TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/16 92/01/0769

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Veröffentlicht am 16.09.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1992, Zl. 4.328.647/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der "früheren SFRJ", reiste am 8. November 1991 von Italien kommend in das Bundesgebiet ein und beantragte (bereits damals anwaltlich vertreten) am 20. November 1991 zugleich mit ihrem Sohn und ihrer Tochter Asyl. In ihrem Asylansuchen gab sie im wesentlichen an, ihre Kinder seien halbafrikanischer Abstammung, was man ihnen auch ansehe. Aus diesem Grunde seien sie und auch ihr Sohn beim Militär ständig ernsthaften Benachteiligungen, Ausgrenzungen und Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Es habe ein sehr schweres Leben bedeutet, mit einem Afrikaner Kinder zu haben oder Halbafrikaner zu sein. Am 6. Oktober 1991 sei ihr Sohn vom lokalen Armeebüro telefonisch gesucht worden. Zunächst habe die Tochter das Gespräch geführt und wahrheitswidrig behauptet, daß sich ihr Bruder nicht in der Stadt befinde. Die Beschwerdeführerin selbst habe dann, gleichfalls wahrheitswidrig, präzisiert, er sei beim Fischen. Der Anrufer habe ihnen schließlich aufgetragen, dem Sohn auszurichten und dafür zu sorgen, daß er sich um 16.00 Uhr auf einem bestimmten Schulhof einzufinden habe. Dort werde ihm eine "wichtige Nachricht" zur Kenntnis gebracht werden. Die Beschwerdeführerin habe von anderen Reservisten in der Umgebung jedoch gewußt, daß es sich bei dieser "Information" um eine Mobilmachung der Betroffenen handelte, die sofort an Ort und Stelle die Waffen "ausgefaßt" hätten und ohne Verzug an die Front transportiert worden wären. Die Beschwerdeführerin habe sofort organisiert, daß ihr Sohn die Nacht anstatt zu Hause bei einer bekannten Familie in Belgrad habe verbringen können. Am frühen Morgen des nächsten Tages sei die ganze Familie über Ungarn, Österreich zunächst nach Rom, ein Monat später dann nach Wien geflüchtet. Ihr Sohn habe Jugoslawien deswegen verlassen müssen, weil er es mit seiner religiösen Überzeugung nicht vereinbaren habe können, unschuldige Menschen zu töten und weil die kriegerischen Auseinandersetzungen ohne die geringste Beachtung der internationalen Kriegsregeln und Menschenrechte geführt würden. Er, als Halbafrikaner, habe damit rechnen müssen, von seinem serbischen Vorgesetzten und von anderen Soldaten so behandelt zu werden, daß er keine Überlebenschance gehabt hätte. Dasselbe hätte für den Fall gegolten, daß er in die Hände der Gegner gefallen wäre. Dem Mobilisierungsbefehl Folge zu leisten, hätte glatten Selbstmord bedeutet. Ohne die Hilfe der Beschwerdeführerin wäre ihm die Flucht nicht gelungen. Im Fall der Rückkehr nach Jugoslawien hätte der Sohn mit einer jahrelangen Gefängnisstrafe oder sogar Todesstrafe zu rechnen, ebenso wie sie selbst und ihre Tochter infolge der wahrheitswidrigen Aussagen vor den Militärbehörden. Es gäbe für die ganze Familie keine Möglichkeit, in die Heimat zurückzukehren.

Ergänzend zu den Ausführungen im Asylantrag gab die Beschwerdeführerin, niederschriftlich befragt, am 9. Jänner 1992 noch weiters an, sie habe das Militär hintergangen, um das Leben ihres Sohnes zu retten. Dieses Vorgehen stelle eine Sabotage des Militärs dar und würde mit harten Strafen geahndet werden.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzung des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht erfülle und nicht Flüchtling im Sinne des AsylG sei. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß der erstinstanzliche Bescheid nur aus einem Formular bestehe, in dem ihre persönlichen Daten eingesetzt und auf ihr umfangreiches Vorbringen im Asylantrag nicht entsprechend eingegangen worden sei. Dem erstinstanzlichen Bescheid hafte daher sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an. Ergänzend zur Wiederholung ihres Vorbringens im Asylantrag führte sie aus, daß die aufgenommenen Beweise entsprechend zu würdigen gewesen wären, was im Bescheid auch einen konkreten Niederschlag hätte finden müssen. Aufgrund der Vorbereitung der Desertion ihres Sohnes könne der Beschwerdeführerin eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht zugemutet werden, da sie nicht nur vor strafgerichtlicher Verfolgung, sondern auch unabhängig davon von seiten serbischer Fanatiker aus der näheren Umgebung an Leib und Leben bedroht sei.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes, über die der Verwaltungsgerichgshof erwogen hat:

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde - die im Beschwerdefall das Asylgesetz 1991 anzuwenden hatte, da das Verfahren bei ihr am 1. Juni 1992 anhängig war (§ 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991) - ihrer Entscheidung das Ermittlungsverfahren erster Instanz zugrunde zu legen hatte (vgl. § 20 leg. cit.).

Wenn die belangte Behörde aufgrund der in diesem Verfahren gemachten Angaben, insbesondere den Angaben anläßlich der Ersteinvernahme, zur Auffassung gelangt ist, der Beschwerdeführerin sei es nicht gelungen, hinreichend darzutun, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründe verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befinde und sie nicht als Flüchtling im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen sei, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Die Beschwerdeführerin hat jene Beeinträchtigungen, denen sie aufgrund ihrer Verbindung mit einem Afrikaner und der Geburt zweier - somit halbafrikanischer - Kinder ausgesetzt sei, weder im erstinstanzlichen Verfahren und nicht einmal in ihrer Berufung näher dargelegt. Die in diesem Zusammenhang in der Beschwerde vorgebrachte Befürchtung, das Leben der Beschwerdeführerin sei, weil sie einen Afrikaner als Partner gewählt und mit ihm auch Kinder bekommen habe, unter den derzeit in ihrem Heimatland herrschenden Verhältnissen, insbesondere der "haßerfüllten Athmosphäre, in der das Leben keinen Pfifferling wert sei", außerordentlich bedroht, beruht lediglich auf Vermutungen und ist wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbotes unbeachtlich (§ 41 VwGG). Der Befürchtung der Beschwerdeführerin, wegen der Unterstützung ihres Sohnes, sich dem Militärdienst zu entziehen, drohe ihr erhebliche Bestrafung, kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil im Verwaltungsverfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, daß die Unrichtigkeit ihrer Angaben über den Aufenthalt ihres Sohnes den Militärbehörden ihres Heimatlandes gegenüber in der Zwischenzeit dort bekannt geworden sei oder aufgrund welcher Umstände damit zu rechnen sei, daß sie ihnen noch bekannt werden würde (vgl. auch Erkenntnis vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0066).

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist daher die belangte Behörde in ausreichendem Ausmaß auf ihr Vorbringen, daß sie aufgrund ihrer Beziehung zu einem Afrikaner Benachteiligungen hinzunehmen gehabt habe, eingegangen, weshalb der Verfahrensrüge ebenfalls keine Berechtigung zukommt.

Die Beschwerde war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010769.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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