TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/30 93/17/0095

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Veröffentlicht am 30.04.1993
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Index

L37168 Kanalabgabe Vorarlberg;
L82308 Abwasser Kanalisation Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art139 Abs6;
KanalgebührenO Nenzing 1982 §2;
KanalgebührenO Nenzing 1982 §4;
KanalisationsG Vlbg 1976 §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, in der Beschwerdesache der XY-Gesellschaft m.b.H. & Co KG in F, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. Oktober 1987, Zl. IIIa-221/49, betreffend Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren für das Jahr 1982 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Nenzing), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, auf Grund des Beschlusses der Abgabenberufungskommission der Gemeinde Nenzing vom 16. Dezember 1986 ausgefertigten Bescheid vom 18. Mai 1987 wurde der beschwerdeführenden Partei für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1982 eine Kanalbenützungsgebühr in der Höhe von S 110.603,15 vorgeschrieben.

Die beschwerdeführende Partei erhob Vorstellung.

1.2. Mit Bescheid vom 20. Oktober 1987 gab die Vorarlberger Landesregierung dieser Vorstellung aufgrund des 5. Abschnittes des Kanalisationsgesetzes - KanalG, Vorarlberger LGBl. Nr. 33/1976, in Verbindung mit der Kanalordnung und der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Nenzing vom 1. Jänner 1982 (im folgenden: KanalGebO 1982) keine Folge.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Gemeinde Nenzing die Kanalbenützungsgebühren in zwei Tarife aufgegliedert, wobei für die Einleitung von vorgeklärten Abwässern (Tarif A) ein um ein Drittel ermäßigter Gebührensatz festgesetzt worden sei. Hiemit entspreche die in der KanalGebO 1982 für das Jahr 1982 festgesetzte Mengengebühr (Tarif A S 5,50/m3 und Tarif B S 8,20/m3 Abwasser) den gesetzlichen Bestimmungen des 5. Abschnittes des KanalG. Gesetzliche Grundlage für den § 2 KanalGebO 1982 sei der § 22 Abs. 4 KanalG. Diese Bestimmung beziehe sich nur auf den Zeitraum, in dem nicht alle Anschlußpflichtigen bereits ungeklärte Abwässer in das Kanalnetz der Gemeinde einleiten könnten. Der begünstigte Tarif sei somit nur anzuwenden, wenn der Anschlußnehmer im Zeitpunkt der Vorschreibung vorläufig keine ungeklärten Abwässer einleiten dürfe.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 10. August 1977 sei der beschwerdeführenden Partei die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Neutralisationsanlage für die Beseitigung der Betriebsabwässer erteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Abwasserreinigungsanlage M noch nicht betriebsfertiggestellt gewesen. Vorläufig, bis zur endgültigen Fertigstellung der gemeinsamen Abwasserreinigungsanlage, seien diese Abwässer oberhalb des Grundwasserschongebietes H in die I (Vorteich) eingeleitet worden. Aus dem Bescheid gehe hervor, daß die wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 21 des Wasserrechtsgesetzes auf die Dauer bis längstens zur Fertigstellung der Abwasserreinigungsanlage befristet sei.

Mit Inbetriebnahme der Abwasserreinigungsanlage M hätten ab Oktober 1979 ungeklärte Abwässer eingeleitet werden können. Ab diesem Zeitpunkt sei daher der erhöhte Beitragssatz für alle Kanalanschlußteilnehmer vorzuschreiben gewesen, denen es möglich gewesen sei - so auch der Beschwerdeführerin -, ihre Abwässer in die Abwasserreinigungsanlage M ungeklärt einzuleiten. Die Betriebsleitung der Abwasserreinigungsanlage habe mitgeteilt, daß die Beschwerdeführerin im strittigen Zeitraum auch ungeklärte Abwässer in die Anlage hätte einleiten können, ohne daß dadurch der ordnungsgemäße Betrieb, die Wartung oder die Wirksamkeit der Anlage gefährdet bzw. beeinträchtigt worden wäre.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf gesetzmäßige Festsetzung der sie treffenden Abgabenschuld verletzt. Nach der Begründung der Beschwerde habe die Abgabenfestsetzung ausschließlich aufgrund der Verordnungsbestimmung des § 2 KanalGebO 1982 zu erfolgen. Danach betrage die Kanalbenützungsgebühr pro Kubikmeter Wasserverbrauch S 5,50 für vorgeklärte Abwässer und S 8,20 für ungeklärte Abwässer. Die Beschwerdeführerin leite ausschließlich vorgeklärte Abwässer in die Kanalisationsanlage ein. Die Begründung des angefochtenen Bescheides beziehe den Standpunkt, es sei eine gesetzeskonforme Interpretation vorzunehmen, die zum Ergebnis führe, daß der erhöhte Gebührensatz zur Vorschreibung zu gelangen habe, weil bei der Gewährung des ermäßigten Beitragssatzes auf das Kriterium, daß nur "vorläufig vorgeklärt eingeleitet werden darf", abzustellen sei. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin gehe eine solche Auslegung weit über den Wortsinn hinaus, auch wenn sich die Verordnung auf § 22 KanalG berufe. § 2 KanalGebO 1982 sehe eine Einschränkung, wie sie der § 22 Abs. 4 KanalG vornehme, nicht vor.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Im vorgelegten Verwaltungsakt befindet sich eine Ausfertigung der Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Nenzing vom 21. Dezember 1981, Zl. 713/1982, über die Beitrags- und Gebührensätze auf Grund des Kanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 33/1976 (Kanalgebührenordnung), in welcher als Rechtsgrundlage das FAG 1979 angeführt ist und nach deren § 4 diese Verordnung mit 1. Jänner 1982 in Kraft und die Verordnung vom 22. März 1977 zum gleichen Zeitpunkt außer Kraft tritt. Über Anfrage teilte die mitbeteiligte Gemeinde dem Verwaltungsgerichtshof mit, daß das Original dieser Verordnung rechts oben den Vermerk über den Anschlag an der Amtstafel vom 14. Jänner bis zur Abnahme am 3. Februar 1982 trage. Es handelt sich somit um die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. März 1993, V 12/92, als Kanalgebührenordnung 2 bezeichnete Verordnung.

1.5. In Entsprechung des im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Verordnungsprüfungsantrages sprach der Verfassungsgerichtshof mit dem eben genannten Erkenntnis vom 18. März 1993, V 12/92, aus, daß die §§ 2 und 4 der Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Nenzing vom 21. Dezember 1981 über die Beitrags- und Gebührensätze auf Grund des Kanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 33/1976, (Kanalgebührenordnung), Zl. 713/1982, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 14. Jänner 1982 bis 28. Jänner 1982, gesetzwidrig waren.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Art. 139 Abs. 6 erster und zweiter Satz B-VG lauten:

"Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht."

Gemäß § 15 Abs. 3 Z. 4 des Finanzausgleichsgesetzes 1979 - FAG 1979, BGBl. Nr. 673/1978, waren die Gemeinden ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung, vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung, Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, vorzuschreiben.

Diese bundesgesetzliche Ermächtigung gründete sich auf § 7 Abs. 5 F-VG.

Gestützt auf § 8 Abs. 1 F-VG (vgl. VfSlg. 8099/1977) hat der Vorarlberger Landesgesetzgeber im § 19 KanalG angeordnet:

"Sofern Gemeinden auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung durch Verordnung der Gemeindevertretung Gebühren für die Benützung ihrer Abwasserbeseitungsanlage (Kanalbenützungsgebühren) vorschreiben, gelten hiefür die Bestimmungen dieses Abschnittes."

§ 20 KanalG regelt sodann die Bemessung der Gebühren, § 21 den Schmutzbeiwert und § 22 den durch Verordnung der Gemeindevertretung festzusetzenden Gebührensatz.

Die vom Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig festgestellten §§ 2 und 4 KanalGebO 1982 lauteten:

"§ 2

Kanalbenützungsgebühren

Die Kanalbenützungsgebühren betragen aufgrund des für das Jahr 1982 verrechenbaren Aufwandes und des voraussichtlich zur Verrechnung gelangenden Wasserverbrauches

pro m3 Wasserverbrauch:

A) S 5,50 für vorgeklärte Abwässer und

B) S 8,20 für ungeklärte Abwässer

§ 4

Diese Verordnung tritt mit 1.1.1982 in Kraft. Die Verordnung vom 22.3.1977 tritt zum gleichen Zeitpunkt außer Kraft."

Der Beschwerdefall bildet unbestritten einen der Anlaßfälle für die verfassungsgerichtliche Feststellung, daß die angewendeten und vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden, eben zitierten Verordnungsstellen gesetzwidrig waren.

Dadurch, daß die belangte Behörde den angefochtenen, die Vorstellung gegen die gemeindebehördlichen Gebührenbescheide abweisenden Bescheid auf diese Rechtsnormen gestützt hat, belastete sie ihn mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Ersatz der Umsatzsteuer war nicht zuzusprechen, weil dieser Aufwand bereits mit dem Pauschale für den Schriftsatzaufwand abgegolten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993170095.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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