TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/29 93/11/0099

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Veröffentlicht am 29.06.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §68 Abs1;
KDV 1967 §38 Abs1 litc;
KDV 1967 §38 Abs3;
KFG 1967 §67 Abs3;
KFG 1967 §67 Abs4;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 8. April 1993, Zl. 11-39 Ho 18-1992, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den ihr angeschlossenen Bescheiden beider Instanzen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der im Jahre 1913 geborene Beschwerdeführer war Besitzer einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G. Auf Grund zweier vom Beschwerdeführer beim Rückwärtsfahren verursachter Verkehrsunfälle mit Sachschaden (am 28. Juni und am 9. Juli 1992) regte der Gendarmerieposten Weiz bei der Bezirkshauptmannschaft Weiz eine Überprüfung der Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen an. Der Amtsarzt dieser Behörde verneinte in seinem auf Grund der Untersuchung des Beschwerdeführers vom 25. August 1992 erstatteten Gutachten dessen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen wegen "völlig fehlender Fahrpraxis, die im hohen Alter nicht mehr erworben werden kann". Zur Klärung der aufgetretenen Bedenken in Ansehung der fachlichen Befähigung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen erging an ihn gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 die bescheidmäßige Aufforderung zur neuerlichen Ablegung der praktischen Lenkerprüfung (§ 70 Abs. 3 KFG 1967). Der Beschwerdeführer unterzog sich am 18. November 1992 dieser Prüfung. Bericht und Gutachten des beigezogenen Sachverständigen für Lenkerprüfungen über das Ergebnis der im Beisein eines Fahrlehrers absolvierten Prüfungsfahrt in der Dauer von 15 Minuten lauten wie folgt:

"Übungsplatz der Fahrschule Brosch - Bahnhofstraße (ein herannahender Autobus wurde beim Einfahren in den Fließverkehr nicht beachtet) - Gleisdorfer Straße ("Vorrang geben" zu wenig beachtet - eine Autolenkerin auf der Vorrangstraße mußte gezwungenerweise abbremsen und war verärgert) - Birkfelder Straße - Kapruner-Generator-Straße (eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h bei einer Baustelle wurde nach Befragen überhaupt nicht registriert) - Roseggerstraße - Passailerstraße (beim Einmünden den Querverkehr nur sehr mangelhaft beobachtet; Ausrede: "Habe eh" in den Spiegel geschaut"; die Geschwindigkeit bei der Einmündung wurde aber kaum vermindert, sodaß ein evtl. Anhalten ausgeschlossen werden kann; auf der Passailerstraße beim Überholen eines Radfahrers trotz Spurwechsel kein Blinkzeichen gegeben;) - Parkplatz Gasthaus Fries - Passailerstraße - Klammstraße (Verkehrszeichen überhaupt nicht aufgefallen) - Kreisverkehr (neuerlich sorglose Einfahrt in den Querverkehr) - Marburgerstraße - Hans-Sutter-Straße - Gleisdorferstraße (Anhalten wegen Querverkehr - beim Wegfahren das Einlegen des Ganges vergessen; legte sodann den Gang ein und wollte bei Herannahen von Fahrzeugen in den Querverkehr einfahren - ein Unfall konnte nur durch das Ziehen der Handbremse durch den Fahrlehrer verhindert werden) - Bahnhofplatz.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß R wohl in der Lage ist, sein Fahrzeug beim Schalten und Lenken gut zu betätigen, was vermutlich auch auf instinktive Fahrpraxis zurückzuführen ist. Im Fahrverhalten ist er eher sorglos (s. Fahrbericht), nicht in der Lage, in Grenzsituationen sofort zu reagieren, und fehlt ihm die nötige Überblicksgewinnung, um den heutigen Anforderungen im Straßenverkehr gerecht zu werden. Bei Hinweisen auf sein Fehlverhalten reagiert R eher abweisend als einsichtig. Es muß daher angenommen werden, daß R aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse nicht geeignet ist, gefahrlos für sich und andere Verkehrsteilnehmer als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilzunehmen."

Gestützt auf dieses Ergebnis der praktischen Lenkerprüfung sprach die Bezirkshauptmannschaft Weiz mit Bescheid vom 22. Dezember 1992 gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G "auf Dauer" aus. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 ist unter anderem Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr fachlich befähigt sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken. Voraussetzung für die Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ist gemäß § 75 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 ein Gutachten über diese Befähigung gemäß § 67 Abs. 3 leg. cit., das nach dieser Bestimmung von einem vom Landeshauptmann gemäß § 126 KFG bestellten Sachverständigen auf Grund einer Lenkerprüfung (§ 70) zu erstatten ist. Nach § 38 Abs. 1 lit. c KDV 1967 ist bei der praktischen Lenkerprüfung festzustellen, ob der Betreffende imstande ist, eine gegebene Fahrtrichtung einzuhalten, auftauchenden Hindernissen auszuweichen, das Fahrzeug richtig einzuordnen, richtig zu überholen, mit der Betriebsbremsanlage des Fahrzeuges schnell anzuhalten, auf Steigungen und Gefällen anzufahren, rückwärts zu fahren und zu wenden sowie in Parklücken einzufahren; nach Abs. 3 dritter Satz ist hiebei insbesondere auch festzustellen, ob der Betreffende beim Lenken des Kraftfahrzeuges die im § 37a angeführten Vorschriften (dazu zählen nach Z. 1 lit. e und i die Bestimmungen der StVO 1960 über die Fahrregeln und die Straßenverkehrszeichen) einzuhalten vermag.

Grund für die gegenständliche Entziehungsmaßnahme war die Annahme, dem Beschwerdeführer fehle die erforderliche fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Das ergibt sich unmißverständlich aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, wenn es dort heißt, der Amtsarzt habe beim Beschwerdeführer nicht etwa seine kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit ausschließende gesundheitliche Mängel festgestellt, sondern mangelnde Fahrpraxis. Deren Beurteilung stehe aber nicht dem Amtsarzt zu, weshalb eine Prüfung der fachlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen in die Wege geleitet worden sei, und zwar eingeschränkt auf den praktischen Teil der Lenkerprüfung, da beim Beschwerdeführer als pensioniertem Gendarmeriebeamten mangelnde Kenntnis der Verkehrsvorschriften nicht anzunehmen sei. Die belangte Behörde schloß sich der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides voll an und verwies anstelle einer eigenen Begründung auf die "zutreffenden Ausführungen" des erstinstanzlichen Bescheides. Bei der unmittelbar daran anschließenden Äußerung im angefochtenen Bescheid, auch die belangte Behörde sei der Auffassung, daß der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen "gesundheitlich" nicht in der Lage sei, handelt es sich offensichtlich um ein Vergreifen im Ausdruck.

Da die bekämpfte Entziehungsmaßnahme nicht auf der Annahme mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen beruht, gehen die Beschwerdeausführungen, soweit sie das angebliche Fehlen dieser Eignungsvoraussetzungen zum Gegenstand haben, ins Leere.

Das Vorbringen, eine Befragung des der Lenkerprüfung beiwohnenden Fahrschullehrers hätte ergeben, daß das Gutachten nicht dem Prüfungsverlauf entspreche, überhaupt sei der Sachverhalt nicht genügend erhoben und es seien die Grenzen der freien Beweiswürdigung dadurch überschritten worden, daß die dem Gutachten des Sachverständigen widersprechende Darstellung des Ablaufs der Lenkerprüfung einerseits und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer aus eigenem Antrieb einen Pkw gekauft und aus freien Stücken Fahrübungsstunden genommen habe, völlig ungewürdigt geblieben seien, erschöpft sich in der Anführung von nach Ansicht des Beschwerdeführers unterlaufenen Verfahrensmängeln. Mangels näherer Konkretisierung ist nicht ersichtlich, daß und weshalb das der bekämpften Entziehungsmaßnahme zugrundeliegende Gutachten unzutreffend sein bzw. sonst keine taugliche Entscheidungsgrundlage bilden soll. Das gegenständliche Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Der in dem (oben wiedergegebenen) Gutachten enthaltenen Darstellung des Sachverständigen über das Fahrverhalten des Beschwerdeführers bei der Prüfungsfahrt tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen.

Auf der Grundlage dieses Ergebnisses der Prüfungsfahrt ist der von den Kraftfahrbehörden gezogene Schluß, dem Beschwerdeführer fehle derzeit die fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, nicht zu beanstanden. Das zweimalige "Übersehen" von Verkehrszeichen und die wiederholten Verstöße gegen die Fahrregeln (bezüglich Vorrang, Überholen, Wahl der Fahrgeschwindigkeit) zeigen deutlich das Unvermögen des Beschwerdeführers, beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrsvorschriften einzuhalten. Damit erweist sich die getroffene Entziehungsmaßnahme als berechtigt. Das Fehlen der fachlichen Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erfordert im Interesse der Verkehrssicherheit zwingend die Entziehung der Lenkerberechtigung. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers durfte sich die belangte Behörde angesichts des festgestellten Mangels keineswegs damit begnügen, "die Auflage zu erteilen, weiter Fahrunterricht zu nehmen, fortlaufend Übungskurse und Weiterbildungskurse für das Verhalten im Straßenverkehr zu besuchen, sowie andere zielführende Maßnahmen auflagenmäßig vorzuschreiben". Ebenso ist der Umstand ohne Belang, daß der Beschwerdeführer "aus gesundheitlichen Gründen im hohen Maße auf die selbständige Benützung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist".

Soweit der Beschwerdeführer eine unsachliche und nicht gerechtfertigte Ermessensüberschreitung darin erblickt, daß die Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 "auf Dauer" entzogen und keine Zeit nach § 73 Abs. 2 leg. cit. festgesetzt wurde, ist ihm zu erwidern, daß angesichts des Fehlens eines konkreten Anhaltspunktes für die Annahme, daß seine fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nach Ablauf einer bestimmten Zeit wieder gegeben sein werde, nur eine (endgültige) Entziehung seiner Lenkerberechtigung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 in Betracht kam. Die fehlende Festsetzung einer Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 wirkt sich nicht zu seinem Nachteil aus, da es ihm damit jederzeit möglich ist, die Erteilung einer neuen Lenkerberechtigung zu beantragen. Ein solcher Antrag könnte nicht allein schon mit der Begründung, die bei der Entziehung festgesetzte Zeit sei noch nicht abgelaufen, gemäß § 67 Abs. 4 erster Satz leg. cit. abschlägig beschieden werden.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110099.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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