TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/22 92/05/0319

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Veröffentlicht am 22.06.1993
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Index

83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §2 Abs2 Z3;
AWG 1990 §2 Abs3;
AWG 1990 §2 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Oktober 1992, Zl. 03-37 V 1-92/12, betreffend Feststellung gemäß § 4 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 15. Juli 1992 wurde auf Grund eines gemäß § 4 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, gestellten Antrages der Beschwerdeführerin festgestellt, "daß die auf der Halde der X-Ges.m.b.H. gelagerten LD-Stäube sowie Schlacke gefährliche Abfälle gemäß § 2 Abs. 5 Abfallwirtschaftsgesetz sind".

Der dagegen eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Oktober 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG "bezüglich der Feststellung, daß die auf der Halde der X-Ges.m.b.H. gelagerten LD-Stäube gefährliche Abfälle gem. § 2 Abs. 5 Abfallwirtschaftsgesetz sind, keine Folge gegeben" und bezüglich "der Feststellung, daß die auf der Halde der X-Ges.m.b.H. gelagerten Schlacken gefährliche Abfälle gem. § 2 Abs. 5 Abfallwirtschaftsgesetz sind, Folge gegeben".

Über die gegen den abweisenden Teil dieses Bescheides eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, haben nachstehenden Wortlaut:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1.

deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder

2.

deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(2) Eine geordnete Erfassung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten,

1.

als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.

solange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht oder

3.

solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.

.....

(3) Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwertung zugeführt (Altstoff), gilt sie so lange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden.

.....

(5) Gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Abfälle, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) erfordert und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 erforderlich ist. Durch Verordnung können Ö-NORMEN verbindlich erklärt werden.

.....

§ 1.

.....

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit des Menschen gefährdet und unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

.....

Feststellungsbescheid

§ 4. (1) Bestehen begründete Zweifel, ob eine Sache Abfall oder Altöl im Sinne dieses Bundesgesetzes ist oder nicht sowie darüber, welcher Abfallart sie zuzuordnen ist, hat die Behörde dies

1.

von Amts wegen oder

2.

auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen.

....."

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die erstinstanzliche Feststellung bestätigt, daß die auf der Halde der Beschwerdeführerin gelagerten LD-Stäube gefährliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 5 leg. cit. darstellen. Entsprechend der vorstehend wiedergegebenen Legaldefinition (vgl. § 2 Abs. 1 leg. cit.) setzt die Richtigkeit einer derartigen Feststellung zunächst voraus, daß es sich bei den erwähnten LD-Stäuben um Abfälle handelt, also um bewegliche Sachen, deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides nach einem Hinweis auf die Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, und die verbindlich erklärte Ö-NORM S 2101 auf das Gutachten der Fa. B.A.R.B.A.R.A. vom 29. Juni 1992 verwiesen, demzufolge "die Eluate der untersuchten Proben sehr hohe pH-Werte mit 12,9 und 12,6 und Chrom VI-Werte von 3,7 bzw. 0,96 mg/l aufweisen", und im Anschluß daran die Auffassung vertreten, daß dieser Gehalt an Chrom VI im Eluat "in strenger Auslegung der gesetzlichen Vorgaben" die "Zuordnung des LD-Filterstaubes als gefährlicher Abfall erforderlich macht". Ferner hat der Amtssachverständige anläßlich der am 19. Dezember 1991 stattgefundenen Verhandlung nach dem Wortlaut der bei dieser Gelegenheit aufgenommenen Niederschrift ausdrücklich erklärt, daß "der Chrom-VI-haltige Staub zumindest aus der Abluft des LD-Tiegels gefährlichen Abfall gemäß der Ö-NORM S 2101 vom 1.12.1983, Schlüsselnummer 31223 darstellt, die gemäß Verordnung BGBl. Nr. 49/1991 für verbindlich erklärt worden ist". Es handelt sich somit um chrom-(VI)-haltige Stäube aus Schmelzprozessen im Sinne der verbindlich erklärten ÖNORM S 2101 vom 1. Dezember 1983, Schlüsselnummer 31223, und damit um gefährliche Abfälle im Sinne dieser Verordnung, woraus im Hinblick auf die Regelung des § 2 Abs. 5 letzter Satz des Abfallwirtschaftsgesetzes folgt, daß die in Rede stehenden Stäube als gefährlicher Abfall im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren sind.

In Erwiderung auf das Beschwerdevorbringen ist festzuhalten, daß die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen ist, daß die Abfalleigenschaft eines Stoffes solange anzunehmen ist, bis er tatsächlich einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt wird, weil diese Auffassung dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 leg. cit. entspricht. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, daß die "besagte Gesetzesstelle ... die Abfalleigenschaft bereits voraussetzt", was aber nach den vorstehenden Erwägungen der Fall ist, denenzufolge die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. erfüllt sind. Ob die auf der Halde der Beschwerdeführerin gelagerten Stoffe auch im Sinne der Z. 1 dieser Gesetzesstelle als Abfälle anzusehen sind, war unter diesen Umständen nicht zu prüfen, weil die Voraussetzungen der Z. 1 und 2 dieser Gesetzesstelle nicht kumulativ vorliegen müssen (arg. "oder").

Daß eine geordnete Erfassung und Behandlung im öffentlichen Interesse im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 und 3 leg. cit. nicht geboten ist, hatte die belangte Behörde nicht anzunehmen. Einerseits ist nämlich nicht zu erkennen, warum der nach dem Befund des Sachverständigen vom 19. Dezember 1991 "aus der Entstaubung des LD-Tiegels und aus der Entstaubung der Umleerstation" anfallende Staub, welcher auf der Halde der Beschwerdeführerin gelagert wird, nach allgemeiner Verkehrsauffassung als "neue Sache" im Sinne der Z. 1 dieser Gesetzesstelle anzusehen sein soll, zumal der in der Beschwerde hervorgehobene Umstand, daß diese Stäube "am einschlägigen Markt gefragte Eigenschaften aufweisen", lediglich für deren allfällige Verwertbarkeit spricht. Andererseits kann das Vorliegen der Voraussetzungen der Z. 3 des § 2 Abs. 2 leg. cit. nicht damit begründet werden, daß "die Ablagerung der LD-Stäube auf einer anerkannt bestehenden sowie auch bewilligten Deponie geschieht und nach der Sachverhaltsannahme keinesfalls davon ausgegangen werden kann, daß diese Ablagerung in Verwertungsabsicht auf eine nicht zulässige Weise erfolgen würde", weil diese Umstände nach dem Wortlaut der in Rede stehenden gesetzlichen Regelung (sowie insbesondere auch des § 2 Abs. 3 leg. cit.) nicht von Bedeutung sind.

Bezüglich der Kritik der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe die Gefährlichkeit des in Rede stehenden Abfalles "in rechtsirriger Weise bejaht", ist auf die einleitenden Erwägungen des Gerichtshofes zu verweisen und ergänzend noch festzuhalten, daß es sich bei der Beantwortung der Frage, ob ein bestimmter Abfall im Sinne des § 2 Abs. 5 leg. cit. als "gefährlich" zu qualifizieren ist, um eine Rechtsfrage handelt. Im übrigen ergibt sich aus dem Gutachten der Fa. B.A.R.B.A.R.A. nicht, daß die Schlußfolgerung der belangten Behörde, wonach der in Rede stehende Filterstaub wegen seines Gehaltes an Chrom VI als gefährlich einzustufen ist, unrichtig ist. Ferner hat der Amtssachverständige anläßlich der am 19. Dezember 1991 stattgefundenen Verhandlung, wie schon erwähnt, ausdrücklich erklärt, daß "der Chrom-VI-haltige Staub zumindest aus der Abluft des LD-Tiegels gefährlichen Abfall gemäß der Ö-NORM S 2101 vom 1. 12. 1983, Schlüsselnummer 31223 darstellt, die gemäß Verordnung BGBl. Nr. 49/1991 für verbindlich erklärt worden ist", weshalb entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin davon auszugehen ist, daß "das Amtssachverständigengutachten an den für verbindlich erklärten Einstufungskriterien ... gemessen" worden ist.

Inwiefern die von der belangten Behörde bestätigte erstinstanzliche Feststellung, daß "die auf der Halde" der Beschwerdeführerin "gelagerten LD-Stäube gefährliche Abfälle" sind, unrichtig sein soll, weil "jedenfalls Teile der maßgeblichen LD-Stäube nicht als Abfälle, sondern bloß als Altstoffe anzusehen sind", hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt, weshalb auch nicht beurteilt werden kann, ob dieses Vorbringen auf dem Boden des § 2 Abs. 3 leg. cit. im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG erheblich ist.

Da der belangten Behörde auch keine sonstige, zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften angelastet werden kann, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992050319.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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