haben, durch nicht fristgerechte Erledigung des anfallenden Schriftverkehrs, nicht fundierte Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen, fehlendes fachliches Interesse, Ungründlichkeit bei der Ausarbeitung der Konzepte, nicht entsprechende Kundenfreundlichkeit, eine mangelnde Dienstleistung erbracht zu haben, sowie durch Konsumierung eines "stillschweigenden Zeitausgleiches" vom Dienst ungerechtfertigt abwesend gewesen zu sein und dadurch Dienstpflichtverletzungen gem. § 21 Abs. 1, 2 und 3 sowie § 26 Abs. 1 StGBG begangen zu haben."

Die Disziplinarbehörde erster Instanz nahm in einer mündlichen Verhandlung am 16. November 1989 die erforderlichen Beweise auf und sprach hierauf mit Bescheid vom 1. Dezember 1989 den Beschwerdeführer von sämtlichen gegen ihn erhobenen Vorwürfen frei. Die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe seien weitgehend nicht näher konkretisiert worden, auch ein Fernbleiben vom Dienst oder eine Alkoholisierung des Beschwerdeführers im Dienst habe nicht festgestellt werden können. Auch habe SR.Mag. C als Anzeiger wiederholt betont, daß er weder Grund noch Absicht gehabt habe, gegen den Beschwerdeführer eine Disziplinaranzeige zu erstatten. Für eine Gefährdung oder Schädigung öffentlicher Interessen seien keine ausreichenden Anhaltspunkte gegeben. In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde erster Instanz aus, gemäß § 84 Abs. 3 GOM (offenbar: Geschäftsordnung des Magistrats) bedürfe der Genuß geistiger Getränke während der Ausübung des Dienstes sowie die Teilnahme an Einladungen während des Dienstes oder im Zusammenhang mit Dienstgeschäften der Genehmigung des Dienststellenleiters. Nach Wiedergabe der §§ 66 Abs. 1 und 99 Abs. 2 StGBG führte der Disziplinarsenat zusammenfassend nur noch aus, der Beschwerdeführer sei daher von den ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen freizusprechen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Disziplinaranwalt Berufung, in welcher er zusammenfassend ausführte, der Beschwerdeführer habe sich im Sinne der gegen ihn erhobenen Vorwürfe schuldig gemacht und sei daher schuldangemessen zu bestrafen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zur Berufung ein und hielt am 18. Mai 1990 im Beisein des Disziplinaranwaltes, des Beschwerdeführers und seines Verteidigers eine mündliche Verhandlung ab.

Mit ihrem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Mai 1990 gab die belangte Behörde der Berufung des Disziplinaranwaltes teilweise Folge, sodaß der Spruch nunmehr wie folgt zu lauten habe:

"1. Herr AR E ... hat zumindest in der Zeit von 11.7.1988 bis zu seiner Einvernahme im OA am 26.4.1989 täglich im Dienst Alkohol in Form eines Bieres konsumiert, obwohl ihm im Zuge einer schriftlichen Rüge durch Dir./WH am 11.7.1988 ausdrücklich der Genuß von Alkohol im Dienst untersagt worden war.

Weiters hat Herr AR E mindestens einmal "stillschweigenden Zeitausgleich" in Anspruch genommen, indem er an einem sogenannten langen Arbeitstag nach einem Arztbesuch um

17.30 Uhr den Dienst nicht mehr antrat.

Herr AR E hat dadurch, daß er der Weisung eines Vorgesetzten nicht Folge leistete und die festgesetzte Arbeitszeit nicht einhielt, einen Verstoß gegen § 21 Abs. 2 und Abs. 3 StGBG, LGBl. Nr. 37/1956 idgF begangen.

Gemäß § 97 Abs. 1 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 wird über den Beschuldigten eine Ordnungsstrafe in Form einer VERWARNUNG verhängt.

2. Herr AR E wird von den ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen der nicht fristgerechten Erledigung des anfallenden Schriftverkehrs, der nicht fundierten Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen, des fehlenden fachlichen Interesses, der Ungründlichkeit bei der Ausarbeitung der Konzepte sowie der mangelnden Kundenfreundlichkeit

FREIGESPROCHEN."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde vorerst den Gang des Verfahrens dar und führte im Anschluß daran aus, der Beschwerdeführer habe den Verstoß gegen das ausdrückliche Alkoholverbot in Form einer Weisung durch den Dienststellenleiter nicht in Abrede gestellt. Er habe allerdings bestritten, daß jemals eine Alkoholbeeinflussung im Dienst vorgelegen sei; außerdem gehöre die Jausenzeit ohnehin nicht zur Dienstzeit. Der Beschwerdeführer habe auch nicht bestritten, zumindest in einem Fall an einem langen Arbeitstag beim Arzt gewesen zu sein und nach den Bestrahlungen um

17.30 Uhr nicht wieder den Dienst angetreten zu haben. Auf Grund der Aktenlage und auf Grund der Aussage des Beschwerdeführers stehe somit fest, daß dieser gegen die ihm erteilte "Weisung des absoluten Alkoholgenusses im Dienst" verstoßen, und daß er zumindest in einem Fall die festgesetzte Arbeitszeit nicht eingehalten habe. Er habe dadurch erwiesenermaßen gegen § 21 Abs. 2 und Abs. 3 StGBG verstoßen. Mildernd sei das Geständnis zu werten, erschwerende Umstände seien nicht vorgelegen. Die Verhängung einer Ordnungsstrafe in Form einer Verwarnung erscheine somit als angemessen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und machte eine Verletzung seines Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch mit Beschluß vom 5. Oktober 1992, B 839/90, die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In seiner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides insoweit geltend, als er für schuldig erkannt und über ihn eine Ordnungsstrafe in Form einer Verwarnung verhängt wurde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das im Beschwerdefall anzuwendende Dienst- und Disziplinarrecht ist im StGBG geregelt. Die Pflichten der Beamten sind in den §§ 21 ff StGBG umschrieben, so u.a. in § 21 Abs. 2 die Pflicht zur Einhaltung der festgesetzten Arbeitszeiten. Gemäß § 21 Abs. 3 StGBG hat der Beamte den Weisungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten, den Parteien, den Vorgesetzten und auch den Untergebenen sowie den übrigen Bediensteten mit Anstand und Achtung zu begegnen und in und außer Dienst das Standesansehen zu wahren. Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn sie von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder wenn die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

Die Ahndung von Pflichtverletzungen ist im 6. Abschnitt des StGBG geregelt. Über Beamte, die ihre Standes- oder Amtspflichten (Dienstpflichten) verletzt haben, sind gemäß § 66 Abs. 1 unbeschadet ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit Ordnungs- oder Disziplinarstrafen zu verhängen, je nachdem sich die Pflichtverletzung nur als eine Ordnungswidrigkeit oder mit Rücksicht auf die Schädigung oder die Gefährdung öffentlicher Interessen, auf die Art oder Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf sonstige erschwerende Umstände als ein Dienstvergehen darstellt. Das Recht des zuständigen Dienststellenleiters, Rügen auszusprechen und Ungehörigkeiten in der Amtsführung auszustellen, wird gemäß § 66 Abs. 2 StGBG durch dieses Gesetz nicht berührt.

Bei der Bemessung der Ordnungs- und der Disziplinarstrafen ist gemäß § 67 StGBG auf die Schwere der Ordnungswidrigkeit oder des Dienstvergehens und die daraus entstandenen Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte Verhalten des Beamten Rücksicht zu nehmen. (Einen Schuldspruch ohne Strafe für Bagatellfälle kennt das StGBG nicht.)

Gemäß § 69 Abs. 1 StGBG sind Ordnungsstrafen a) die Verwarnung und b) die Geldbuße.

Vor Verhängung einer Ordnungsstrafe ist gemäß § 69 Abs. 2 StGBG dem beschuldigten Beamten Gelegenheit zu geben, sich schriftlich oder mündlich zu rechtfertigen. Das Recht zur Verhängung einer Ordnungsstrafe steht dem Magistratsdirektor, dem Bürgermeister und der Disziplinarkommission bzw. der Disziplinaroberkommission zu.

Disziplinarbehörden sind gemäß § 71 StGBG die Disziplinarkommission und die Disziplinaroberkommission, die gemäß den §§ 73 bzw. 77 StGBG in Disziplinarsenaten bzw. Berufungssenaten verhandeln und entscheiden. Der gemäß § 79 StGBG zur Vertretung der durch eine Pflichtwidrigkeit verletzten dienstlichen Interessen zu bestellende Disziplinaranwalt hat u.a. gemäß § 95 Abs. 1 StGBG das Recht, gegen das Erkenntnis der Disziplinarkommission Berufung wegen des Ausspruches über Schuld, Strafe und Kosten zu erheben.

Gemäß § 84 Abs. 1 StGBG hat der Dienststellenleiter nach Durchführung der etwa zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes einer wahrgenommenen Pflichtverletzung erforderlichen Erhebungen die Disziplinaranzeige an den Magistratsdirektor zu erstatten, welcher gegebenenfalls die Anzeige gemäß § 84 Abs. 2 an die Disziplinarkommission weiterzuleiten hat. § 84 Abs. 3 sieht einen Beschluß der Disziplinarkommission auf Einleitung der Untersuchung vor, doch kann sie mit Zustimmung des Disziplinaranwaltes gemäß § 84 Abs. 5 StGBG an Stelle des Beschlusses auf Einleitung der Disziplinaruntersuchung sofort die Verweisung der Sache zur mündlichen Verhandlung (§ 87) beschließen. In einem derartigen Verweisungsbeschluß müssen gemäß § 87 Abs. 3 StGBG die dem Beschuldigten zur Last gelegten Pflichtverletzungen bestimmt angeführt und die Verfügungen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bezeichnet werden.

Durch das Erkenntnis der Disziplinarkommission muß der Beschuldigte gemäß § 92 Abs. 2 StGBG entweder von der ihm zur Last gelegten Pflichtverletzung freigesprochen oder einer solchen für schuldig erkannt werden. Im Falle des Schuldspruches hat das Erkenntnis den Ausspruch über die Disziplinar- oder Ordnungsstrafe zu enthalten. Das Erkenntnis ist gemäß § 92 Abs. 3 mündlich zu verkünden und sonach schriftlich auszufertigen und muß neben der Bezeichnung der Behörde, neben Angaben über alle Beteiligten und den Tag der Fällung des Disziplinarerkenntnisses gemäß § 92 Abs. 4 lit. g StGBG den Ausspruch über Schuld, Strafe und Kosten, gemäß lit. h die Entscheidungsgründe unter Anführung allfälliger Erschwerungs- und Milderungsumstände und gemäß lit. i die Rechtsmittelbelehrung enthalten.

Das - im Beschwerdefall nicht bemängelte - Verfahren vor der Disziplinaroberkommission regelt § 97 StGBG.

Ordnungswidrigkeiten sind gemäß § 110 Abs. 1 StGBG verjährt, wenn seit dem Tag, an dem sie einem zur Verhängung der Ordnungsstrafe zuständigen Organ dienstlich zur Kenntnis gekommen sind, drei Monate oder wenn überhaupt seit der Handlung oder Unterlassung ein Jahr verflossen sind, ohne daß die Ordnungswidrigkeit verfolgt wurde.

Soweit im 6. Abschnitt des StGBG nichts anderes bestimmt ist, sind gemäß § 112 dieses Gesetzes im Disziplinarverfahren die für das Verwaltungsstrafverfahren geltenden Vorschriften anzuwenden.

Der Beschwerdeführer wurde im angefochtenen Bescheid in zwei Punkten schuldig gesprochen, nämlich einerseits wegen seines weisungswidrigen Alkoholgenusses im Dienst und andererseits wegen einer zumindest einmaligen Verletzung seiner Pflicht zur Einhaltung seiner festgesetzten Arbeitszeit.

Zum zuletzt genannten Tatvorwurf macht der Beschwerdeführer mit Recht geltend, daß es insoweit im Spruch des angefochtenen Bescheides an jeder Konkretisierung hinsichtlich des Zeitpunktes der ihm angelasteten Dienstpflichtverletzung fehlt. Auch im Disziplinarverfahren muß der Täter durch eine ausreichende Umschreibung der Tat in einem verurteilenden Erkenntnis davor geschützt sein, allenfalls wegen derselben Tathandlung ein weiteres Mal verfolgt und schuldig gesprochen werden zu können. Auch wenn § 92 Abs. 4 StGBG - worauf die belangte Behörde verweist - nicht wie § 44a Z. 1 VStG ausdrücklich fordert, das Disziplinarerkenntnis habe "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten, läßt doch § 92 Abs. 4 lit. g StGBG mit seiner Forderung nach einem Ausspruch über die Schuld keineswegs die Deutung zu, ein verurteilendes Erkenntnis einer Disziplinarbehörde im Sinne dieses Gesetzes wäre ohne konkrete und unverwechselbare Umschreibung der vom Beschuldigten zu verantwortenden Pflichtverletzung als vollständig anzusehen. Die Folgerung, jemand habe schuldhaft gehandelt, setzt ausnahmslos die Feststellung voraus, wann und wo der Beschuldigte jenes konkrete Verhalten gesetzt hat, dessen er für schuldig erkannt werden soll. In diesem Sinne ist der Vorwurf, eine festgesetzte Arbeitszeit verletzt zu haben, nicht nachvollziehbar, wenn nicht einmal feststeht, an welchem Tag - der möglicherweise in einen von bereits eingetretener Verjährung erfaßten Zeitraum fallen könnte - die betreffende Pflichtverletzung stattgefunden haben soll.

In diesem Sinne ist, was der Beschwerdeführer mit Recht aufzeigt, die dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Nichteinhaltung seiner Arbeitszeit vorgeworfene Pflichtverletzung durch die Umschreibung "mindestens einmal ... an einem sogenannten langen Arbeitstag nach einem Arztbesuch um 17.30 Uhr" in zeitlicher Hinsicht unzureichend individualisiert worden. Der angefochtene Bescheid erweist sich deshalb im Umfang des auf § 21 Abs. 2 StGBG gestützten Schuldspruches als inhaltlich rechtswidrig.

Dieser Mangel haftet dem angefochtenen Bescheid hingegen hinsichtlich des Teilschuldspruches des Beschwerdeführers wegen seines weisungswidrigen Biergenusses im Dienst nicht an. Es geht auch das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht in diese Richtung, vielmehr macht der Beschwerdeführer insoweit geltend, diese Dienstpflichtverletzung sei mangels rechtzeitiger konkreter Verfolgungshandlungen als verjährt zu beurteilen. Der Magistratsdirektor habe spätestens am 23. Februar 1989 Kenntnis vom Sachverhalt gehabt, die erste konkrete Verfolgungshandlung eines Dienstvergehens sei jedoch erst mit dem Beschluß vom 17. Juli 1989 erfolgt, denn erst darin sei dem Beschwerdeführer erstmalig konkret zur Last gelegt worden, er habe nach Erteilung eines absoluten Alkoholverbotes Alkohol konsumiert. Es sei daher die Dreimonatsfrist nach § 110 Abs. 1 StGBG bereits vor der ersten konkreten Verfolgungshandlung verstrichen gewesen, hinsichtlich des vor dem 17. Juli 1988 gelegenen Zeitraums aber auch die dort normiert Einjahresfrist.

Mit diesem Vorbringen wird eine weitergehende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides jedoch nicht aufgezeigt.

Wie eingangs dargestellt, enthielt bereits das Schreiben des unmittelbaren Vorgesetzten des Beschwerdeführers vom 23. Februar 1989 den Hinweis darauf, der Beschwerdeführer habe es trotz ausdrücklicher Untersagung in der schriftlichen Rüge vom 11. Juli 1988 nicht unterlassen, im Dienst alkoholische Getränke zu konsumieren. Davon geht, wie oben dargestellt, auch der Beschwerdeführer selbst aus, wobei er allerdings unzutreffenderweise meint, der Magistratsdirektor habe von dem Schreiben vom 23. Februar 1989 bereits an diesem Tag Kenntnis erlangt. Wie sich aus den vorgelegten Akten in Übereinstimmung mit der Darstellung der belangten Behörde ergibt, war dieses Schreiben nämlich nicht an den Magistratsdirektor, sondern vielmehr an den Präsidialdirektor gerichtet, welcher jedoch nicht zu den gemäß § 69 Abs. 2 StGBG zur Verhängung einer Ordnungsstrafe zuständigen Organen zählt und dessen Kenntnis daher die dreimonatige Frist nach § 110 Abs. 1 StGBG nicht auslösen konnte. Ein Bericht an den Magistratsdirektor, dem das Schreiben vom 23. Februar 1989 zugrunde lag, wurde vielmehr erst am 20. März 1989 erstattet und führte in der Folge zur Besprechung vom 23. März 1989 und danach zur Einvernahme des Beschwerdeführers zu seinen "dienstlichen Verfehlungen". Daß der Beschwerdeführer aus diesem Anlaß ganz konkret mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, er habe trotz schriftlicher Untersagung durch SR. C "schon vor einem Jahr" weiterhin täglich im Dienst Alkohol konsumiert, ergibt sich zweifelsfrei aus den dazu vom Beschwerdeführer selbst am 26. April 1989 gemachten (oben wörtlich wiedergegebenen) Angaben. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, warum eine persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers zu diesem ganz konkret ihm gegenüber erhobenen Vorwurf eines weisungswidrigen Verhaltens nicht als Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 110 Abs. 1 StGBG und damit als verjährungsunterbrechend angesehen werden sollte. Daß der nicht zuletzt auf dieses Ermittlungsergebnis gestützte Verweisungsbeschluß des zuständigen Disziplinarsenates vom 10. Juli 1989 diesen Vorwurf mit der gemäß § 87 Abs. 3 StGBG geforderten Bestimmtheit umschrieben hat, hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde selbst ausgeführt.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellte somit nicht erst dieser Verweisungsbeschluß, sondern bereits die innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis des Magistratsdirektors vorgenommene Einvernahme des Beschwerdeführers zu eben jenem konkreten Vorwurf, der in der Folge zu seiner Verurteilung im angefochtenen Bescheid geführt hat, die erste taugliche Verfolgungshandlung dar. Mit Rücksicht darauf geht auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, vor dem 17. Juli 1988 gelegene Tathandlungen seien wegen Ablaufes der Jahresfrist in § 110 Abs. 1 StGBG verjährt, ins Leere, ohne daß es hier noch einer Prüfung der Frage des allfälligen Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes oder eines Eingehens auf das richtige Datum dieses Verweisungsbeschlusses (10. oder 17. Juli 1989) bedurfte.

Hinsichtlich des auf § 21 Abs. 3 StGBG gestützten Teilschuldspruches auf Grund des weisungswidrigen Alkoholgenusses im Dienst in der Zeit vom 11. Juli 1988 (Erteilung der Weisung durch den Dienstvorgesetzten im Rahmen der Rüge gemäß § 66 Abs. 2 StGBG) bis zum 26. April 1989 erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet.

Die Beschwerde war aber auch hinsichtlich des Strafausspruches gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Eine Rechtsverletzung, die darin gelegen ist, daß in einem Teil ein Schuldspruch erfolgt ist, obwohl ein Teilfreispruch hätte erfolgen müssen, zieht nämlich noch nicht zwingend die Aufhebung des Strafausspruches nach sich. Ausschlaggebend für diese Rechtsfolge ist vielmehr, ob sich die im Bereich des Schuldspruches festgestellte Rechtsverletzung auf das Ausmaß der verhängten Strafe auswirkt, was an Hand der von der Behörde im Einzelfall herangezogenen Strafbemessungsgründe zu prüfen ist. Ein zu Unrecht erfolgter Teilschuldspruch zieht die Aufhebung des Strafausspruches dann nicht nach sich, wenn die Behörde die verhängte Strafe schon allein auf den rechtmäßigen (bzw. in Teilrechtskraft erwachsenen) übrigen Teil des Schuldspruches stützen konnte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die beiden von ihr als erwiesen angenommenen Verfehlungen des Beschwerdeführers als Ordnungswidrigkeiten gewertet und hat dafür die nach dem StGBG mildeste Ordnungsstrafe der Verwarnung (§ 69 Abs. 1 lit. a) ausgesprochen. Da eine mildere Bestrafung des Beschwerdeführers auch im Falle eines weitergehenden Teilfreispruches oder im Falle einer Verurteilung wegen nur EINER erwiesenen Ordnungswidrigkeit nach dem Gesetz nicht in Betracht gekommen wäre, sind nach dem Gesagten im vorliegenden Beschwerdefall die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Strafausspruches nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid (soweit er vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten wurde) dadurch verletzt, daß er wegen der Nichteinhaltung der festgesetzten Arbeitszeit schuldig gesprochen wurde. Insoweit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 50 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht verzeichnete Stempelgebühren in der Höhe von S 90,--.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992090351.X00

Im RIS seit

01.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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