TE Vfgh Beschluss 1991/2/26 B1066/90

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Veröffentlicht am 26.02.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgte
StGG Art9

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde mangels Vorliegen eines Aktes behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt; bloßes Betreten einer Wohnung keine Hausdurchsuchung

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, die mit S 12.500,-- bestimmten Verfahrenskosten dem Bund zu Handen der Finanzprokuratur binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit der vorliegenden, auf Art144 Abs1 (zweiter Satz) B-VG gestützten Beschwerde dagegen, daß am 24. August 1990 Organe der Bundespolizeidirektion Wien in ihrer Wohnung unzulässigerweise eine "Hausdurchsuchung" vorgenommen hätten und sie im Zuge dieser "Hausdurchsuchung" etwa eine halbe Stunde lang danach befragt hätten, wo sich ihr Stiefvater aufhalte.

Die Beschwerdeführerin beantragt die kostenpflichtige Feststellung, daß sie durch diese Maßnahmen in dem durch Art9 StGG geschützten Hausrecht sowie in anderen, näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei.

2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde legte einen über die inkriminierten Vorgänge verfaßten Bericht vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie begehrt, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen und ihr die Prozeßkosten zuzusprechen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Aufgrund des Beschwerdevorbringens, der Gegenschrift sowie des vorgelegten Berichtes der Bundespolizeidirektion Wien, Z II-7645-SB/90, nimmt der Verfassungsgerichtshof folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Am 24. August 1990 führten Organe der Bundespolizeidirektion Wien bei der Beschwerdeführerin in deren Wohnung in Wien 15, Felberstraße, eine Erhebung durch, welche im Zuge von strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Stiefvater der Beschwerdeführerin erfolgte. Die intervenierenden Beamten läuteten an der Wohnungstür der Beschwerdeführerin und forderten diese (nachdem ihnen die Wohnungstür geöffnet worden war) auf, einige Fragen zu beantworten. Nachdem die intervenierenden Beamten die Wohnung betreten hatten, befragten sie die Beschwerdeführerin im Wohnzimmer nach dem derzeitigen Aufenthaltsort ihres Stiefvaters.

Da die Beamten ohne weitere Nachschau bemerken konnten, daß sich eine weitere Person in der Küche der Wohnung aufhielt, fragten sie die Beschwerdeführerin, wer außer ihr noch in der Wohnung sei, woraufhin die Beschwerdeführerin den Beamten die Auskunft erteilte, daß sich außer ihr noch ihr Freund in der Wohnung aufhalte. Die Befragung durch die Beamten, die den Zweck hatte, von der Beschwerdeführerin den Aufenthaltsort ihres Stiefvaters zu erfahren, dauerte etwa 30 Minuten, jedoch konnte die Beschwerdeführerin darüber keine Auskunft geben und berief sich auch sinngemäß auf das ihr zustehende "Entschlagungsrecht" mit dem Hinweis, daß sie in der Kanzlei des ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreters ihres Stiefvaters beschäftigt sei.

Nachdem die Befragung erfolglos geblieben war, verließen die Beamten, ohne weitere Räume der Wohnung betreten zu haben, die Wohnung. Der Beschwerdeführerin wurde letztlich aufgetragen, ihrem Stiefvater bei einer allfälligen Zusammenkunft mitzuteilen, daß er sich unverzüglich bei der Polizei zu melden habe.

Das Beschwerdevorbringen sowie das Vorbringen in der Gegenschrift und der Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Berichtes stimmen bezüglich des Inhaltes der durch die Beamten vorgenommenen Befragung weitgehend überein, während die Angaben bezüglich der Art der Befragung divergieren. Da jedoch selbst in der Beschwerde lediglich vorgebracht wird, daß die Befragung in einer unhöflichen und einschüchternden Art erfolgt sei, jedoch nicht behauptet wird, daß die einschreitenden Beamten Gewalt angewendet hätten, können diese Unterschiede als rechtlich unbeachtlich gewertet werden.

Wenn letztlich die Beschwerdeführerin - entgegen den Darstellungen der belangten Behörde - angibt, die intervenierenden Beamten seien in ihre Wohnung "eingedrungen", so entbehrt die Beschwerde jeglicher Ausführung darüber, worin das "Eindringen" bestanden haben soll (eine Gewaltausübung seitens der Beamten wird nicht behauptet).

III. Der Verfassungsgerichtshof beurteilt diesen Sachverhalt rechtlich wie folgt:

1. Im vorliegenden Fall wurde von Seiten der einschreitenden Beamten keine wie immer geartete Gewalt angewendet. Es hat sich bei dem Einschreiten der Beamten - auch betreffend die Befragung der Beschwerdeführerin - um keinen Akt behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art144 Abs1 B-VG gehandelt. Insbesondere liegt keine Hausdurchsuchung vor. Das bloße Betreten einer Wohnung anläßlich der Suche nach einer Person ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht als Hausdurchsuchung anzusehen (vgl. zB VfSlg. 6328/1970, 6528/1971 sowie 8668/1979).

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953.

Diese Entscheidung konnte ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Hausrecht, Hausdurchsuchung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1066.1990

Dokumentnummer

JFT_10089774_90B01066_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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