TE Vfgh Beschluss 1990/12/15 WI-10/90

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Veröffentlicht am 15.12.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
NRWO 1971 §19 Abs3
NRWO 1971 §46 Abs4
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
ZPO §63 Abs2 / Aussichtslosigkeit
VfGG §67 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung einer Wahlanfechtung des Zustellungsbevollmächtigten einer Wählergruppe mangels Legitimation; Aussichtslosigkeit einer Anfechtung der Nationalratswahlen 1990 durch eine Wählergruppe wegen der behaupteten rechtswidrigen Wertung ihres Wahlvorschlages als nicht eingebracht aufgrund des Nichterlages des Kostenbeitrages zur Herstellung der Stimmzettel und der behaupteten unrichtigen Zusammensetzung der Wahlbehörde; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des Kostenbeitrages und der Rechtswirkungen des Nichterlages; Legitimation zur Wahlanfechtung unabhängig von der Gültigkeit des Wahlvorschlages; Abweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe

Spruch

I. Der Antrag des Mag. F G auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

II. Die Wahlanfechtung des Mag. F G wird zurückgewiesen.

III. Der Antrag der anfechtenden Wählergruppe "Der Norden-(Mühlviertel)Weinviertel(Waldviertel)" auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit Verordnung vom 10. Juli 1990, BGBl. 421, schrieb die Bundesregierung die Wahl zum Nationalrat aus, die am 7. Oktober 1990 stattfand. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 1990 brachten

1. F (J) G als "Beschwerdeführer (Anfechter)" und 2. die Wählergruppe "Der Norden-(Mühlviertel)Weinviertel(Waldviertel)", vertreten durch den zustellungsbevollmächtigten Vertreter F G, eine Anfechtung dieser Wahl ein. Darin wurde auch der Antrag gestellt, die Verfahrenshilfe zu bewilligen.

1.2. Der Anfechtungswerber Mag. F G(in der Folge: Anfechtungswerber) bezeichnet sich selbst als "Beschwerdeführer (Anfechter)" und die Eingabe als "Klage (Beschwerde)". Trotzdem ist die Eingabe wegen der Berufung auf Art141 B-VG und im Hinblick darauf, daß sie die Aufhebung des ganzen Wahlverfahrens begehrt, hinreichend als Antrag gemäß Art141 B-VG und damit als Wahlanfechtung gekennzeichnet (vgl. VfSlg. 6424/1971, 8988/1980, 9085/1981, 9963/1984, 11.388/1987).

2. Zur Anfechtung des Anfechtungswerbers:

2.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch zum Nationalrat. Gemäß §67 Abs2 VerfGG 1953 sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter.

Der Anfechtungswerber schreitet auch als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der anfechtenden Wählergruppe ein. Daraus ist zu schließen, daß er die Wahl, soweit er nicht als zustellungsbevollmächtigter Vertreter auftritt, im eigenen Namen anficht.

Er ist daher nach dem eingangs Gesagten zur Anfechtung nicht legitimiert (vgl. VfSlg. 8864/1980).

2.2. Da seine Rechtsverfolgung offenbar aussichtlos erscheint, war sein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen.

2.3. Seine Wahlanfechtung war schon wegen mangelnder Legitimation zurückzuweisen.

3. Zur Wahlanfechtung der anfechtenden Wählergruppe:

3.1. Wie zu 2.1. ausgeführt, sind zur Anfechtung der Nationalratswahl jene Wählergruppen berechtigt, die rechtzeitig Wahlvorschläge vorgelegt haben. Dazu nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg. 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, daß die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlags das Ergebnis der Wahlanfechtung - wie hier - mitbestimmen kann, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Vorschlag rechtswirksam eingebracht wurde (zB VfSlg. 7387/1974, 8853/1980, 9093/1981, 10.178/1984, 10.217/1984, 11.256/1987; VfGH 2.3.1989 WI-4/88, 1.3.1990 WI-3/89).

Die Legitimation ist daher gegeben.

3.2. Den Wahlakten, die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt worden sind, läßt sich entnehmen, daß die anfechtende Wählergruppe Kreiswahlvorschläge zur Nationalratswahl 1990 eingebracht hat. Sie hat jedoch die Beiträge für die Kosten der Herstellung des amtlichen Stimmzettels (jeweils 6.000 S) nicht geleistet. Ihre Wahlvorschläge galten daher gemäß §46 Abs4 NRWO 1971 als nicht eingebracht.

3.3. Die Wählergruppe begründet ihre Anfechtung damit, ihr Vertreter sei nicht als Mitglied aller Wahlbehörden bestellt worden (§§14 f NRWO 1971), und - der Sache nach - damit, daß die Wahlvorschläge als nicht eingebracht behandelt wurden. Alle weiteren behaupteten Rechtswidrigkeiten wären dann aber nur Folgen dieser beiden Umstände.

Selbst wenn Beisitzer oder Vertrauenspersonen der anfechtenden Wählergruppe in die Wahlbehörden zu berufen gewesen wären, hätten sie ihre Mandate verloren, sobald feststand, daß es an der wirksamen Einbringung eines Wahlvorschlages fehlte (§19 Abs3 NRWO 1971). Auf diesen Umstand ist daher nur einzugehen, wenn sich herausstellen sollte, daß die Wahlvorschläge zu Unrecht als nicht wirksam eingebracht behandelt wurden, denn nur dann könnte diese behauptete Rechtswidrigkeit Einfluß auf das Wahlergebnis haben.

3.4. Die Anfechtungswerber führen in ihrem Schriftsatz vom 4. November 1990 aus, die NRWO 1971 sei verfassungswidrig. Dazu wird ausdrücklich auf "Kosteneinsätze" hingewiesen.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es indessen verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die NRWO einen Beitrag zu den Kosten der Herstellung des amtlichen Stimmzettels vorschreibt. Ebenso ist eine Regelung unbedenklich, wonach bei Nichterlag des Kostenbeitrages der Wahlvorschlag als nicht eingebracht gilt (VfSlg. 3611/1959, vgl. auch VfSlg. 6087/1969). Die Wahlbehörden dürften daher rechtmäßig gehandelt haben, wenn sie die Wahlvorschläge als nicht eingebracht behandelten.

Alle weiteren denkbaren Rechtswidrigkeiten hätten, da die Wählergruppe keinen Wahlvorschlag wirksam eingebracht hat, keinen Einfluß auf das Wahlergebnis mehr nehmen können.

Aus diesen Gründen ist zu gewärtigen, daß die Wahlanfechtung der Wählergruppe keinen Erfolg haben wird.

3.5. Da ihre Rechtsverfolgung also jedenfalls schon aus diesem Grund als offenbar aussichtslos erscheint, war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen.

4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 und §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Legitimation, VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Stimmzettel, Wahlbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:WI10.1990

Dokumentnummer

JFT_10098785_90W0I010_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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