TE Vfgh Beschluss 2008/10/9 A5/08

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Veröffentlicht am 09.10.2008
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97 Öffentliches Auftragswesen
97/01 Öffentliches Auftragswesen

Norm

B-VG Art137 / Bescheid
BundesvergabeG 2002 §162, §166, §177 Abs4
AVG §78

Leitsatz

Zurückweisung einer Klage gegen den Bund auf Rückzahlung entrichteterPauschalgebühren nach dem Bundesvergabegesetz 2002 infolgeMöglichkeit der Erwirkung eines Bescheides

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen der Finanzprokuratur die mit € 510,84 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Begründung:

I. Auf Grund des Vorbringens beider Parteien und der Einsicht in

den Verwaltungsakt des Bundesvergabeamtes (BVA) zu Z15N-26/05 steht folgender Sachverhalt fest:

1. Der Bund führte als öffentlicher Auftraggeber ein Vergabeverfahren für "Schurf-/Bohrarbeiten im Rahmen der Durchführung von ergänzenden Untersuchungen gemäß §13 Altlastensanierungsgesetz für die Verdachtsfläche 'Schlammteiche Vogl', 5230 Mattinghofen" mit einem Auftragswert von € 41.000,-- im offenen Verfahren gemäß BVergG 2002, BGBl. I 99/2002 durch. An diesem Verfahren hat sich unter anderem eine Bietergemeinschaft, bestehend aus der klagenden Partei

T. GmbH und der Fa. J.B. beteiligt.

Im März 2005 erhielt die Bietergemeinschaft per Fax die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers zu Gunsten der Fa. E.GmbH. Daraufhin stellte sie mit Schriftsatz vom 29. März 2005, eingelangt beim BVA am 31. März 2005, verbessert eingebracht am 6. April 2005, einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Akteneinsicht.

Mit Bescheid vom 11. April 2005, Z15N-26/05-16, erließ das BVA eine einstweilige Verfügung, mit der sie die Erteilung des Zuschlags für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, längstens jedoch bis zum Ablauf des 30. April 2005, untersagte. Mit Bescheid vom 3. Mai 2005, Z15N-26/05-26, wurde auf Antrag der Bietergemeinschaft vom 27. April 2005 neuerlich eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der die Unterlassung der Erteilung des Zuschlags bis zum 27. Mai 2005 angeordnet wurde.

Für die Anträge auf Nachprüfung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom 29. März 2005 entrichtete die Bietergemeinschaft eine Gebühr von € 5.000,--. Eine weitere Gebühr von € 2.500,-- wurde für den Antrag auf Erlassung einer neuerlichen einstweiligen Verfügung vom 27. April 2005 bezahlt. Im Verfahren vor dem BVA beantragte die Bietergemeinschaft, den Bund zum Ersatz der Gebühren gemäß §177 Abs5 BVergG 2002 zu verpflichten.

2. Mit Bescheid vom 25. Mai 2005, Z15N-26/05-32, wies das BVA den Antrag, die Zuschlagsentscheidung des Bundes als öffentlicher Auftraggeber für nichtig zu erklären, ab (Spruchpunkt I), gab jedoch dem Antrag auf Gebührenersatz teilweise Folge und verpflichtete den Bund zum Ersatz der für die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Gebühren von insgesamt € 5.000,--. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen (Spruchpunkt II).

3. Gegen Spruchpunkt II dieses Bescheides erhob der Bund Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Z2007/04/0028-11, hob der Verwaltungsgerichtshof Spruchpunkt II auf. Der Verwaltungsgerichtshof begründete die Aufhebung des Bescheides wie folgt:

"4. Mit dem in der nichtöffentlichen Sitzung vom 11. Oktober 2006 ergangenen Erkenntnis, G124/06, V44/06, hat der Verfassungsgerichtshof u.a. ausgesprochen, dass die Wortfolge '171 Abs1' in §177 Abs1 BVergG verfassungswidrig war.

Da der Verfassungsgerichtshof nichts anderes ausgesprochen hat, ist diese Wortfolge gemäß §140 Abs7 B-VG auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiter anzuwenden.

5. Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2006, G198/06 u.a. Zahlen, hat der Verfassungsgerichtshof den im gegenständlichen Verfahren gestellten Gesetzesprüfungsantrag vom 15. September 2006, Zl. A2006/0022, mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser Antrag erst am 9. Oktober 2006 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt sei und eine Einbeziehung in das Verfahren G124/06, V44/06, nicht mehr möglich gewesen sei.

Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlassfall im engeren Sinn jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der mündlichen Verhandlung (bei deren Unterbleiben zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) im Gesetzesprüfungsverfahren bereits anhängig waren (vgl. etwa die bei Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht8, Rz 1170, zitierte Judikatur).

Da der im gegenständlichen Verfahren gestellte Gesetzesprüfungsantrag vom 15. September 2006 am 9. Oktober 2006 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt ist und die nichtöffentliche Beratung dieses Gerichtshofes über das zu den Zlen. G124/06, V44/06, ergangene Erkenntnis erst am 11. Oktober 2006 begonnen wurde, ist der gegenständliche Fall im Sinn der dargestellten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die Wortfolge '171 Abs1' in §177 Abs1 BVergG ist daher vorliegend nicht anzuwenden.

6. Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß §177 Abs5 BVergG zum Ersatz der von der mitbeteiligten Partei gemäß §177 Absl leg. cit. für die Anträge gemäß §171 Abs1 leg. cit. entrichteten Pauschalgebühren.

Da die Wortfolge '171 Abs1' in §177 Abs1 BVergG - wie oben dargestellt - im vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist, handelt es sich bei den für die Anträge auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen gemäß §171 Abs1 BVergG entrichteten Pauschalgebühren um keine gemäß §177 Abs5 leg. cit. vom Auftraggeber zu ersetzenden 'gemäß Abs1 oder Abs3 entrichteten Gebühren'.

7. Der auf der Auffassung, dass der Beschwerdeführer gemäß §177 Abs5 BVergG verpflichtet sei, die für die Anträge der mitbeteiligten Partei auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen entrichteten Pauschalgebühren zu ersetzen, beruhende Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war gemäß §42 Abs2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

4. Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 forderte der Vertreter der Klägerin den Bund zu Handen der Finanzprokuratur zur Zahlung des Betrags von € 5.000,-- auf, wobei er die Ansicht vertrat, dass nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11.10.2006, G124/06, V44/06, VfSlg. 17.970/2006, klargestellt sei, dass "aufgrund der Anlassfallwirkung - Pauschalgebühren für Anträge auf einstweilige

Verfügungen ... nicht zu entrichten gewesen wären...". Der Bund kam

dieser Aufforderung nicht nach.

II. 1. Die Klage wurde nur von der T. GmbH. eingebracht, die jedoch eine Vollmacht vorlegte, nach der die T. GmbH bevollmächtigt ist, auch namens des anderen Mitglieds der Bietergemeinschaft die Klage einzubringen und den eingeklagten Betrag samt Zinsen einzuziehen.

Die Zulässigkeit der Klage begründet die klagende Partei damit, dass der Rückforderungsanspruch zwar ein Bereicherungsanspruch sei, der jedoch auf einem öffentlich rechtlichen Titel beruhe, sodass er nicht vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden könne.

Für den Rückforderungsanspruch stehe auch kein Verwaltungsverfahren zur Verfügung. Die Anwendung des §241 BAO scheide schon deshalb aus, weil zur Einhebung der gegenständlichen Pauschalgebühren keine Abgabenbehörde des Bundes sondern das BVA zuständig gewesen sei. Auch dem BVergG 2002 sei keine Bestimmung zu entnehmen, die die sinngemäße Anwendung des §241 BAO normiere. Es handle sich bei den Pauschalgebühren auch um keine Gebühren im Sinne des Gebührengesetzes, sodass auch die Anwendung des §3 Abs2 GebG ausscheide.

In der Sache führt die klagende Partei aus, dass der Rechtstitel für die Bezahlung der Pauschalgebühr auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 17.970/2006, mit dem er festgestellt habe, dass die Wortfolge "§171 Abs1 in §177 Abs1 BVergG 2002" verfassungswidrig war, weggefallen sei. Auf Grund der Anlassfallwirkung stehe fest, dass keine Pauschalgebühr zu entrichten gewesen sei, sodass der Bund ungerechtfertigt bereichert sei.

2. Der Bund erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Klage.

3. In ihrer Replik wendet sich die klagende Partei gegen die Rechtsansicht des Bundes.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Klage erwogen:

1. Zunächst ist klarzustellen, dass der Bund bei den oben erwähnten Vorgängen in zwei unterschiedlichen Funktionen auftrat. Er war öffentlicher Auftraggeber, sodass ein allfälliger Ersatzanspruch nach §177 Abs5 BVergG 2002 zu beurteilen war. Diese Bestimmung lautet:

"Der vor dem Bundesvergabeamt wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz seiner gemäß Abs1 oder 3 entrichteten Gebühren durch den Antragsgegner."

Über einen solchen Ersatzanspruch hat das Bundesvergabeamt im Spruchpunkt II des oben genannten Bescheides vom 25. Mai 2005 abgesprochen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Spruchpunkt jedoch mit Erkenntnis vom 27. Juni 2007 aufgehoben.

Weiters ist der Bund der Empfänger der von der klagenden Partei entrichteten Pauschalgebühr. Wie sich aus der Klage ergibt, begehrt die klagende Partei die Rückforderung der Gebühr, weil nach ihrer Meinung der Rechtstitel für die Bezahlung der Pauschalgebühr weggefallen und der Bund in seiner Eigenschaft als Gläubiger der Gebühr daher unrechtmäßig bereichert sei. Nur mit diesem Anspruch hat sich daher der Verfassungsgerichtshof zu befassen.

2. Gemäß Art137 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche zu erkennen, die gegen den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden oder Gemeindeverbände erhoben werden, sofern sie weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Es handelt sich um eine subsidiäre Zuständigkeit, die nur dann gegeben ist, wenn über den umstrittenen vermögensrechtlichen Anspruch weder ein Gericht noch eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat. Die Klage ist nur möglich, wenn nicht bereits ein rechtskräftiger Abspruch über den vermögensrechtlichen Anspruch vorliegt.

Die klagende Partei macht einen vermögensrechtlichen Anspruch geltend, nämlich die Rückforderung einer Gebühr wegen Wegfalls des öffentlich rechtlichen Rechtstitels, auf Grund dessen sie die Gebühr entrichtet hat. Ein derartiger Bereicherungsanspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen (vgl. VfSlg. 17.433/2005, 15.175/1998 ua.).

Er kann jedoch im Verwaltungswege geltend gemacht werden:

§177 Abs4 BVergG 2002 sieht vor, dass die Pauschalgebühr ohne gesonderte bescheidmäßige Vorschreibung zu entrichten ist. Wird die Gebühr nicht entrichtet, so hat das BVA durch Verbesserungsauftrag zunächst den Antragsteller aufzufordern, die Gebühr zu entrichten (§166 Abs2 Z5 und §162 Abs2 BVergG 2002). Unterbleibt die Gebührenentrichtung weiterhin, so schreibt das BVA dem Antragsteller die Gebühr mit Bescheid vor (vgl. auch VfGH 26.9.2003, B1494/03). Eine ausdrückliche Regelung über die bescheidmäßige Vorschreibung enthält das Gesetz nicht, doch ergibt sich die Zuständigkeit des BVA zur Bescheiderlassung schlüssig aus den obgenannten Bestimmungen. Zum gleichen Ergebnis kommt auch die subsidiäre Anwendung des §78 AVG.

Ebenso wenig enthält das BVergG 2002 eine Bestimmung, die ausdrücklich die Bescheiderlassung vorsieht, wenn die Entrichtung irrtümlich erfolgte oder der Rechtstitel nachträglich weggefallen ist (vgl. Reisner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2002, Rz 14 zu §177 BVergG 2002). Dennoch ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass jene Behörde, die die Entrichtung zu kontrollieren und demnach zu viel oder zu Unrecht entrichtete Gebühren nach den Grundsätzen der Bereicherung zurückzuzahlen hat, im Streitfall über Antrag einen bekämpfbaren Bescheid zu erlassen hat.

Da über den Rückzahlungsanspruch somit im Verwaltungswege abzusprechen ist, ist eine Klage nach Art137 B-VG, mit der die Rückzahlung begehrt wird, unzulässig.

IV. Das Klagebegehren war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 VfGG iVm §35 VfGG.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Vergabewesen, Gebühr, VfGH / Klagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:A5.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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