TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/27 92/04/0272

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Veröffentlicht am 27.04.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita idF 1990/357;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs2 idF 1990/357;
AVG §71 Abs2;
AVGNov 1990 Art4 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der F in C, Schweiz, und des B in B, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. September 1992, Zl. 313.984/2-III/3/92, betreffend Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. November 1990 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich als Behörde zweiter Instanz der X-Gesellschaft m.b.H. über deren Antrag die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung einer Hackschnitzelfeuerungs- und einer Ölfeuerungsanlage auf einem näher beschriebenen Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer, vertreten durch die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einschreitenden Rechtsanwälte eine Berufung, die eingangs "An das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung" adressiert war. Vom Amt der O.ö. Landesregierung wurde der Berufungsschriftsatz an die Behörde erster Instanz (Bezirkshauptmannschaft Freistadt) weitergeleitet, wo sie erst nach Ablauf der Berufungsfrist einlangte. Von diesem Vorgang wurden die Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 12. Februar 1991 (zugestellt am Montag dem 18. Februar 1991) in Kenntnis gesetzt. Mit am Dienstag dem 26. Februar 1991 zur Post gegebenem Schriftsatz stellten die Beschwerdeführer den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. November 1990. Darin brachten sie u.a. vor, daß sie erst durch das Schreiben der belangten Behörde vom 12. Februar 1991 von dem unterlaufenen Versehen und damit von der Fristversäumnis Kenntnis erlangten.

Diesen Antrag wies die Bezirkshauptmannschaft Freistadt mit Bescheid vom 26. März 1991 mit der Begründung als verspätet zurück, auf das vorliegende Verfahren sei § 71 Abs. 2 AVG 1950 in der Fassung vor der Novelle 1990 anzuwenden, wonach die Frist für die Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrages eine Woche betrage. Die dagegen erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 11. April 1991 ab. Die belangte Behörde hob mit Bescheid vom 17. Oktober 1991 über Berufung der Beschwerdeführer diesen und den erstbehördlichen Bescheid vom 26. März 1991 mit der Begründung auf, auf das vorliegende Verfahren sei § 71 Abs. 2 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 anzuwenden, wonach die Frist zur Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrages zwei Wochen betrage. Denn der (in der Hauptsache ergangene) Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. November 1990 sei bereits am 12. Dezember 1990 in Rechtskraft erwachsen, da zufolge § 64 Abs. 1 AVG die verspätet eingebrachte Berufung die Rechtskraftwirkung des Bescheides nicht aufgehoben habe, sodaß am 1. Jänner 1991 ein Verfahren nicht anhängig gewesen sei. Die Übergangsbestimmung des Art. IV Abs. 2 der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 finde daher mangels Anhängigkeit eines Verfahrens zu diesem Stichtag keine Anwendung.

Mit Bescheid vom 6. Juni 1991 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den (in der Hauptsache ergangenen) Bescheid des Landeshauptmannes vom 13. November 1990 gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 als verspätet zurück.

In der Folge erging im Instanzenzug der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. September 1992, mit dem der in Rede stehende Wiedereinsetzungsantrag mangels des Erfordernisses eines nur minderen Grades des Versehens abgewiesen wurde.

Gegen den zuletzt genannten Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes tragen sie (zusammengefaßt) vor, die belangte Behörde habe in dem ihren Rechtsvertretern unterlaufenen und zur Versäumung der Berufungsfrist führenden Fehler zu Unrecht ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden erblickt.

Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990) ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Nach dem Abs. 2 dieses Paragraphen in der zitierten Fassung muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Mit der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 wurde § 71 Abs. 1 lit. a dahin gehend geändert, daß auch ein nur minderer Grad des Versehens die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindert. Gleichzeitig wurde die im § 71 Abs. 2 leg. cit. genannte Frist auf zwei Wochen verlängert.

Gemäß Art. IV Abs. 2 der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 sind am 1. Jänner 1991 anhängige Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

Die belangte Behörde irrte, wenn sie in ihrem Bescheid vom 17. Oktober 1991 die Rechtsansicht vertrat, das gegenständliche Verfahren sei am 1. Jänner 1991 nicht anhängig gewesen, sodaß für die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Rechtslage nach der mehrfach zitierten Novelle zum AVG maßgebend sei. Es trifft zwar zu, daß durch eine verspätet erhobene Berufung der Eintritt der Rechtskraft des durch diese Berufung angefochtenen Bescheides nicht verhindert wird. Dies ändert aber nichts daran, daß das entsprechende Verwaltungsverfahren so lange nicht abgeschlossen und damit weiter anhängig ist, als über die, wenn auch verspätet erhobene Berufung entschieden ist.

Im vorliegenden Fall wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid der O.ö. Landesregierung vom 13. November 1990 erst mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 1991 zurückgewiesen, sodaß entsprechend der soeben dargelegten Rechtslage dieses Verfahren schon aus diesem Grund am 1. Jänner 1991 noch anhängig war. Entsprechend der Übergangsregelung des Art. IV Abs. 2 der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 ist daher auf das vorliegende Verfahren jedenfalls die Rechtslage und damit auch die Bestimmung des § 71 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 AVG in der Fassung vor dieser Novelle anzuwenden. Dies bedeutet, daß der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, um rechtzeitig zu sein, binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verspätung der Berufung einzubringen gewesen wäre. Da, wie aus der eingangs gegebenen Sachverhaltsdarstellung erkennbar, diese Frist nicht gewahrt wurde, erweist sich der Wiedereinsetzungsantrag als verspätet, weshalb er von der belangten Behörde richtigerweise zurückzuweisen gewesen wäre. Dadurch, daß die belangte Behörde den Antrag nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen hat, wurden allerdings subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt, sodaß sich die Beschwerde als nicht berechtigt erweist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992040272.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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