TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/23 93/03/0057

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.1993
beobachten
merken

Index

L65000 Jagd Wild;
L65007 Jagd Wild Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §118 Abs2;
JagdG Tir 1983 §29 Abs2;
JagdG Tir 1983 §57 Abs1;
JagdG Tir 1983 §57 Abs3;
JagdG Tir 1983 §64 Abs1;
JagdG Tir 1983 §64 Abs6;
JagdRallg;
VStG §31 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Leukauf, Dr. Sauberer, Dr. Kremla und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. Jänner 1993, Zl. IIIa2-2531/2, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 64 TJG 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarausschusses des Tiroler Jägerverbandes vom 9. November 1992 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 4 lit. b TJG 1983 wegen bestimmter, am 1. Dezember 1991 begangener, das Ansehen der Jägerschaft schädigender Handlungen die Ordnungsstrafe des strengen Verweises verhängt. In der Begründung bejahte der Disziplinarausschuß seine Zuständigkeit zur Verhängung der Ordnungsstrafe, obwohl der Beschwerdeführer für das Jagdjahr 1992/93 keine Tiroler Jagdkarte gelöst habe.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer für das Jagdjahr 1991/92 eine gültige Tiroler Jagdkarte besessen, diese jedoch für das Jagdjahr 1992/93 nicht erneuert. Die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers zum Tiroler Jägerverband habe daher am 30. Juni 1992 geendet. Dessen ungeachtet sei aber die Zuständigkeit des Tiroler Jägerverbandes zur Erlassung des Disziplinarerkenntnisses gegeben gewesen. Der Beschwerdeführer sei nämlich bereits mit Schreiben vom 4. März 1992 als Beschuldigter zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Damit sei jedenfalls eine im Sinne des § 32 VStG die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung gesetzt und das Disziplinarverfahren zu einem Zeitpunkt eingeleitet worden, zu dem der Beschwerdeführer noch Mitglied des Tiroler Jägerverbandes gewesen sei. Mit Schreiben vom 9. März 1992 habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, daß über den gegenständlichen Vorfall das gerichtliche Vorverfahren eingeleitet worden sei, und mit Rücksicht auf diese Situation die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens beantragt. Diesem Ansinnen habe die Erstinstanz Rechnung getragen und das Disziplinarverfahren erst nach Vorliegen der Gerichtsentscheidung mit der mündlichen Verhandlung am 9. November 1992 fortgesetzt und mit Disziplinarerkenntnis abgeschlossen. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfahrensverzögerung sei somit im wesentlichen in seinem eigenen Interesse und über seinen ausdrücklichen Antrag erfolgt; auch das weitere Vorbringen in der Berufung, daß seit der Verständigung des Tiroler Jägerverbandes durch den Beschwerdeführer über den Ausgang des Strafverfahrens mit Schreiben vom 20. August 1992 bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses ebenfalls mehr als drei Monate vergangen seien, sei aktenwidrig. Würde man der Rechtsansicht des Beschwerdeführers, daß er im Hinblick auf die mit 30. Juni 1992 abgelaufene Mitgliedschaft zum Tiroler Jägerverband nicht mehr der Disziplinargewalt dieses Verbandes unterliege, folgen, so könnte ein - auch vom Beschwerdeführer unbestritten gebliebenes - strafbares Verhalten dann nicht mehr sanktioniert werden, wenn der Täter durch geschickte verfahrensrechtliche Manöver die Tätigkeit der zuständigen Instanzen zumindest zeitweise behindere bzw. unterlaufe. In weiterer Folge führe diese Rechtsauffassung zu der geradezu absurden Konsequenz, daß eine Person am letzten Tag der Mitgliedschaft zum Tiroler Jägerverband jeden beliebigen Verstoß gegen die Bestimmung des § 64 Abs. 1 TJG 1983 begehen könne, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Diese Konsequenz werde vom Gesetzgeber dadurch vermieden, daß im § 64 Abs. 6 leg. cit. ausdrücklich angeordnet sei, daß die Verjährungsfrist bei Pflichtverletzungen und Verstößen nach § 64 Abs. 1 leg. cit. im Sinne des § 31 Abs. 2 VStG ein Jahr betrage; damit sei aber klar, daß der Gesetzgeber die Durchführung von Disziplinarverfahren auch in solchen Fällen gesichert wissen wolle, wo zwar die Mitgliedschaft des Beschuldigten im Sinne des § 57 TJG 1983 erloschen sei, das Disziplinarverfahren wegen einer während der Mitgliedschaft begangenen strafbaren Handlung aber innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet und durchgeführt und auch mit Disziplinarerkenntnis abgeschlossen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 57 Abs. 1 TJG 1983 bilden alle Personen, die eine gültige Tiroler Jagdkarte besitzen, den Tiroler Jägerverband. Die Mitgliedschaft wird gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung mit der Ausstellung der Tiroler Jagdkarte erworben; sie erlischt im Falle des § 29 Abs. 2 mit der Ungültigerklärung der Jagdkarte, sonst drei Monate nach Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer.

Die Jagdkarte ist gemäß § 27 Abs. 3 TJG 1983 unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Ausstellung nur für das jeweilige Jagdjahr auszustellen. Das Jagdjahr beginnt am 1. April und endet am 31. März des folgenden Jahres.

Gemäß § 64 Abs. 1 TJG hat der Disziplinarausschuß des Tiroler Jägerverbandes über Mitglieder, die ihre Pflichten gegenüber dem Verband oder seinen Mitgliedern verletzen oder das Ansehen der Jägerschaft durch Verstöße gegen den bodenständigen weidmännischen Brauch schädigen, Ordnungsstrafen zu verhängen.

Schon aus dem klaren Wortlaut der letztgenannten Vorschrift folgt, daß Ordnungsstrafen nur gegen Mitglieder des Tiroler Jägerverbandes verhängt werden dürfen. Ist eine Person nicht mehr Mitglied des Tiroler Jägerverbandes, so unterliegt sie auch dann nicht mehr der Disziplinargewalt dieses Verbandes, wenn sie sich zu einer Zeit, als sie noch Mitglied war, Pflichtverletzungen und Verstöße im Sinne des § 64 Abs. 1 TJG 1983 zu schulden kommen ließ (dem entspricht etwa im Bereich des Disziplinarrechtes der Beamten die Regelung des § 118 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, wonach das Disziplinarverfahren als eingestellt gilt, wenn das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschuldigten endet).

Gegenteiliges kann auch nicht aus § 64 Abs. 6 TJG 1983 abgeleitet werden. Diese Bestimmung sieht vor, daß auf das Verfahren die Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze 1950 anzuwenden sind, und verlängert die Verjährungsfrist im Sinne des § 31 Abs. 2 VStG bei Pflichtverletzungen und Verstößen nach § 64 Abs. 1 TJG 1983 auf ein Jahr. Für die Annahme der belangten Behörde, daß damit im Falle der rechtzeitigen Vornahme einer Verfolgungshandlung ein Fortbestehen der Disziplinargewalt über das Erlöschen der Mitgliedschaft zum Tiroler Jägerverband hinaus normiert werde, vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Grundlage zu erkennen. Dem Anliegen, daß durch das Nichtlösen einer neuen Jagdkarte nicht die disziplinäre Verantwortlichkeit umgangen werden könne, wird vielmehr durch § 57 Abs. 3 TJG 1983 Rechnung getragen, wonach die Mitgliedschaft zum Tiroler Jägerverband - vom Fall der Ungültigerklärung der Jagdkarte nach § 29 Abs. 2 leg. cit. abgesehen - erst drei Monate nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Tiroler Jagdkarte erlischt. Während dieses Zeitraumes unterliegt das Mitglied weiterhin der Disziplinargewalt des Tiroler Jägerverbandes (vgl. Abart-Lang-Obolzer, Tiroler Jagdrecht, Kommentar, 189, sowie das dort angeführte hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1985, Zl. 85/03/0128, ergangen zu § 82 Abs. 2 Kärntner Jagdgesetz 1978). Nach Ablauf dieses Zeitraumes ist die Verhängung einer Ordnungsstrafe gegen das ehemalige Mitglied nicht mehr zulässig; aus welchen Gründen das Verfahren nach § 64 TJG 1983 bis dahin nicht rechtskräftig abgeschlossen werden konnte, ist nach dem Gesetz nicht von Bedeutung.

Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Interessensvertretung der Jäger Ehrengericht Jägerehre Disziplinarmaßnahme Einhaltung der Jagdvorschriften

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993030057.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten