TE Vfgh Erkenntnis 1990/12/6 G223/88, G235/88, G33/90, G63/90, G144/90

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Veröffentlicht am 06.12.1990
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BetriebspensionsG
GleichbehandlungsG
ASVG §236
ASVG §253b

Leitsatz

Aufhebung von Regelungen über das unterschiedliche Pensionsalter von Mann und Frau wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz; kein adäquater Ausgleich für die Doppelbelastung sowie für eine allfällige erhöhte körperliche Beanspruchung der Frau; keine Rechtfertigung durch biologische Gründe; jedoch Zulässigkeit differenzierter Pensionsregelungen als Ausgleich für eine erhöhte physische oder psychische Belastung bestimmter Personengruppen; besondere Bedeutung des Vertrauensschutzes im Pensionsrecht; keine sofortige Gleichsetzung des Pensionsalters von Frau und Mann

Spruch

Die Wortfolge "bei männlichen, vor Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs1 Z1 lita und die Wortfolge "bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs1 Z1 litb sowie die Wortfolge "bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs2 Z1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. Nr. 484/1984, und schließlich die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im §253b Abs1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. Nr. 609/1987, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 1991 in Kraft.

Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Oberste Gerichtshof beantragte am 11. Oktober 1988 gemäß Art140 Abs1 B-VG, die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im §253b Abs1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben und führte dazu aus:

Mit Bescheid vom 14. April 1987 habe die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach §270 iVm §253b ASVG abgewiesen, weil der Antragsteller das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Die dagegen erhobene Klage sei abgewiesen worden, weil der Kläger das in §253b ASVG bestimmte Anfallsalter noch nicht erreicht habe. Auch das Oberlandesgericht Wien habe im Hinblick auf die genannte Gesetzesstelle der Berufung keine Folge gegeben; das Berufungsgericht habe jedoch die ergänzende Feststellung getroffen, daß nach dem Pensionsakt 24 Beitragsmonate zur Pflichtversicherung innerhalb der letzten 36 Kalendermonate nachgewiesen seien, womit - abgesehen vom Anfallsalter - den Anspruchsvoraussetzungen des §253b Abs1 lita bis d ASVG entsprochen sei. In der dagegen erhobenen Revision sei vom Kläger die Verfassungswidrigkeit der eingangs erwähnten Wortfolge des §253b Abs1 ASVG geltend gemacht worden.

Der Oberste Gerichtshof hegt gegen die im anzuwendenden §253b ASVG enthaltene unterschiedliche Altersregelung für männliche und weibliche Versicherte verfassungsrechtliche Bedenken.

Das Verfahren über diesen Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu G223/88 protokolliert.

1.2. Des weiteren stellte das Oberlandesgericht Wien am 12. Jänner 1990 gemäß Art140 Abs1 B-VG ebenfalls den Antrag, die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im §253b Abs1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben und führte aus:

Mit Bescheid vom 28. April 1989 habe die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente bei langer Versicherungsdauer mangels Vollendung des 60. Lebensjahres des am 1. April 1934 geborenen Antragstellers abgewiesen. In der nachfolgenden Klage sei ausschließlich die Verfassungswidrigkeit des §253b Abs1 ASVG wegen ungleicher Behandlung männlicher und weiblicher Versicherter geltend gemacht worden. Das Erstgericht habe das Klagebegehren abgewiesen. Gegen dieses Urteil richte sich die an das antragstellende Gericht erhobene Berufung, soweit das Pensionsbegehren ab 1. Mai 1989 abgewiesen worden sei.

Das Oberlandesgericht Wien hegt gegen die im anzuwendenden §253b ASVG enthaltene unterschiedliche Altersregelung für männliche und weibliche Versicherte verfassungsrechtliche Bedenken.

Das Verfahren über diesen Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu G33/90 protokolliert.

1.3. Der Oberste Gerichtshof stellte weiters am 22. November 1988 gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag, die Wortfolge "bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs1 Z1 litb ASVG und die Wortfolge "bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs2 Z1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben und bringt vor:

Mit Bescheid vom 24. September 1987 habe die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension nach §271 ASVG unter Berufung auf §235 Abs1 leg.cit. abgewiesen, weil die für die Erfüllung der Wartezeit (§236 ASVG iVm ArtIV Abs4 der 40. ASVG-Novelle) erforderliche Mindestanzahl an Versicherungsmonaten nicht vorgelegen sei. In der dagegen erhobenen Klage habe die Klägerin die Verfassungswidrigkeit des die Mindestzahl der zur Erfüllung der Wartezeit erforderlichen Versicherungsmonate anordnenden §236 Abs1 Z1 ASVG behauptet. Gegen das die Klage abweisende Urteil habe die Klägerin Berufung erhoben und angeregt, das Berufungsgericht möge einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen. Gegen das das erstgerichtliche Urteil bestätigende Urteil des Oberlandesgerichtes richte sich die an den Obersten Gerichtshof erhobene Revision der Klägerin, in der die verfassungsrechtlichen Bedenken wiederholt werden. Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofes hege gegen den im vorliegenden Fall unter Bedachtnahme auf ArtIV Abs12 und 13 der 40. ASVG-Novelle anzuwendenden §236 Abs1 Z1 litb und Abs2 Z1 zweiter Halbsatz ASVG insoweit Bedenken, als die Erhöhung der Wartezeit und die Verlängerung der Rahmenfrist bei männlichen Versicherten erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres, bei weiblichen Versicherten hingegen schon bei Vollendung des 50. Lebensjahres beginnt. Diese Verschiedenheit sei eine direkte Folge des unterschiedlichen Anfallsalters der normalen Alterspension, auf die der Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahres, die Versicherte schon nach Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch habe (§253 Abs1 ASVG). Der Oberste Gerichtshof sehe sich daher veranlaßt, gegen die in seinem Antrag erwähnten Gesetzesstellen nach Art89 Abs2 B-VG den Antrag auf Aufhebung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, auch wenn sich die Unsachlichkeit auf den Anlaßfall nicht auswirke.

Dieses Gesetzesprüfungsverfahren ist beim Verfassungsgerichtshof zu G235/88 protokolliert.

1.4. Der Oberste Gerichtshof stellte am 13. März 1990 gemäß Art140 Abs1 B-VG den weiteren Antrag, die Wortfolge "bei männlichen, vor Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs1 Z1 lita ASVG und die Wortfolge "bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs1 Z1 litb ASVG sowie die Wortfolge "bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs2 Z1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Bescheid vom 22. April 1988 habe die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter einen Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension abgewiesen, weil die am 13. Oktober 1935 geborene Antragstellerin die für die Erfüllung der Wartezeit zum 1. Jänner 1987 erforderliche Mindestzahl der Versicherungsmonate nicht nachweisen habe können. Die hierauf erhobene Klage wurde abgewiesen, weil selbst bei Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Zeiten zu keinem Stichtag eine ausreichende Zahl von Versicherungsmonaten vorläge. Auch die gegen dieses Urteil erhobene Berufung sei abgewiesen worden. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richte sich die an den antragstellenden Obersten Gerichtshof erhobene Revision. Der Oberste Gerichtshof hege gegen die angefochtenen Wortfolgen des §236 ASVG verfassungsrechtliche Bedenken, zumal der erkennende Senat bereits mit Beschluß vom 11. Oktober 1988 die Aufhebung der Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im §253b Abs1 ASVG wegen unterschiedlicher Regelung der Alterspension für männliche und weibliche Versicherte beantragt habe. Ob sich dies im Anlaßfall auswirke, brauche nicht näher erörtert zu werden, weil es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht darauf ankomme, ob sich die Unsachlichkeit einer Regelung auf den Anlaßfall auswirke (vgl. VfSlg. 3585/1959, 8806/1980, 9336/1982 und 9755/1983).

Das Verfahren über diesen Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu G63/90 protokolliert.

1.5. Der Oberste Gerichtshof stellte schließlich am 12. Juli 1990 gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag, die Wortfolge "bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs1 Z1 litb ASVG sowie die Wortfolge "bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im §236 Abs2 Z1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Bescheid vom 31. August 1988 habe die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgewiesen, weil die für die Erfüllung der Wartezeit zu dem (nach Vollendung des 50., aber auch des 55. Lebensjahres liegenden) Stichtag 1. April 1987 erforderliche Mindestzahl an Versicherungsmonaten nicht vorliege. Die hierauf erhobene Klage wurde abgewiesen. Auch der Berufung wurde keine Folge gegeben. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richte sich die an den Obersten Gerichtshof erhobene Revision, über die jedoch nicht entschieden werden könne, weil der antragstellende Senat gegen die angefochtenen Gesetzesstellen aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken hege.

Das Verfahren über diesen Antrag ist beim Verfassungsgerichshof zu G144/90 protokolliert.

2. Die Bundesregierung hat Äußerungen erstattet, in denen sie jeweils den Antrag stellt, die angegriffenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Kläger im Anlaßverfahren zu G223/88 hat als Beteiligter ebenfalls eine Äußerung erstattet, mit der er den Antrag des Obersten Gerichtshofes "unterstützt".

3. Durch das ASVG wird unter anderem Vorsorge für Versicherungsfälle des Alters getroffen, und zwar für eine allgemeine Alterspension (§§253, 270), für eine vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit (§§253a, 270) und für eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§§253b, 270); Anfallsalter ist für die allgemeine Alterspension bei Männern das vollendete 65., bei Frauen das vollendete 60. Lebensjahr, für die beiden vorzeitigen Alterspensionen bei Männern das vollendete 60. Lebensjahr und bei Frauen das vollendete 55. Lebensjahr.

Vorsorge trifft das ASVG weiters für den Versicherungsfall einer geminderten Arbeitsfähigkeit.

Die Leistungen der Pensionsversicherung sind mit Ausnahme der Abfindung nach §269 Abs1 Z1 ASVG (auch) an die Leistungsvoraussetzung der Erfüllung einer bestimmten Wartezeit (Mindestzahl von Versicherungszeiten) geknüpft. Für die Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit genügen gemäß §236 Abs1 Z1 lita ASVG bei einem Stichtag vor der Vollendung des 55. (bei männlichen Versicherten) bzw. 50. Lebensjahres (bei weiblichen Versicherten) 60 Versicherungsmonate (kurze Wartezeit), die innerhalb der letzten 120 Kalendermonate liegen müssen. Bei einem späteren Stichtag erhöht sich nach §236 Abs1 Z1 litb ASVG die kurze Wartezeit für jeden weiteren Lebensmonat um einen Versicherungsmonat bis zum Höchstausmaß von 180 Monaten, wobei sich nach §236 Abs1 Z1 ASVG die Rahmenfrist von 120 Kalendermonaten für jeden weiteren Lebensmonat um zwei Kalendermonate bis zum höchsten Ausmaß von 360 Kalendermonaten vor dem Stichtag erhöht. Die unterschiedliche Regelung für männliche und weibliche Versicherte zielt auf die Unterschiedlichkeit des Anfallsalters bei einer normalen Alterspension ab.

Die §§236 Abs1 und 2 und 253b Abs1 ASVG in den hier maßgeblichen Fassungen - die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben - haben folgenden Wortlaut:

§236 Abs1 und 2 ASVG idF der 40. Novelle, BGBl. Nr. 484/1984:

"§236 (1) Die Wartezeit ist erfüllt, wenn am Stichtag (§223 Abs2) Versicherungsmonate im Sinne des §235 Abs2 in folgender Mindestzahl vorliegen:

1. für eine Leistung aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit sowie aus dem Versicherungsfall des Todes

a) wenn der Stichtag vor Vollendung des 55. Lebensjahres bei männlichen, vor Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten liegt, 60 Monate;

b) wenn der Stichtag nach Vollendung des 55. Lebensjahres bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten liegt, erhöht sich die Wartezeit nach lita je nach dem Lebensalter des (der) Versicherten für jeden weiteren Lebensmonat um jeweils ein Monat bis zum Höchstausmaß von 180 Monaten;

2. für eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters, und zwar

a) für die Alterspension (Knappschaftsalterspension), die vorzeitige Alterspension (Knappschaftsalterspension) bei Arbeitslosigkeit und die vorzeitige Alterspension (Knappschaftsalterspension) bei langer Versicherungsdauer - unbeschadet §276 Abs3 - 180 Monate;

b) für den Knappschaftssold 240 Monate.

(2) Die gemäß Abs1 Z1 und 2 für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Mindestzahl von Versicherungsmonaten muß

1. im Falle des Abs1 Z1 innerhalb der letzten

120 Kalendermonate vor dem Stichtag liegen; dieser Zeitraum verlängert sich, wenn der Stichtag nach Vollendung des 55. Lebensjahres bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten liegt, je nach dem Lebensalter des (der) Versicherten für jeden weiteren Lebensmonat um jeweils zwei Kalendermonate bis zum Höchstausmaß von 360 Kalendermonaten;

2. im Falle des Abs1 Z2 innerhalb der letzten

360 Kalendermonate vor dem Stichtag liegen."

§253b Abs1 ASVG idF der 44. Novelle, BGBl. Nr. 609/1987:

"§253b (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn

a) die Wartezeit (§236) erfüllt ist,

b) am Stichtag 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben sind,

c) innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag 24 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachgewiesen sind oder die letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z5 bzw. Z6 sind und

d) der (die) Versicherte am Stichtag (§223 Abs2) weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig ist; eine Erwerbstätigkeit auf Grund derer ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das das nach §5 Abs2 litc jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt, bleibt hiebei unberücksichtigt. Als Erwerbseinkommen auf Grund einer Erwerbstätigkeit gelten auch die im §23 Abs2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge.

Fallen in den Zeitraum der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag gemäß litc Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z5 bzw. Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z6, so verlängert sich der Zeitraum um diese Zeiten bis zum Höchstausmaß von

42 Kalendermonaten."

4. Die Anträge sind wie folgt begründet:

4.1. Durch die angefochtenen Gesetzesstellen würden für männliche und weibliche Versicherte ein unterschiedliches Anfallsalter, unterschiedliche Wartezeiten und unterschiedliche Rahmenfristen für Pensionsansprüche festgelegt bzw. würde von solchen ausgegangen. Gegen diese unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen hegt der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluß vom 11. Oktober 1988 Z10 Ob S 71/88 (hg. G223/88), folgende Bedenken:

"Ein unterschiedliches Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen wurde in Österreich zum ersten Mal durch die Kaiserliche Verordnung vom 25.6.1914 RGBl 138 betreffend die Pensionsversicherung von Angestellten, mit der das Gesetz vom 16.12.1906 RGBl 1907/1 betreffend die Pensionsversicherung der in privaten Diensten und einiger in öffentlichen Diensten Angestellten novelliert wurde, eingeführt. Nach dem auf §31 Abs1 des als 'Angestelltenversicherungsgesetz 1928' wiederverlautbarten Angestelltenversicherungsgesetz vom 29.12.1926 BGBl 388 zurückgehenden §257 Abs1 GSVG 1938 hatten in der Angestelltenversicherung Anspruch auf die Altersrente im Ausmaß der Invalidenrente ohne Nachweis der Berufsunfähigkeit 1. unmittelbar Versicherte männlichen Geschlechtes, die das 65., solche weiblichen Geschlechtes, die das 60.Lebensjahr vollendet hatten, wenn sie in keinem angestelltenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis standen; 2. unmittelbar Versicherte männlichen Geschlechtes, die das 60., solche weiblichen Geschlechtes, die das 55.Lebensjahr vollendet hatten, mindestens 180 anrechenbare Beitragsmonate aufwiesen und in keinem angestelltenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis standen.

In der deutschen Sozialversicherung war als Altersgrenze für Männer und Frauen seit 1.1.1900 das 70.Lebensjahr, seit 1.1.1913 in der Angestelltenversicherung und seit 1.1.1916 auch in der Invalidenversicherung das 65.Lebensjahr festgesetzt. Diese Rechtslage galt seit 1.1.1939 aufgrund der Verordnung vom 22.12.1938 dRGBl I 1912 (GBlÖ 1938/703) über die Einführung der Sozialversicherung im Lande Österreich auch in Österreich.

Anläßlich der Budgetberatung 1946 verlangte ein Abgeordneter die Herabsetzung der Altersgrenze für weibliche Versicherte und Witwen in der gesamten Rentenversicherung von 65 auf 60 Jahre. Bald darauf befaßten sich drei weitere Anträge mit dieser Forderung, wobei der gemeinsame Antrag der Abgeordneten Grubhofer, Krisch und Elser lautete:

'Aus staatsfinanziellen Gründen ist die Herabsetzung des Rentenbezugsalters auf die ursprüngliche Grenze, wie sie in den österreichischen Sozialversicherungsgesetzen festgelegt war (55 Jahre bei Frauen, 60 Jahre bei Männern), zur Zeit nicht tragbar. Um aber doch für die Frauen eine Erleichterung zu verschaffen, wird der Sozialminister aufgefordert, wenigstens vorläufig das für den Bezug aller Altersrenten festgesetzte Alter von 65 Jahren bei allen weiblichen Versicherten auf das vollendete Alter von 60 Jahren herabzusetzen' (568 BlgNR 5.GP).

Dieser Aufforderung wurde erst mit dem am 1.7.1948 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 21.4.1948 BGBl 80 über die Herabsetzung der Altersgrenze für weibliche Versicherte und Witwen in der gesetzlichen Rentenversicherung Rechnung getragen. Nach dessen §1 erhielten weibliche Versicherte, wenn die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten war, die Altersinvalidenrente, das Altersruhegeld oder die Alters-Knappschaftsvollrente nach Vollendung des 60.Lebensjahres. Diese Renten gebührten nach §4 leg cit jedoch vor der Vollendung des 65.Lebensjahres nur, wenn die Anspruchsberechtigte weder in einer an sich rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung stand noch einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachging. Sie fielen mit dem Ablauf des Monates weg, in dem nachträglich die Berechtigte in eine an sich rentenversicherungspflichtige Beschäftigung eintrat oder eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnahm.

In der Regierungsvorlage zu diesem Bundesgesetz (555 BlgNR 5. GP) wurde ua ausgeführt:

'Die 1939 eingeführten und vorläufig noch gültigen reichsrechtlichen Versicherungsvorschriften anerkennen einen Rentenanspruch wegen Alters durchwegs erst vom vollendeten 65. Lebensjahr an. Es ist das Bestreben der österreichischen Verwaltung und der begreifliche Wunsch der Versicherten, wieder zu den günstigeren österreichischen Altersgrenzen zurückzukehren. Der allgemeinen Herabsetzung der Altersschwelle steht die gegenwärtige unzureichende finanzielle Lage der Sozialversicherung entgegen. Das gegenständliche Gesetz soll aber den Willen beweisen, den durch die deutsche Gesetzgebung verursachten sozialen Rückschritt zu beseitigen und der erste Schritt auf diesem Wege sein.

In Verfolgung dieser Absicht setzt der §1 des Entwurfes für die unmittelbar Versicherten weiblichen Geschlechtes in allen Rentenversicherungszweigen die Altersstufe von 65 auf 60 Jahre herunter. Die gleiche Maßnahme für männliche Versicherte muß einem späteren Zeitpunkt vorbehalten bleiben, in dem die materielle Auswirkung derselben tragbar erscheint. Daß der Beginn mit den Frauen gemacht wird, erklärt sich aus deren körperlicher Beschaffenheit, die eher als bei Männern die allgemeine Annahme rechtfertigt, daß bereits mit 60 Jahren Arbeits(Berufs)unfähigkeit gegeben ist'.

Das unterschiedliche Anfallsalter für männliche und weibliche Versicherte wurde vom ASVG zunächst für die ordentliche Alterspension, durch die 3.ASVGNov BGBl 1957/294 für die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit und durch die 8.ASVGNov BGBl 1960/294 für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer übernommen.

Hingegen wird bei der Invaliditätspension gemäß §255 Abs4 ASVG und der Berufsunfähigkeitspension gemäß §273 Abs3 ASVG kein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Versicherten gemacht und für beide Geschlechter die Vollendung des 55.Lebensjahres gefordert. Dem entsprechen auch die Regelungen des §133 Abs2 GSVG und des §124 Abs2 BSVG.

Ein unterschiedliches Anfallsalter entsprechend den Bestimmungen der §§253, 253a und 253b ASVG enthalten auch die §§130 Abs1, 131 Abs1 und 131a Abs1 GSVG sowie die §§121 Abs1, 122 Abs1 und 122a Abs1 BSVG. Auch §1 Sonderunterstützungsgesetz (SUG) sieht unterschiedliche Altersgrenzen für Männer und Frauen vor.

In anderen Gesetzen wird hingegen in den Anspruchsvoraussetzungen kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht. So gilt gemäß §51 Abs1 NVG (ohne daß dies allerdings bisher praktische Bedeutung erlangt hätte) allgemein für den Anspruch auf Alterspension die Vollendung des 65.Lebensjahres als Voraussetzung, gemäß §50 Rechtsanwaltsordnung für den Anspruch auf Altersversorgung das 68.Lebensjahr und gemäß §65 Abs1 Ärztegesetz (dem allerdings durch die Verordnung vom 23.12.1978 BGBl 662 nur mehr eingeschränkte Bedeutung zukommt) das 65. Lebensjahr.

Vor allem aber wird bei den öffentlich Bediensteten in den Anspruchsvoraussetzungen kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht. Sowohl nach den §§13 und 15 BDG als auch nach den §§87 und 99 RDG ist der Übertritt in den Ruhestand (und damit der Anspruch auf Pension) für Männer und Frauen gleich geregelt.

Gegen die unterschiedliche Regelung des Pensionsalters wurden schon seit langem von einem Teil der Lehre Bedenken erhoben (Fürböck, Familienrecht und Sozialversicherung RdA 1977, 8; Mentasti, Die gegenwärtige und künftige Stellung der Frau in der Pensionsversicherung in Tomandl, Die Frau in der Sozialversicherung 121; Ivansits, Unterschiedliche Pensionsaltersgrenzen für Männer und Frauen - ein Verfassungsproblem? RdA 1987, 467).

Auch der Oberste Gerichtshof hat Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der ungleichen Regelung des Pensionsanfallsalters für Männer und Frauen, insbesonders in der hier anzuwendenden Bestimmung des §253b ASVG.

Nach Art7 Abs1 B-VG sind alle Bundesbürger vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Dieser Grundsatz der Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz ist sowohl objektiver Wertmaßstab als auch verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Recht, das Gesetzgebung und Vollziehung bindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet der Gleichheitsgrundsatz allerdings nicht zu einer absoluten Gleichbehandlung der Geschlechter, so daß Differenzierungen zulässig sind. Während in älteren Erkenntnissen (VfSlg 651/1926, 2979/1956) als Rechtfertigung für eine ausnahmsweise ungleiche Behandlung ausschließlich die 'Natur der Frau' herangezogen wurde, wurden im Erkenntnis Slg 1526/1947 auch 'objektive Merkmale oder die Natur und Eigenart der Geschlechter' genannt. Im Erkenntnis 8871/1980, mit dem jene Bestimmungen der Sozialversicherungsgesetze aufgehoben wurden, die unterschiedliche Bedingungen für den Anspruch auf Witwer- bzw. Witwenpension festlegten, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß nur solche Ungleichheiten (vorübergehend) sachlich sein könnten, die wenigstens in der Richtung eines Abbaues der Unterschiede wirken würden. Ungleichheiten, denen diese Funktion nicht zukomme und die die bestehenden Unterschiede noch vertieften, seien verfassungswidrig. Gesetzliche Bestimmungen würden invalidieren, wenn sich die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse durch Neuregelung anderer Rechtsgebiete oder aufgrund gesellschaftlicher Entwicklung änderten (vgl auch VfSlg 5854/1968, 7330/1974, 7844/1976, 7974/1977, 8212/1977). Dem Gesetzgeber sei nicht verwehrt, von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen und auf den Regelfall abzustellen, und zwar auch dann nicht, wenn es dadurch zu einzelnen Härtefällen oder zu einzelnen unsachlichen Begünstigungen komme (vgl VfSlg 7891/1976, 8457/1978), doch hänge die Zulässigkeit einer ungleichen Auswirkung einer generellen Norm auch vom Ausmaß dieser Ungleichheit ab. Das zulässige Maß an Ungleichheiten sei nach den Schwierigkeiten zu beurteilen, die eine nach den verschiedenen Sachverhalten differenzierende Lösung der Vollziehung bereiten würde und nach dem Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen (vgl auch Berger, Die Gleichheit von Mann und Frau in Österreich EuGRZ 1983, 614).

Der Gesetzgeber hat - wie dargestellt - die unterschiedliche Regelung des Pensionsalters für Männer und Frauen ausschließlich damit begründet, daß die körperliche Beschaffenheit der Frauen eher als bei Männern die Annahme rechtfertige, daß bereits mit 60 Jahren Arbeits(Berufs)unfähigkeit gegeben sei. In der Lehre wurde als weiterer Grund angeführt, daß der Gesetzgeber wahrscheinlich den Umstand berücksichtigt habe, daß Frauen in der Regel in erster Linie mit der Erziehung der Kinder und der Versorgung des Haushalts betraut seien und für sie dadurch im Falle der Berufstätigkeit eine größere Belastung als für die Männer entstehe (Marschall, Gutachten für den 1.Österreichischen Juristentag I/4, 56 f).

Beide Begründungen vermögen nicht voll zu überzeugen.

Gegen eine sich aus der körperlichen Beschaffenheit der Frauen ergebende frühere Arbeitsunfähigkeit spricht vor allem die erheblich höhere durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen gegenüber jener der Männer. Sie betrug im Jahr 1986 für damals geborene Männer 71 Jahre, für Frauen 77.73 Jahre, für damals 55jährige Männer 21.04 Jahre, für Frauen 25.63 Jahre, für damals 60jährige Männer 17.36 Jahre, für Frauen 21.29 Jahre, für damals 65jährige Männer 13.91 Jahre, für Frauen 17.18 Jahre (Demographisches Jahrbuch Österreichs 1986, 156 f; Statistisches Handbuch für die Republik Österreich 1987, 49), was im Zusammenhang mit dem früheren Pensionsalter zu einer wesentlich höheren Pensionsbezugsdauer der Frauen führt (vgl dazu Ivansits aaO 469). In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß der Gesetzgeber bei den öffentlich Bediensteten keinen Unterschied im Anfallsalter zwischen Männern und Frauen macht. Zwar handelt es sich beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und bei der Materie des Sozialversicherungswesens um tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete (VfSlg 5241/1966; VfGH 16.3.1988, JBl 1988, 442), doch müßte die in den Sozialversicherungsgesetzen angenommene frühere Arbeitsunfähigkeit von Frauen aufgrund ihrer körperlichen Konstitution wohl auch für Frauen im öffentlichen Dienst gelten, bedenkt man, daß in vielen Fällen pragmatisierte Frauen die gleiche Tätigkeit wie Vertragsbedienstete verrichten, jedoch eine unterschiedliche Pensionsregelung besteht. Andererseits hat der Gesetzgeber im §255 Abs4 ASVG bei der (erleichterten) Invaliditätspension Männer und Frauen gleich behandelt. Bei beiden Geschlechtern nimmt hier der Gesetzgeber an, daß ein 55 Jahre alter Versicherter nicht mehr auf andere Tätigkeiten verwiesen werden kann als jene, die er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate ausgeübt hat. Dazu kommt, daß die derzeitige gesetzliche Regelung nicht berücksichtigt, welche Tätigkeit eine Frau verrichtet hat, sondern alle Frauen gleich behandelt. Es ist sicherlich denkbar, daß in Berufen, die mit größerer körperlicher Anstrengung verbunden sind, Frauen wegen ihrer körperlich schwächeren Konstitution früher arbeitsunfähig werden als Männer und bezüglich solcher Berufe eine unterschiedliche Pensionsregelung sachlich gerechtfertigt wäre. In zahlreichen Berufen, vor allem auf dem Angestelltensektor, spielt jedoch die körperliche Belastung - wenn überhaupt - nur eine untergeordnete Rolle. Ob die bei ein bis zwei Drittel aller Frauen in der Postmenopause auftretenden klimakterischen Beschwerden (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch255, 861) für sich allein eine allgemeine Senkung des Pensionsalters von Frauen gegenüber Männern rechtfertigt, kann bezweifelt werden. Gegen die vom Gesetzgeber zur Begründung herangezogenen Argumente bestehen daher jedenfalls wesentliche Bedenken.

Aber auch die von der Lehre zur Begründung herangezogene Doppelbelastung der Frau durch Beruf und Haushalt stellt kein entscheidendes Argument für die unterschiedliche Behandlung dar. Hier berücksichtigt das Gesetz zunächst nicht, daß ein nicht unerheblicher, durchaus ins Gewicht fallender und daher nicht zu vernachlässigender Teil der berufstätigen Frauen alleinstehend ist. Für sie unterscheidet sich die Belastung durch Beruf und Haushalt nicht von jener der alleinstehenden Männer. Wenngleich die in der Revision enthaltene Statistik über den Prozentsatz der kinderlosen Frauen nicht ohne weiteres aussagekräftig ist, weil sie Frauen bereits ab dem 15.Lebensjahr einbezieht, also ab einem Alter, in dem auch Frauen üblicherweise noch nicht verheiratet sind und auch noch keine Kinder haben, kann doch nicht übersehen werden, daß vor allem in der jüngeren Generation die Tendenz, keine familiären Bindungen einzugehen, sowohl bei Männern als auch bei Frauen zunimmt. Auch von den Frauen der älteren Generation, die jetzt in das Pensionsalter kommen, sind aufgrund des durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Männermangels viele unverheiratet und ohne Nachkommen geblieben. Auch für sie gilt das Argument von der Doppelbelastung daher nicht allgemein. Dazu kommt aber noch die seit der Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe durch das Gesetz BGBl 1975/412 geänderte Rechtslage. Während das seinerzeitige Recht in den §§91 und 92 ABGB aF davon ausging, daß der Mann das Haupt der Familie ist, in dieser Eigenschaft das Hauswesen zu leiten hat und die Frau ihm in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beizustehen hat, ist seither die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders der Haushaltsführung und der Erwerbstätigkeit im §91 ABGB gesetzlich festgelegt. Soweit aber Änderungen im Bereich eines Rechtsgebietes die für ein anderes Rechtsgebiet maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse ändern, ist bei Beurteilung der Verfassungsgemäßheit der Regelung dieses anderen Rechtsgebietes auf die so geschaffenen Verhältnisse Bedacht zu nehmen (VfGH 26.6.1980 RdA 1981, 141). Wenngleich sich sicherlich in der älteren Generation der Grundsatz der partnerschaftlichen Ehe noch nicht in größerem Umfang durchgesetzt hat und bezüglich dieser allenfalls zu berücksichtigen wäre, daß deren jetzt in das Pensionsalter kommende Frauen noch einen Großteil ihres Ehe- und Familienlebens unter der alten Familienrechtslage zugebracht haben, ist gerade in der jüngeren Generation in dieser Richtung sicher ein Umdenken im Gang, was letzten Endes auch mit ein Grund für die Änderung der gesetzlichen Bestimmungen war. Da seit der Änderung der Gesetzeslage immerhin bereits 12 Jahre vergangen sind, kann davon ausgegangen werden, daß sich der Grundsatz der partnerschaftlichen Ehe bereits in einem nicht unerheblichen Ausmaß durchgesetzt hat, so daß die Zahl der nun nicht mehr doppelbelasteten Frauen keine zu vernachlässigende Größe mehr darstellt. Würde der gegenwärtige gesetzliche Zustand unverändert beibehalten, so würde sich die Ungleichbehandlung der Geschlechter weiter verstärken. Es können jedoch nur solche Ungleichbehandlungen (vorübergehend) sachlich sein, die wenigstens in Richtung eines Abbaues der Unterschiede wirken würden (VfGH 26.6.1980 RdA 1981, 141), was hier nicht der Fall wäre. Diesen Umstand übersieht auch die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom 28.1.1987 (EuGRZ 1987, 291 und NJW 1987, 1541), worin ausgesprochen wurde, es sei mit Art3 Abs2 GG vereinbar, daß Frauen Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Unterschied zu Männern bereits mit Vollendung des 60.Lebensjahres beziehen können. Das Bundesverfassungsgericht meinte in diesem Zusammenhang, der Wandel der tatsächlichen Verhältnisse, der sich schon vollzogen habe und noch vollziehe und die Angleichung der Rechtsordnung an die gebotene Gleichstellung von Frau und Mann ließe erwarten, daß die Umstände, welche die verfassungsrechtliche Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Nachteilsausgleiches beeinflussen, im Laufe der weiteren Entwicklung an Einfluß verlieren würden. Wann dies der Fall sein werde und welche Folgerungen daraus zu ziehen seien, habe aber in erster Linie der Gesetzgeber zu beurteilen. Abgesehen davon, daß dadurch im Falle der Untätigkeit des Gesetzgebers die Notwendigkeit entsteht, in regelmäßigen Abständen den Verfassungsgerichtshof anzurufen, wird hiedurch die Ungleichbehandlung laufend weiter verstärkt. Ob der Gesetzgeber durch Übergangsregelungen eine vorübergehende Ungleichbehandlung in sachlich gerechtfertigter Weise aufrechterhalten könnte, ist im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, weil solche Übergangsregelungen nicht vorliegen. Der Gesetzgeber hat vielmehr unterschiedslos und ohne Rücksicht auf die auch zahlenmäßig ins Gewicht fallenden Teile der männlichen und weiblichen Versicherten, für die völlig gleiche Voraussetzungen vorliegen, das Pensionsalter der Frauen generell niedriger festgesetzt, als jenes der Männer. Auch die weiteren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes sind keine zwingende Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Geschlechter im Pensionsrecht. Er meint, würde es sich allein um einen Ausgleich für die Doppelbelastung der Frauen handeln, könnte es zweifelhaft sein, ob eine unterschiedliche Behandlung auch zugunsten von Frauen ohne diese Doppelbelastung und zum Nachteil von Männern mit einer solchen statthaft wäre. Der Gesetzgeber habe aber weitere Umstände in typisierender Betrachtungsweise berücksichtigen dürfen, so zB daß das Ausbildungsdefizit der Frauen, das ihre berufliche Stellung und damit ihr Arbeitsentgelt sowie ihre Rentenerwartung in der Vergangenheit maßgeblich beeinträchtigt habe, in typischen Fällen durch eine Antizipierung der erwarteten Stellung der Frau als spätere Mutter verursacht worden sei. Ähnliche Ursachen dürften auch vielfach die Beschäftigung in unteren Lohngruppen und die geringeren Aufstiegschancen der Frau im Beruf haben. Die typischen Unterbrechungen einer entgeltlichen Tätigkeit durch Zeiten von Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung hätten zudem bei Frauen häufig zur Folge, daß sie im Gegensatz zu Männern von der Inanspruchnahme des (der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer vergleichbaren) flexiblen Altersruhegeldes bei Vollendung des 63.Lebensjahres deswegen keinen Gebrauch machen könnten, weil sie die besonderen Voraussetzungen einer 35jährigen Versicherungszeit nicht erfüllten. All das lasse sich aber im Kern auf die Funktion oder jedenfalls die mögliche Stellung weiblicher Versicherter als Ehefrau und Mutter, also auf biologische Umstände zurückführen. Hier wird nach Ansicht des erkennenden Senates übersehen, daß die unbestrittenermaßen bestehenden beruflichen Nachteile der Frauen durch Schwangerschaft und Geburt, die für die jetzt in das Pensionsalter tretenden Frauen noch nicht durch gesetzliche Maßnahmen ausgeglichen wurden (vgl die Verbesserung der Ersatzzeitenregelung in §227 Abs1 Z3 und 4 ASVG) sowie Kindererziehung und die aus diesen Gründen vielleicht erfolgte Beschäftigung in unteren Lohngruppen und die geringeren Aufstiegschancen nicht dadurch ausgeglichen werden können, daß den Frauen das Recht zur früheren Pensionierung eingeräumt wird. Denn gerade ein früherer Pensionsantritt verstärkt noch die Benachteiligung der Frauen, da sie hiedurch noch weniger anrechenbare Zeiten erlangen und damit die Höhe der Pension noch geringer wird. Von einer bestehende Benachteiligung ausgleichenden Regelung kann daher in diesem Zusammenhang kaum gesprochen werden.

Dagegen, daß der Gesetzgeber durch die unterschiedliche Regelung des Pensionsanfallsalters die durch die Unterbrechung einer entgeltlichen Tätigkeit durch Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung bei Frauen bestehenden schlechteren Versicherungsverläufe ausgleichen wollte, spricht im übrigen auch die durch die 40.ASVG-Novelle getroffene Neuregelung der Wartezeit für Leistungen aus dem Versicherungsfall der verminderten Arbeitsfähigkeit im §236 ASVG. Diese beträgt bei männlichen Versicherten, wenn der Stichtag vor Vollendung des 55.Lebensjahres liegt, bei weiblichen Versicherten, wenn der Stichtag vor Vollendung des 50.Lebensjahres liegt, 60 Monate. Wenn der Stichtag

nach Vollendung des 55.Lebensjahres bei männlichen Versicherten und

nach Vollendung des 50.Lebensjahres bei weiblichen Versicherten liegt, beträgt die Wartezeit je nach Lebensalter des Versicherten für jeden weiteren Lebensmonat jeweils ein Monat mehr bis zum Höchstausmaß von 180 Versicherungsmonaten. Diese Bestimmung bedeutet eine Benachteiligung weiblicher Versicherter. Während etwa für einen Mann mit 55 Jahren eine Wartezeit von 60 Monaten für den Anspruch auf eine Pensionsleistung wegen verminderter Arbeitsunfähigkeit erforderlich ist, gelangt eine Frau gleichen Alters nur dann in den Genuß der Leistung, wenn sie 120 Versicherungsmonate aufzuweisen hat.

Mit Recht verweist schließlich die Revision auch auf die zunehmende, bereits nicht unbeträchtliche Zahl von Frauen mit Teilzeitbeschäftigung, bei denen naturgemäß die Doppelbelastung durch Beruf und Haushaltsführung nicht mehr so schwer ins Gewicht fällt.

Da somit gewichtige Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der derzeitigen gesetzlichen Regelung bestehen, hält es der Oberste Gerichtshof für geboten, dem hiefür ausschließlich zuständigen Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, die angefochtene Bestimmung auf ihre Verfassungsgemäßheit zu überprüfen."

4.2. Die zu G235/88, G63/90 und G144/90 protokollierten Anträge des Obersten Gerichtshofes enthalten ähnliche Begründungen.

4.3. Das Oberlandesgericht Wien führt im Beschluß vom 12. Jänner 1990, Z32 Rs 255/89 (hg. G33/90), seine Bedenken zusätzlich wie folgt aus:

"Die im ASVG in den Regeln zur Pensionsversicherung zum Ausdruck kommende Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Versicherten ist nicht in allen Fällen hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung ohne Bedenken geblieben. Anders als im Versicherungsfall der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit (§253a ASVG), wo sich besonders für diesen Versicherungsfall ein spezifischer Unterschied zwischen Mann und Frau zu deren Lasten, nämlich schwere Vermittelbarkeit und ein darauf abstellender sozialversicherungsrechtlicher Ausgleich ergibt (vgl. OLG Wien 12.1.1990, 32 Rs 251/89), fehlt es in §253b ASVG an einer erkennbar kompensatorisch, die Ungleichheit sachlich berücksichtigenden Regelung im Fall der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer. Das Anfallsalter ist bei der normalen Alterspension für Männer das 65. und für Frauen das 60. Lebensjahr. Bei den Frühpensionen liegt das Anfallsalter (§§253a und 253b ASVG) je fünf Jahre darunter. Nicht differenziert das ASVG zwischen Mann und Frau hingegen beim Versicherungsfall in §255 ASVG. Die bestehenden beruflichen Nachteile der Frauen durch Schwangerschaft und Geburt, die für die jetzt in das Pensionsalter tretenden Frauen noch nicht durch gesetzliche Maßnahmen ausgeglichen wurden, sowie Kindererziehung und die aus diesen Gründen vielleicht erfolgte Beschäftigung in unteren Lohngruppen mit geringeren Aufstiegschancen werden aber nicht dadurch ausgeglichen, daß den Frauen das Recht zur früheren Pensionierung gemäß §253b ASVG eingeräumt wird. Gerade ein früherer Pensionsantritt verstärkt noch die Benachteiligung der Frauen, weil sie hiedurch weniger anrechenbare Zeiten erlangen und damit die Pensionshöhe noch geringer wird. Von einer bestehenden Benachteiligung ausgleichenden Regelung kann daher im Lichte der Anforderungen an den Gleichbehandlungsgrundsatz kaum gesprochen werden. Dagegen, daß der Gesetzgeber durch die unterschiedliche Regelung des Pensionsanfallsalters die durch die Unterbrechung einer entgeltlichen Tätigkeit durch Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung bei Frauen bestehenden schlechteren Versicherungsverläufe ausgleichen wollte, spricht auch die durch die 40.ASVG-Novelle getroffene Neuregelung der Wartezeit für Leistungen aus dem Versicherungsfall der verminderten Arbeitsfähigkeit im §236 ASVG. Diese beträgt nämlich bei männlichen Versicherten bei einem Stichtag vor Vollendung des 55. Lebensjahres bzw. bei weiblichen Versicherten des 50. sechzig Monate. Liegt aber der Stichtag danach, erhöht sich die Wartezeit je nach Lebensalter des Versicherten jeweils um einen Monat bis zum Höchstausmaß von 180 Versicherungsmonaten. Das bedeutet eine Benachteiligung weiblicher Versicherter, für die anders als bei Männern nach Vollendung des 55.Lebensjahres nicht bloß eine Wartezeit von 60 Monaten sondern eine von 120 Monaten erforderlich ist.

Der Gesetzgeber hat durch die 8.ASVG-Novelle unterschiedslos, ohne Rücksicht auf zahlenmäßig ins Gewicht fallende Teile der männlichen und weiblichen Versicherten, für die völlig gleiche Voraussetzungen vorliegen, in §253b ASVG das Pensionsalter für Frauen generell niedriger festgesetzt als für Männer."

Aus diesen besonders vom Obersten Gerichtshof dargelegten Gründen habe es der antragstellende Senat des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht für geboten erachtet, dem hiefür ausschließlich zuständigen Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, die angefochtene Bestimmung auf ihre Verfassungsgemäßheit zu überprüfen.

5. Die Bundesregierung tritt unter Vorlage einer Reihe von Unterlagen den von den antragstellenden Gerichten in den Gesetzesprüfungsanträgen geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken - mit ebenfalls im wesentlichen wörtlich übereinstimmenden Äußerungen - wie folgt entgegen:

Für die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau wird zunächst darauf verwiesen, daß schon bei der Einführung der Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach §253b ASVG durch die 8. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 294/1960, mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1961 davon ausgegangen worden sei, daß die Arbeitskraft bei Versicherten im fortgeschrittenen Alter den Anforderungen des Arbeitsprozesses nicht mehr entspräche und dies bei weiblichen Versicherten fünf Jahre früher zu erwarten sei als bei männlichen. Die Annahme des Gesetzgebers anläßlich der Einführung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer, daß die Arbeitskraft bei Frauen früher unter das für den Verbleib im Arbeitsprozeß notwendige Maß sinke, habe nach wie vor eine Entsprechung in den Tatsachen; dies erweise sich aus der Zahl der Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw. der dauernden Erwerbsunfähigkeit (in diesen Fällen finde eine Beurteilung der Minderung der Arbeitsfähigkeit durch Sachverständige statt): Während im Dezember 1987 192.650 Pensionen an Männer und 162.297 Pensionen an Frauen ausbezahlt worden seien, habe die Erwerbsquote der 45- bis 55-jährigen Männer im Jahre 1987 90,8 % (im Jahre 1981 92,7 %), die der Frauen gleichen Alters im Jahre 1987 59,3 % und im Jahre 1981 56,3 % betragen. Das durchschnittliche Pensionsanfallsalter bei Neuzugängen im Dezember 1987 in den Fällen der Berufsunfähigkeit in der Gruppe der Angestellten, die vom Berufsbild her den Beamten am ähnlichsten sei, habe bei Männern 55,1 Jahre, bei Frauen 50,8 und damit 4,3 Jahre weniger als bei Männern betragen.

Tatsächlich sei bei der Einführung der vorzeitigen Alterspension mit der altersmäßig unterschiedlichen Regelung für Männer und Frauen ein im Sozialversicherungsrecht bereits verankertes Prinzip übernommen worden. Auch das antragstellende Gericht weise darauf hin, daß ein unterschiedliches Pensionsalter für Männer und Frauen erstmals bereits durch die Kaiserliche Verordnung vom 25. Juni 1914, RGBl. Nr. 138, eingeführt worden sei. Aus den Gesetzesmaterialien gehe hervor, daß der ursprüngliche Grund für die Herabsetzung des Pensionsanfallsalters bei Frauen ein versicherungstechnischer (versicherungsmathematischer) gewesen sei, der der faktischen Stellung der Frau in der Gesellschaft Rechnung getragen habe: Obwohl männliche und weibliche Versicherte zu gleich hohen Beitragszahlungen verpflichtet gewesen seien, seien bei den Frauen Leistungen für den Versicherungszweig der Witwerversorgung nicht angefallen und habe auch der Anspruch auf Kinderversorgung bei Frauen ersichtlich nicht den gleichen Wert gehabt (Technischer Bericht zur Novellierung des Gesetzes vom 16. Dezember 1906, RGBl. Nr. 1/1907, betreffend die Pensionsversicherung der Angestellten, Beilage zu 2187 Blg. zu den Stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses). Es hieße in den Materialien (Bericht des Unterausschusses des sozialpolitischen Ausschusses, 2187 Blg. zu den Stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses) dann weiters: Wenn auch ein teilweiser Ausgleich in der Verschiedenheit der Stellung schon dadurch hergestellt sein dürfte, daß weibliche Angestellte aus mannigfachen Ursachen durchschnittlich früher der Invalidität anheimfallen, würde den weiblichen Versicherten mit der Neuregelung der Vorteil eingeräumt, daß die Wartezeit für die Altersrenten gegenüber den Männern um fünf Jahre verkürzt werde.

Die Bundesregierung verweist sodann darauf, daß erst mit der 36. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 282/1981, und den "Parallelnovellen" zum GSVG und zum BSVG die Witwerpension an die Witwenpension angeglichen worden sei. Die Tatsache, daß im Dezember 1987 erst eine geringe Anzahl Witwerpensionen ausbezahlt worden sei, hänge insbesondere mit der geringeren Erwerbstätigkeit der Frauen zusammen. Soweit im Antrag des Obersten Gerichtshofes auf statistische Werte betreffend die Lebenserwartung von Männern und Frauen Bezug genommen werde, sei anzumerken, daß die Statistik nicht auf berufstätige Frauen abgestellt sei. Eine wissenschaftlich fundierte Aussage über Auswirkungen einer Doppelbelastung lasse sich aus der Lebenserwartung daher nicht ableiten. Das Motiv des Gesetzgebers, anläßlich der Herabsetzung des Anfallsalters für weibliche Versicherte von 65 auf 60 Jahre in der Rentenversicherung mit Bundesgesetz vom 21. April 1948, BGBl. Nr. 80/1948, der körperlichen Beschaffenheit der Frauen Rechnung zu tragen, sei somit keineswegs hinfällig. Die Festsetzung eines niedrigeren Anfallsalters für weibliche Versicherte hänge - nach wie vor - mit medizinischen Erkenntnissen und auch mit sozial- und gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen zusammen, durch die die Annahme, daß mit dem Erreichen dieses Anfallsalters das von den im Arbeitsprozeß Stehenden verlangte Maß an Arbeitskraft nicht mehr erwartet werden könne, gerechtfertigt werde. Die Voraussetzungen für ein Abgehen von den unterschiedlichen Altersgrenzen lägen auch heute noch nicht vor; dies werde - wie die Bundesregierung argumentiert - zusätzlich durch nachfolgende Ausführungen belegt:

"Es ist unbestreitbar, daß die dem Familien- wie auch dem Sozialrecht zugrundeliegenden gesellschaftlichen Verhältnisse einem Wandel unterliegen. Dieser Wandel kommt besonders deutlich in der Familienrechtsreform zum Ausdruck, vor allem im Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. Nr.412/1975. Die Familienrechtsreform ist vom Gedanken der Gleichberechtigung und Partnerschaft von Mann und Frau in der Ehe getragen.

Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, das für ein bestimmtes Rechtsgebiet gewählte Ordnungsprinzip auch auf ein anderes Rechtsgebiet zu übertragen (so ADAMOVICH, Gebietet der Gleichheitsgrundsatz die Anpassung anderer Rechtsgebiete an die Familienrechtsreform?, RdA 1977, 7). Die angefochtene Regelung stellt aus dieser Sicht also ein Abweichen von einem das Familienrecht betreffenden Ordnungssystem für den Bereich der sozialen Pensionsversicherung dar, die gemessen an der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes als solche zweifellos noch nicht verfassungswidrig ist. Denn für die sachliche Rechtfertigung einer Bestimmung kommt es vor allem auf den Tatsachenbereich, nicht aber auf die rechtspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers in anderen Bereichen an. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg. 8871/1980 dazu freilich ausgeführt, daß, soweit Änderungen im Bereich eines Rechtsgebietes die für ein anderes Rechtsgebiet maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse ändern, bei Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung dieses anderen Rechtsgebietes auf die so geschaffenen Verhältnisse Bedacht zu nehmen sei. Die Bundesregierung verkennt nicht die Argumentation des Verfassungsgerichtshofes im o.zit. Erkenntnis, wonach die Familienrechtsreform die tatsächlichen Verhältnisse derart verändert habe, daß daraus ein direkter Einfluß auf die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Mann und Frau resultiere. Die Bundesregierung vermeint jedoch, daß die Familienrechtsreform gerade im gegebenen Zusammenhang noch keineswegs einen derartigen Wandel der tatsächlichen Verhältnisse bewirkt hat, welcher einen unmittelbaren Einfluß auf den Bereich der Sozialversicherung bedingen würde. Dazu kommt, daß das frühere Pensionsanfallsalter im Unterschied zu einer bloß der Ehefrau gewährten Hinterbliebenenpension wohl kaum einen tatsächlich wirksamen Faktor bei der Aufrechterhaltung von Ungleichheiten (im Sinne der Familienrechtsreform) darst

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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