TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/30 93/02/0059

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Veröffentlicht am 30.06.1993
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. Jänner 1993, Zl. MA 64-11/185/93/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 15. Mai 1990 um 09.50 Uhr an einem bestimmten Ort in Wien als Lenker eines Kraftfahrzeuges an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub hievon eine Mitteilung bei der nächsten Polizeidienststelle zu erstatten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) verhängt.

Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Voraussetzung für die Meldepflicht gemäß § 4 Abs. 5 StVO ist als objektives Tatbestandsmerkmal der (unfallsbedingte) Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0020, und vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0125).

Zur Klärung der maßgeblichen Umstände ersuchte die belangte Behörde einen Amtssachverständigen um Erstellung eines technischen Gutachtens über die Möglichkeit einer Kontaktnahme der Fahrzeuge und über die Erkennbarkeit eines Unfalls für den Beschwerdeführer, wozu sich der Amtssachverständige jedoch nicht in der Lage sah. In der Begründung des angefochtenen Bescheides erklärte die belangte Behörde das Scheitern ihrer Versuche, ein technisches Gutachten von der Magistratsabteilung 46 zu erlangen, für unschädlich und nahm die dem Beschwerdeführer angelastete Tat im wesentlichen aufgrund der Zeugenaussage des geschädigten Anzeigers als erwiesen an.

In seiner Beschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere das Unterbleiben einer Stellprobe mit typengleichen Fahrzeugen (das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug war bereits abgemeldet worden). Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren zwar die Durchführung einer Stellprobe beantragt, jedoch bestanden nach der Aktenlage keine Hinweise auf die technische Unmöglichkeit eines Kontaktes, die die Vornahme einer Stellprobe unerläßlich gemacht hätten. Daß bei späteren Erhebungen am vom Beschwerdeführer gelenkten Kraftfahrzeug keine Beschädigungen festgestellt werden konnten, schloß die Möglichkeit einer Kollision nicht aus, weil - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - nicht jeder Fahrzeugkontakt einen Sachschaden an beiden Fahrzeugen zur Folge haben muß (am Fahrzeug des Anzeigers war bloß die hintere Stoßstange links leicht zerkratzt) oder ein allfälliger Schaden zwischenzeitig repariert worden sein konnte. Mit der Geringfügigkeit der Beschädigung am Fahrzeug des Anzeigers kann es auch erklärt werden, daß dieser über keine Reparaturrechnung verfügte und an die gegnerische Haftpflichtversicherung keine Ansprüche stellte; um entscheidende Kriterien für die Frage der Bejahung eines entsprechenden Sachschadens handelt es sich hiebei nicht (vgl. auch das bereits zitierte Erkenntnis vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0020). Im übrigen ist dem Gerichtshof ein allgemeiner Erfahrungssatz, Aussagen über die Möglichkeit der Verursachung bestimmter Schäden an bestimmten Fahrzeugen könnten nur nach Vornahme einer Stellprobe gemacht werden, unbekannt (vgl. neuerlich das eben zitierte Erkenntnis).

Den Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Glaubwürdigkeit des Anzeigers kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen: dessen Zeugenaussage steht mit der Anzeige nicht im Widerspruch; vielmehr handelt es sich um ergänzende Angaben.

Wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall der Darstellung des Anzeigers und nicht der des Beschwerdeführers und dessen Beifahrers gefolgt ist und es daher als erwiesen angenommen hat, bei einem vom Beschwerdeführer - der zugibt, zur Tatzeit im Bereich des Tatortes gewesen zu sein - verursachten Verkehrsunfall (Streifung beim Fahrstreifenwechsel) wären die in der sogleich nach dem Unfall erstatteten Anzeige festgehaltenen und auch vom Meldungsleger besichtigten Sachschäden entstanden, so ist hierin eine vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden Kontrollbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) wahrzunehmende Rechtswidrigkeit ihrer Beweiswürdigung nicht gelegen. Auf die genaue Art der Beschädigung und die exakte Schadensstelle kam es im gegebenen Zusammenhang nicht an; es genügte, daß überhaupt ein Sachschaden eingetreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1991, Zl. 90/03/0114).

Die Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalles für den Beschwerdeführer hat die belangte Behörde deshalb bejaht, weil auch der Anzeiger (trotz Autoradiogeräuschen) einen Anstoß wahrgenommen hatte. Diese Überlegung sieht der Verwaltungsgerichtshof für sich allein betrachtet nicht als hinreichend schlüssig an: Angesichts der Geringfügigkeit des Sachschadens konnten an der Wahrnehmbarkeit des Anstoßes für den Beschwerdeführer durchaus Zweifel bestehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. April 1991, Zl. 90/02/0201). Allerdings war der Beschwerdeführer aufgrund seines riskanten Fahrverhaltens (Fahrstreifenwechsel ohne ausreichenden Sicherheitsabstand) zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 1992, Zl. 91/03/0347, und vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0125). Er hätte daher - selbst wenn ihm die Kollision selbst entgangen sein sollte - aus den nach der Kollision abgegebenen Hup- und Blinkzeichen des Anzeigers auf die Möglichkeit eines durch sein Fahrverhalten verursachten Verkehrsunfalles mit Sachschaden schließen müssen. Unter diesen Umständen bedurfte es auch keines Sachverständigengutachtens über die Wahrnehmbarkeit der Beschädigung.

Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegt, von welchen Erwägungen sie sich bei der Strafbemessung hat leiten lassen. Was die Schätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers betrifft, hat die belangte Behörde ohnehin ungünstige Einkommensverhältnisse, kein Vermögen und keine Sorgepflichten angenommen. Es ist daher unerfindlich, inwieweit in diesem Zusammenhang ein relevanter Verfahrensmangel vorliegen soll. Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, seine verwaltungsrechtlichen Vorstrafen würden nicht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde keinen Erschwerungsgrund, sondern lediglich das Fehlen des Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit angenommen hat. Im übrigen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß der belangten Behörde bei der Strafbemessung im Beschwerdefall ein Ermessensfehler unterlaufen wäre.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020059.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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