TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/8 93/18/0196

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Veröffentlicht am 08.07.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §88 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in E, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 22. Februar 1993, Zl. Fr-31/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Abschnitt I des Bescheides der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vom 30. Dezember 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und 2 Z. 7 sowie Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 31. Dezember 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen (Punkt 1). Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Punkt 2). Gemäß § 6 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz wurde ferner verfügt, daß der Beschwerdeführer das Bundesgebiet unverzüglich nach Zustellung dieses Bescheides zu verlassen habe (Punkt 3). Schließlich wurde ausgesprochen, daß gemäß § 12 Fremdenpolizeigesetz die Kosten, die bei der Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes entstehen, von dem Fremden zu ersetzen seien (Punkt 4.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Teil des angefochtenen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Mit 1. Jänner 1993 ist das Fremdengesetz-FrG (BGBl. Nr. 838/1992) - von den hier nicht interessierenden §§ 75 und 76 abgesehen - in Kraft getreten, mit Ablauf des 31. Dezember 1992 das Fremdenpolizeigesetz außer Kraft getreten (§ 86 Abs. 1 und 3 FrG). Zufolge der Übergangsbestimmung des § 88 Abs. 1 FrG sind Verfahren zur Erlassung u.a. eines Aufenthaltsverbotes, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind - was im Beschwerdefall zutrifft -, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1993, Zl. 93/18/0068).

Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift unter Berufung auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A, und den Wortlaut der Übergangsbestimmung des § 88 Abs. 1 FrG darzutun versucht, daß sie bei ihrer Entscheidung nicht die Bestimmungen des FrG anzuwenden gehabt hätte, kann ihr nicht gefolgt werden. Nach dem angeführten Erkenntnis hat die Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist". Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum Rechtens war. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde handelt es sich bei einem Verfahren über die Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot um ein "Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes" im Sinne der erwähnten Übergangsbestimmung des § 88 Abs. 1 FrG; dies deshalb, weil es grundsätzlich Aufgabe der Berufungsbehörde ist, die mit dem erstinstanzlichen Bescheid entschiedene Sache neuerlich, und zwar so zu entscheiden, als ob diese Sache erstmals entschieden würde (vgl. Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 616). Die Abweisung einer Berufung ist dabei als Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden Bescheides anzusehen (vgl. neben vielen anderen das hg. Erkenntnis vom 19. März 1987, Zl. 86/02/0185).

Da die belangte Behörde somit ihre Entscheidung - und zwar durch die Übernahme des erstinstanzlichen Bescheides auch im Spruch - auf zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 88 Abs. 1 FrG nicht mehr anzuwendende Vorschriften gestützt hat, leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180196.X00

Im RIS seit

29.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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