TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/11 90/14/0001

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Veröffentlicht am 11.05.1993
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Index

20/08 Urheberrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1972 §38 Abs4;
UrhG §14 Abs1;
UrhG §14;
UrhG §15;
UrhG §16;
UrhG §17;
UrhG §24 Abs1;
UrhG §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 31. Oktober 1989, 8/11/7-BK/Ma-1989, betreffend ua Einkommensteuer für die Jahre 1984 und 1985 der mitbeteiligten Partei Dkfm. H in R, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang wegen

Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Wirtschaftstreuhänder, begann im Jahr 1981 EDV-Programme für seine Kanzlei zu erstellen. Dabei handelte es sich zunächst um ein Programm für Anlagenabschreibung und ein solches für Lohnverrechnung. In den folgenden Jahren kamen Programme für Finanzbuchhaltung, für Einnahmen-Ausgabenrechnung, für Wirtschaftstreuhänder-Kanzleiverwaltung sowie für Bilanzierung und Bilanzanalyse hinzu. Auf Einladung der O GmbH führte der Mitbeteiligte diese Programme auf der IFABO 1983 vor. Da die Programme auf das Interesse anderer Wirtschaftstreuhänder stießen, schloß der Mitbeteiligte am 6. Mai 1983 eine "Software-Vertriebsvereinbarung für Standardprogramme" mit der O GmbH ab. Darin wurde die O GmbH berechtigt, die vom Mitbeteiligten zunächst für seine Kanzlei entwickelten EDV-Programme zu vertreiben. Die O GmbH nahm das vom Mitbeteiligten entwickelte Programmpaket in ihre Preislisten auf und informierte ihre Vertragspartner (Händler). Eingehende Bestellungen wurden an den Mitbeteiligten weitergeleitet, der die erforderlichen Datenträger an die O GmbH lieferte. Der Verkaufspreis der Programme betrug zwischen 20.000 S und 50.000 S. Je nach Anzahl der Installationen und dem Verkaufsgebiet erhielt der Mitbeteiligte davon 40 %, 50 % bzw 70 %. Der Mitbeteiligte behielt sich alle Rechte an den Programmen und den dazugehörigen Bedienungsanleitungen vor. Die O GmbH verpflichtete sich, bei Auslieferung der vom Mitbeteiligten beigestellten Datenträger den Kunden die Quellenprogramme und die dazugehörigen Programmdokumentationen NICHT ZUGÄNGLICH zu machen. Die Kunden erhielten lediglich ein Nutzungsrecht an den Programmen, das überdies auf einen bestimmten Kanzleistandort beschränkt war. Der Mitbeteiligte behielt sich weiters das Recht vor, das vertragsgegenständliche Programmpaket auch weiterhin selbständig an Einzelkunden zu vertreiben. Auf den Direktvertrieb durch den Mitbeteiligten entfiel im Jahr 1984 ein Anteil von 10,24 % und im Jahr 1985 ein Anteil von 27,6 %.

Einen Vertrag mit sinngemäß gleichem Inhalt schloß der Mitbeteiligte am 3. Oktober 1985 auch mit seiner Ehegattin ab, die danach als "Generalvertreter" ebenfalls den Vertrieb der EDV-Programme des Mitbeteiligten übernahm.

Mit jedem Kunden - egal ob dieser das Nutzungsrecht an den EDV-Programmen direkt vom Mitbeteiligten oder über einen Händler erworben hatte - schloß der Mitbeteiligte überdies eine Wartungsvereinbarung, die ua die Anpassung der Programme an gesetzliche Änderungen, die Erteilung von telefonischen Auskünften und die Ergänzung der Handbücher umfaßte. Für diese Wartungsarbeiten hatte jeder Kunde jährlich 10 % des jeweils gültigen Programmpreises zu bezahlen.

Für die Einkünfte aus der Erstellung der EDV-Programme bzw ihrer Nutzungsüberlassung an andere Wirtschaftstreuhänder beantragte der Mitbeteiligte in den Streitjahren die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 37 Abs 1 in Verbindung mit § 38 Abs 4 EStG 1972.

Anläßlich einer auch die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, die genannten Einkünfte seien keine Nebeneinkünfte im Sinn des § 38 Abs 4 leg cit, weshalb der ermäßigte Steuersatz auf diese Einkünfte nicht anzuwenden sei.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers im gemäß § 151 Abs 3 BAO erstatteten Bericht und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1984 und 1985, wobei es zur Begründung auf den Bericht verwies.

In der Berufung gegen diese Bescheide schränkte der Mitbeteiligte seinen Antrag auf Zuerkennung des ermäßigten Steuersatzes betragsmäßig ein. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung der EDV-Programme zog der Mitbeteiligte als Betriebsausgaben nicht nur - wie in den ursprünglichen Erklärungen - die auf diese Einnahmen entfallende Umsatzsteuer, sondern auch Aufwendungen für Löhne, für Fremdprogrammierung, für Reisen und für Werbung ab. Nach dieser Berechnung waren die Einkünfte, für die der begünstigte Steuersatz geltend gemacht wurde, niedriger als die übrigen Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Mitbeteiligten und stellten somit Nebeneinkünfte im Sinn des § 38 Abs 4 EStG 1972 dar.

In einer Stellungnahme zu den Ausführungen in der Berufung vertrat der Prüfer die Ansicht, die nunmehrige Ermittlung der Nebeneinkünfte stehe im Widerspruch zu deren Ermittlung in den Einkommensteuererklärungen. Die Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung seien in der Berufung offensichtlich ziffernmäßig so gestaltet worden, daß die Voraussetzungen des § 37 Abs 1 in Verbindung § 38 Abs 4 leg cit erfüllt werden. Dem Mitbeteiligten stehe die Begünstigung nach den genannten Bestimmungen aber dennoch nicht zu, weil er keine Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen oder künstlerischen Urheberrechten im Sinn des Urheberrechtsgesetzes erziele.

Auf diese Stellungnahme entgegnete der Mitbeteiligte, die Behauptungen des Prüfers entbehrten jeder Grundlage. Da erst anläßlich der abgabenbehördlichen Prüfung die Höhe der Einkünfte aus der Steuerberatungskanzlei einerseits bzw aus der Erstellung der EDV-Programme anderseits eindeutig zugeordnet worden seien, hätten sich Änderungen gegenüber den ursprünglichen Erklärungen ergeben.

Anläßlich der mündlichen Verhandlung legte der Mitbeteiligte ein nach seinen Angaben von Univ.Prof. Dr. X erstelltes Gutachten vor. Darin wird ua ausgeführt, der Mitbeteiligte habe den Nutzungsberechtigten seiner EDV-Programme KEIN Werknutzungsrecht eingeräumt. Vielmehr verwerte der Mitbeteiligte seine Urheberrechte durch den Vertrieb der EDV-Programme selbst. Die daraus erzielten Einkünfte seien grundsätzlich begünstigt. Dies gelte im Fall des Direktvertriebes jedoch nicht für die gesamten Einkünfte. Dabei müßte - analog zum Vertrieb eines Werkes im Selbstverlag - der Teil, der dem "Verlegergewinn" entspreche, aus den Gesamteinnahmen herausgeschält werden. Nur der verbleibende Teil, der dem "Autorengewinn" entspreche, unterliege der Begünstigung. Soweit der Vertrieb der EDV-Programme über Zwischenhändler erfolge, bestehe kein Grund, aus den erzielten Einkünften einen Teil herauszurechnen. Den Einkünften aus der Einschulung und Wartung komme hingegen der Charakter von Verwertungseinkünften im Sinn des § 38 Abs 4 leg cit nicht zu.

In der mündlichen Verhandlung schränkte der Mitbeteiligte sein Berufungsbegehren insoweit ein, als er die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die aus dem Direktvertrieb der EDV-Programme erzielten Einkünfte nicht mehr beantragte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung im eingeschränkten Umfang statt, wobei sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens zur Begründung ausführte, der Mitbeteiligte habe sein unbestrittenermaßen bestehendes Urheberrecht dadurch verwertet, daß er Kopien der von ihm erstellten Programme auf Disketten hergestellt und diese - direkt oder über Händler - vertrieben habe. Die Einkünfte, die der Mitbeteiligte aus dem Vertrieb der EDV-Programme über Händler erzielt habe, seien zur Gänze mit dem ermäßigten Steuersatz des § 37 Abs 1 in Verbindung mit § 38 Abs 4 leg cit zu versteuern.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde des Präsidenten, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Mitbeteiligte beantragt in seiner Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs 4 EStG 1972 ist § 37 Abs 1 leg cit auch auf Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen oder künstlerischen Urheberrechten anzuwenden, sofern diese Einkünfte als Nebeneinkünfte erzielt werden.

Nach dem hg Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 1. Oktober 1985, 84/14/0006, Slg Nr 6034/F, ist unter der in § 38 Abs 4 leg cit genannten "Verwertung" von Urheberrechten nur eine solche im Sinn des Urheberrechtsgesetzes zu verstehen. Das bedeutet, daß § 38 Abs 4 leg cit sowohl zum Zug kommen kann, wenn der Urheber das Urheberrecht selbst im Sinn der §§ 14 ff UrhG verwertet, als auch dann, wenn die Verwertung durch einen anderen stattfindet, weil der Urheber diesem eine Verwertung im Sinn der §§ 14 bis 18 UrhG wie in § 24 Abs 1 UrhG ausdrücklich vorgesehen gestattet oder einräumt (Werknutzungsbewilligung, Werknutzungsrecht).

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, daß die zur Nutzung überlassenen EDV-Programme urheberrechtlichen Schutz genießen. Unbestritten ist weiters, daß der Mitbeteiligte keinem anderen eine Verwertung im Sinne der §§ 14 bis 18 UrhG gestattet oder eingeräumt hat. Während die belangte Behörde die Ansicht vertreten hat, der Mitbeteiligte habe sein Urheberrecht durch den Vertrieb der EDV-Programme - direkt bzw über Händler - selbst verwertet, meint der beschwerdeführende Präsident, da die Nutzungsberechtigten die vom Mitbeteiligten erstellten EDV-Programme nur auf den EDV-Anlagen an ihrem Betriebsstandort nutzen dürften, liege keine Verwertung des Urheberrechtes durch den Mitbeteiligten vor.

Allen in den §§ 14 bis 18 UrhG genannten Verwertungstatbeständen ist gemeinsam, daß das Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Ausführungen des Mitbeteiligten, ein Werk könne der Öffentlichkeit auch durch Anbieten an einen unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden, sind zwar zutreffend; dieser Fall liegt hier - entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten - jedoch nicht vor.

In der "Software-Vertriebsvereinbarung" vom 6. Mai 1983 verpflichtete sich die O GmbH, dem jeweiligen Kunden die Quellenprogramme und die dazugehörigen Programmdokumentationen NICHT ZUGÄNGLICH zu machen. Die zwischen dem Mitbeteiligten und seiner Ehegattin abgeschlossene Vereinbarung vom 3. Oktober 1985 enthält die Verpflichtung der Ehegattin zur EINHALTUNG der VERSCHWIEGENHEIT über alle im Zusammenhang mit dem Vertrag bekanntgewordenen Programme bzw Verfahrensweisen während der Vertragsdauer und nach Beendigung des Vertrages.

Aus diesen Vereinbarungen wird - ebenso wie in dem dem hg Erkenntnis vom 18. September 1991, 88/13/0206, zugrundeliegenden Fall - deutlich, daß die vom Mitbeteiligten erstellten EDV-Programme zwei Komponenten aufweisen:

a) Die bei der Erstellung der EDV-Programme erbrachte geistig schöpferische Leistung, die geheimgehalten werden soll, um den wirtschaftlichen Erfolg der Verwertung der EDV-Programme nicht zu gefährden. Diese Komponente unterliegt zwar dem Urheberrechtsschutz, wurde im vorliegenden Fall aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

b) Die dem jeweiligen Nutzungsberechtigten bekannt gegebene Möglichkeit der Verwendung der EDV-Programme. Diese Komponente, die den wirtschaftlichen Erfolg begründet, wurde zwar veröffentlicht, ist aber nicht ident mit dem geheimgehaltenen geistigen Produkt, das Voraussetzung dafür ist, eine bestimmte Aufgabenstellung mit Hilfe eines Computers zu lösen.

Vermarktet wurde somit lediglich ein Produkt, ohne daß die geistig schöpferische Leistung, die die Produktion erst ermöglichte, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Die aus dieser Vermarktung erzielten Einkünfte stellen daher keine Einkünfte aus der Verwertung selbstgeschaffener Urheberrechte im Sinn des § 38 Abs 4 EStG 1972 dar. Die vom Mitbeteiligten aus dem Vertrieb der EDV-Programme über Händler erzielten Einkünfte wurden somit zu Unrecht mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990140001.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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