TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/8 93/18/0287

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Veröffentlicht am 08.07.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
AVG §67c Abs3;
FrG 1993 §41 Abs4;
FrG 1993 §51 Abs1;
FrG 1993 §52 Abs4;
FrG 1993 §70 Abs3;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 94/02/0308 E 12. August 1994

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in H, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. April 1993, Zl. UVS-01/12/00048/93, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Februar 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 41 Abs. 1 Fremdengesetz (FrG) zur Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft verhängt. In diesem Bescheid findet sich der Hinweis, daß seine Rechtsfolgen erst mit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der gerichtlichen Haft eintreten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 52 FrG als unzulässig zurück und führte begründend aus, der Beschwerdeführer befinde sich in gerichtlicher Strafhaft. Er sei nicht nach der Bestimmung des § 43 FrG festgenommen worden, er werde auch nicht unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten. Da ihm somit die Beschwerdelegitimation fehle, sei die Beschwerde zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FrG lauten:

"§ 41 Abs. 4: Die Verhängung der Schubhaft kann mit Beschwerde gemäß § 51 angefochten werden.

§ 70 Abs. 3 zweiter Satz: Gegen die Anordnung der Schubhaft ist weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

§ 51 Abs. 1: Wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, hat das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen.

§ 52 Abs. 4: Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden. Die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides ist jedoch als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Fremde vor der Festnahme deswegen auch den Verwaltungsgerichtshof angerufen hat."

2.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, seine Beschwerdelegitimation ergebe sich schon aus der Bestimmung des § 41 Abs. 4 FrG.

2.2. Dabei übersieht er, daß § 41 Abs. 4 nicht schlechthin von einem Beschwerderecht spricht, sondern die im § 51 umschriebene Beschwerde nennt. Diese steht aber nur Personen zu, die gemäß § 43 festgenommen worden sind oder unter Berufung auf das FrG angehalten werden. Da beim Beschwerdeführer unbestrittenermaßen keine der beiden Voraussetzungen zutrifft, stand ihm somit das Beschwerderecht nach § 51 FrG, auf welches § 41 Abs. 4 leg. cit. Bezug nimmt, nicht zu. Im Hinblick auf den im § 70 Abs. 3 FrG enthaltenen Ausschluß einer Berufung gegen den Schubhaftbescheid hätte der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid unmittelbar Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben können (siehe dazu auch Punkt 2.3.2.).

2.3.1. Mit diesem Verständnis, nämlich daß § 41 Abs. 4 FrG nicht schlechthin das Recht der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid an den unabhängigen Verwaltungssenat normiert, sondern die Beschwerde nur unter den im § 51 genannten Voraussetzungen zuläßt und daß bei Fehlen dieser Voraussetzungen die unmittelbare Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes möglich ist, stehen auch die Gesetzesmaterialien im Einklang. So wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FrG (692 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR XVIII. GP) zu § 41 unter anderem ausgeführt, daß eine unmittelbare Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes wegen des Schubhaftbescheides in der Regel nicht möglich sein werde, weil der vom Gesetz vorgegebene Instanzenzug (Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates) noch nicht erschöpft sei. Allerdings sei zu bedenken, daß die Beschwerde gemäß § 51 eine Freiheitsbeschränkung voraussetze. Solange der Fremde noch nicht in Haft sei, könne er eine derartige Beschwerde nicht einbringen. Es habe daher auch für jene - seltenen - Fälle eine Regelung getroffen werden müssen, in denen der Schubhaftbescheid zwar erlassen, der Fremde aber noch auf freiem Fuß sei. In diesen Fällen sei der administrative Instanzenzug infolge der Rechtskraft des Schubhaftbescheides erschöpft, eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes daher grundsätzlich möglich.

Diese in den Erläuterungen enthaltenen Überlegungen haben sinngemäß auch für jene Fälle zu gelten, in denen der Schubhaftbescheid zwar erlassen, der Fremde sich aber nicht in Schubhaft, sondern in Strafhaft befindet. Auch in diesen Fällen ist der Schubhaftbescheid nicht mit Beschwerde nach § 51 FrG bekämpfbar, weil der Fremde nicht "unter Berufung auf dieses Bundesgesetz" angehalten wird.

2.3.2. § 52 Abs. 4 letzter Satz FrG wurde im Ausschuß für innere Angelegenheiten neu formuliert. Dazu heißt es im Bericht dieses Ausschusses (869 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR XVIII. GP) wörtlich:

"Eine parallele Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates und des Verwaltungsgerichtshofes ist in zwei Konstellationen denkbar: Entweder der Betroffene ficht vor der Festnahme den daher zu diesem Zeitpunkt nicht nach § 51 bekämpfbaren Schubhaftbescheid beim Verwaltungsgerichtshof an und wendet sich nach der Festnahme an den unabhängigen Verwaltungssenat oder er sucht nach der Festnahme gleichzeitig Rechtsschutz bei der unabhängigen Verwaltungsbehörde und dem Höchstgericht. Im letzteren Fall soll der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges als unzulässig zurückweisen, im erstgenannten Fall soll das Zuvorkommen des Verwaltungsgerichtshofes gesichert werden; die Beschwerde gegen die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides ist daher vom unabhängigen Verwaltungssenat als unzulässig zurückzuweisen. Im übrigen bleibt die Prüfbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates, insbesondere jene gemäß § 52 Abs. 4 erster Satz selbstverständlich auch in diesen Fällen unberührt: ..."

2.3.3. Auch aus den zitierten Materialien zum FrG ergibt sich somit, daß vor der Festnahme der Schubhaftbescheid nicht mit Beschwerde nach § 51 FrG bekämpfbar ist, weshalb die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde mit Recht zurückgewiesen hat.

3. Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Instanzenzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180287.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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