TE Vfgh Beschluss 1991/2/26 B548/90, B549/90

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Veröffentlicht am 26.02.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Gerichtsakt
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
StGG Art9

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen eine Hausdurchsuchung in Vollziehung eines richterlichen Befehls; keine Überschreitung des richterlichen Auftrags

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. R und I N beantragen mit ihren auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof der Sache nach die kostenpflichtige Feststellung, sie seien am 14. März 1990 dadurch, daß für das Finanzamt Salzburg-Land einschreitende Organe im Hause P, 5101 Bergheim, in Überschreitung eines richterlichen Hausdurchsuchungsbefehls Räume durchsucht hätten, die die Beschwerdeführer in diesem Hause allein bewohnten, daß diese Organe darüber hinaus Privatalben und Tagebücher der Beschwerdeführer studiert hätten und jeweils die PKW der Beschwerdeführer durchsucht hätten, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, so auch im Hausrecht (Art9 StGG), verletzt worden.

Das belangte Finanzamt Salzburg-Land hat in einer Gegenschrift die Zurückweisung der Beschwerden beantragt.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

a) Die von den Beschwerdeführern bekämpfte Hausdurchsuchung fand in Vollziehung eines Befehls statt, den das Landesgericht Salzburg in der Strafsache gegen Dr. R N (Vater des R N und Gatte der I N) wegen §33 Abs1 FinStrG mit Beschluß vom 12. März 1990, ersichtlich in Handhabung des §197 FinStrG, Organen des örtlich zuständigen Finanzamtes Salzburg-Land erteilt hatte und der folgendermaßen lautet:

"Gemäß §§139 ff, 143 ff StGB wird die DURCHSUCHUNG der Geschäftsräumlichkeiten der Firmen C A Ges.m.b.H., A V Ges.m.b.H., B Ges.m.b.H., T H Ges.m.b.H., E Ges.m.b.H., S Ges.m.b.H., Dr. N & N U Ges.m.b.H. und der Einzelfirma Dr. N, alle in 5101 Bergheim, P, sowie der unter dieser Anschrift befindlichen Privaträumlichkeiten des Beschuldigten Dr. R N und die BESCHLAGNAHME von Beweismaterial, wie insbesondere von Aufzeichnungen über getätigte Umsätze, Einnahmen aus Honorarabrechnungen und Vermittlungsprovisionen, Sparbüchern, Bankkonten und sonstigen Unterlagen, die mit der Geschäftstätigkeit des Beschuldigten Dr. R N im Zusammenhang stehen, angeordnet."

b) Angesichts des Vorliegens eines Gerichtsauftrages wäre eine auf Art144 B-VG gegründete Beschwerde gegen Amtshandlungen der Verwaltungsbehörde nur zulässig, wenn die hier in Durchführung des richterlichen Befehles amtshandelnden (Verwaltungs-)Organe ihre Ermächtigung überschritten hätten (zB VfSlg. 5012/1965, 7203/1973, 9269/1981).

Zur Beurteilung des Sachverhaltes liegen dem Verfassungsgerichtshof neben den Beschwerden die Verwaltungsakten, die Gegenschrift der belangten Behörde sowie eine ergänzende Äußerung der Beschwerdeführer vor. Aus diesen Unterlagen ergibt sich, daß die im Haus P, 5101 Bergheim, wohnhaften beiden Beschwerdeführer - abgesehen von ihrem nahen Verwandtschaftsverhältnis zu Dr. R N - in aufrechten Angestelltenverhältnissen zu vom Durchsuchungsbefehl umfaßten Firmen mit Sitz im selben Haus standen, und zwar I N zur Firma "A V" und R N zur Firma "Dr. R N". Aufgrund dessen bezogen die einschreitenden Organe zunächst folgende Räumlichkeiten in die Hausdurchsuchung mit ein: Im ersten Stock des Hauses das Schlafzimmer, das Zimmer der Tochter, das Bad, das Zimmer und das Büro des Beschwerdeführers R N sowie das Büro des Dr. R N; im Erdgeschoß das Wohnzimmer, die Küche sowie das Vorzimmer und darüber hinaus den Dachboden und die Kellerräume. In einem Vorraum des Hauses befindliche Alben wurden durchsucht und in ihnen vom Durchsuchungsbefehl umfaßte Beweismittel gefunden. Weiters erschien es den einschreitenden Beamten notwendig, sich davon zu vergewissern, daß sich in den von R und I N benützten PKW keine Unterlagen befanden, die vom Hausdurchsuchungsbefehl umfaßt waren, zumal die PKW mit den Kennzeichen S ... und S ... als Firmenautos für die Firmen Dr. N und N Ges.m.b.H. und E Ges.m.b.H. zugelassen waren (nicht allerdings der auf I N zugelassene PKW S ...).

Daraus ergibt sich, daß eine den Verwaltungsbehörden zuzurechnende Überschreitung des richterlichen Auftrages nicht vorliegt. Insbesondere kann eine derartige Überschreitung nicht darin erblickt werden, daß bei der Hausdurchsuchung verschiedene Behältnisse, Alben und Räume geöffnet wurden, um festzustellen, ob diese ausschließlich der privaten Verfügung der Beschwerdeführer dienten; schon im Hinblick auf die für einen Außenstehenden schwierige Abgrenzung der Wohnverhältnisse im Haus war für die einschreitenden Organe keineswegs von vornherein erkennbar, welche Räumlichkeiten oder Behältnisse nur zu privaten Zwecken der Beschwerdeführer benützt wurden. Auch wenn die Beschwerdeführer tatsächlich, wie sie in ihrer ergänzenden Äußerung - welche diesbezüglich im Widerspruch zu der von der belangten Behörde vorgelegten Gegenschrift steht - behaupten, die einschreitenden Organe darauf hingewiesen haben, daß bestimmte Räume von ihnen ausschließlich privat und nicht auch als Arbeitsräume (Geschäftsräumlichkeiten) im Rahmen ihrer Dienstverhältnisse zu den Firmen im selben Haus benützt würden, so kann den einschreitenden Organen - insbesondere im Hinblick auf das nahe Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und Dr. R N sowie der bei den gegebenen Verhältnissen keineswegs leichten Unterscheidbarkeit zwischen Räumen für Geschäfts- und für Privatzwecke - nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie sich selbst vom Wahrheitsgehalt dieser Aussagen zu überzeugen suchten. Es mußte den einschreitenden Organen zum Zwecke einer effizienten Durchführung der angeordneten Hausdurchsuchung gestattet sein, Handlungen zu setzen, durch die für sie eine deutliche Abgrenzung zwischen den vom Hausdurchsuchungsbefehl umfaßten und anderen Räumlichkeiten und Gegenständen möglich war. Daß sie dabei entgegen dem richterlichen Durchsuchungsbefehl vorgegangen wären, konnte nicht erwiesen werden.

c) Angefochten sind also Gerichtsakte.

Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, gerichtliche Entscheidungen aufgrund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen (vgl. zB VfSlg. 8905/1980).

Die vorliegenden Beschwerden waren sohin allein schon wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 8248/1978, 8905/1980), ohne daß darauf eingegangen zu werden brauchte, ob die PKW überhaupt dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz des Hausrechtes unterlagen, was nur der Fall wäre, wenn sie ihrer Bestimmung nach einer "Räumlichkeit" gleich verwendet worden wären, die nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vom Gesetz zum Schutz des Hausrechtes erfaßt wird (vgl. zB VfSlg. 9525/1982 sowie die dort angeführte Vorjudikatur).

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z1 lita VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Hausrecht, Hausdurchsuchung, richterlicher Befehl

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B548.1990

Dokumentnummer

JFT_10089774_90B00548_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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