TE Vfgh Erkenntnis 1990/12/15 B551/90

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Veröffentlicht am 15.12.1990
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Bescheides aufgrund Anlaßfallwirkung

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden der Beschwerdevertreterin die mit 15.000 S bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Bescheid vom 28. September 1989 gab das Arbeitsamt Vöcklabruck dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Sondernotstandshilfe für alleinstehende Mütter gemäß §39 Abs1 in Verbindung mit §33 Abs2 litc AlVG und §4 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Soziale Verwaltung vom 10. Juli 1973, BGBl. 352/1973, betreffend Richtlinien für die Gewährung der Notstandshilfe (Notstandshilfeverordnung) in der Fassung der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 23. Juni 1988, BGBl. 319/1988, keine Folge, da wegen Überschreitens der Familienobergrenze im Sinne des §4 Abs2 der Notstandshilfeverordnung zufolge Anrechnung des Einkommens des an derselben Adresse gemeldeten Kindesvaters (§39 Abs3 AlVG) Notlage der Beschwerdeführerin nicht vorliege. Die Berufung blieb erfolglos.

Die vorliegende Beschwerde gegen den Berufungsbescheid des Landesarbeitsamtes rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung.

II. Die Beschwerde ist begründet.

Mit Erkenntnis G81/90 ua., V179/90 ua. vom 29. Juni 1990 hat der Verfassungsgerichtshof unter anderem die Bestimmung des §4 Abs2 der Notstandshilfeverordnung in der hier anzuwendenden Fassung als gesetzwidrig aufgehoben.

Gemäß Art139 Abs6 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Verordnung im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind einem Anlaßfall (im engeren Sinne) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung, bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in jenem des Beginns der nichtöffentlichen Beratung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind (vgl. z.B. VfSlg. 10616/1985; B612/89 vom 28. November 1989).

Der das vorliegende Verfahren einleitende Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist am 26. April 1990 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt; die Beschwerdesache ist damit seit diesem Zeitpunkt beim Verfassungsgerichtshof anhängig. Die mündliche Verhandlung im Normenprüfungsverfahren über §4 Abs2 der Notstandshilfeverordnung fand am 28. Juni 1990 statt. Die Aufhebung der Verordnung wirkt daher auch für diesen Fall.

Der angefochtene Bescheid ist in Anwendung der als gesetzwidrig aufgehobenen Bestimmung ergangen. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß durch die Anwendung der Verordnung die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin nachteilig berührt wurde. Die Beschwerdeführerin ist demnach durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden. Der Bescheid ist daher aufzuheben (§19 Abs4 Z3 VerfGG).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500 S enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B551.1990

Dokumentnummer

JFT_10098785_90B00551_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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