TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/20 93/10/0081

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Veröffentlicht am 20.09.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
80/02 Forstrecht;

Norm

ABGB §354;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §19 Abs10;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des J in R, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 5. März 1993, Zl. 18.322/07-IA8/93, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Aktiengesellschaft,

5020 Salzburg, Alpenstraße 94), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 5. Jänner 1993 wurde "der Tauernautobahn AG, Zweigniederlassung Klagenfurt, für die Republik Österreich" die Rodungsbewilligung für Teilflächen von 2.875 m2 aus der Waldparzelle 777/1 und 780 m2 aus der Waldparzelle 778/1, beide KG R, zum Zweck der Errichtung eines Trapezgerinnes samt Absetzbecken sowie zum Ausbau und zur Befestigung einer Forststraße als Zufahrt zu Autobahneinrichtungen erteilt. Die Tauernautobahn AG ist die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei.

Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, die Behauptung im bekämpften Bescheid, die Rodungsflächen seien mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Kärnten vom 6. Oktober 1988 und vom 23. Juli 1992 nach dem Bundesstraßengesetz eingelöst worden und es sei die "Tauernautobahn AG - Republik Österreich" derzeit außerbücherliche Eigentümerin dieser Teilflächen, treffe nicht zu. Er sei nach wie vor Eigentümer dieser Flächen und er sei mit einer Rodung, wie er schon in der mündlichen Verhandlung vor der Forstbehörde erster Instanz dargelegt habe, nicht einverstanden.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und das Ausmaß der Rodefläche aus dem Grundstück 778/1 von 780 m2 auf 180 m2 gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigt. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, es stehe fest, daß mit den Bescheiden des Landeshauptmannes von Kärnten vom 6. Oktober 1988 und vom 23. Juli 1992 die verfahrensgegenständlichen Flächen nach dem Bundesstraßengesetz zu Gunsten der Tauernautobahn AG eingelöst worden seien und die Tauernautobahn AG derzeit als außerbücherliche Eigentümerin dieser Teilflächen anzusehen sei. Dies bedeute, daß der Beschwerdeführer noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sei. Für das Rodungsverfahren wesentlich sei lediglich, daß die Tauernautobahn AG als Zuständige zur Wahrnehmung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 (im folgenden ForstG) den Rodungsantrag gestellt habe, wobei die jeweiligen Grundeigentümer Parteien im Rodungsverfahren seien. Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers sei auszuführen, daß er sich zwar global gegen die gegenständliche Rodungsbewilligung ausspreche, die Rodung in der Natur jedoch bereits vollzogen worden sei. Fragen der Entschädigung betreffend das Grundablöseverfahren seien nicht Gegenstand des Rodungsverfahrens und seien bereits mit den genannten Bescheiden des Landeshauptmannes von Kärnten als Bundesstraßenbehörde erster Instanz abgehandelt worden. Die durch den Bau aufgetretenen Windschäden im Bereich der Parzelle 771 der KG R seien dem Beschwerdeführer jedenfalls gemäß der Bescheidvorschreibung abzugelten. Da letztlich gegen das bereits vollzogenen Rodungsprojekt keine begründeten Vorwürfe vom Beschwerdeführer erhoben worden seien, die eine Versagung der Rodungsbewilligung rechtfertigten, habe unter Berücksichtigung der Ausführungen des forsttechnischen Amtssachverständigen die angefochtene Entscheidung bestätigt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, die Rodungsbewilligung beziehe sich auch auf Teile der Parzellen des Beschwerdeführers, die von einer Grundeinlöse im Rahmen der Autobahnerrichtung bzw. Errichtung des Trapezgerinnes samt Forststraße als Zufahrt zu Autobahneinrichtungen nicht umfaßt seien. Hinsichtlich dieser Teilflächen liege daher das öffentliche Interesse nicht vor. Im Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Juli 1992 sei ausdrücklich festgehalten, daß der Waldweg Nr. 6 in M, nicht projektgemäß ausgebaut werde, sondern der Neuausbau am bestehenden Waldweg im Einvernehmen mit dem Liegenschaftseigentümer (das sei der Beschwerdeführer) in einer Breite von 4,5 m, davon 3,5 m befestigte Fahrbahn, erfolge. Tatsächlich habe die belangte Behörde diesem Umstand nicht Rechnung getragen und die Rodungsbewilligung auch für Teilflächen, deren Rodung nicht mehr im öffentlichen Interesse gelegen sei, ausgesprochen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Das Vorbringen in der Gegenschrift läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Beschwerdeausführungen aktenwidrig seien. Die beantragte Rodefläche bewege sich im Rahmen der Enteignungsfläche, für welche die mitbeteiligte Partei außerbücherlich originäres Eigentum erworben habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Nach § 17 Abs. 2 leg. cit. kann unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Nach § 17 Abs. 3 ForstG sind öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere begründet in der Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Argrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen.

Wird aufgrund eines Antrages gemäß § 19 Abs. 2 lit. b - das ist ein Antrag durch die zur Wahrnehmung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 17 Abs.2 ForstG Zuständigen - eine Rodungsbewilligung erteilt, (so darf) nach § 19 Abs. 10 ForstG die Rodung erst durchgeführt werden, wenn derjenige, zu dessen Gunsten die Rodungsbewilligung erteilt worden ist, das Eigentumsrecht oder ein sonstiges dem Rodungszweck entsprechendes Verfügungsrecht an der zur Rodung bewilligten Waldfläche erworben hat.

Wie aus § 19 Abs. 10 ForstG deutlich wird, ist in Fällen einer Antragstellung durch Träger öffentlicher Interessen die Erteilung einer Rodungsbewilligung nicht davon abhängig, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Rodungsbewilligung erteilt werden soll, das Eigentumsrecht oder ein sonstiges dem Rodungszweck entsprechende Verfügungsrecht hat. Eigentumsrecht oder sonstige Verfügungsrechte sind jedoch erforderlich, damit der Begünstigte von einer erteilten Rodungsbewilligung Gebrauch machen kann.

Auch wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen sollte, daß sich die Rodungsbewilligung (auch) auf Flächen erstreckt, die nicht im Eigentum der mitbeteiligten Partei, sondern in seinem Eigentum stehen, würde dieser Umstand allein nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führen. Andererseits würde auch das von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei behauptete (außerbücherliche) Eigentum der mitbeteiligten Partei an den gesamten Rodungsflächen für sich allein noch nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gewährleisten.

§ 17 ForstG verpflichtet die Forstbehörde zu einer Interssenabwägung. Eine solche Interessenabwägung setzt voraus, daß festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche besteht und welches Ausmaß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung aufweist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1993, Zl. 91/10/0068 und die dort angeführte Vorjudikatur). Im Zuge der von § 17 leg. cit. vorgeschriebenen Interessenabwägung ist auch zu prüfen, ob für das Vorhaben, um das es geht, die Inanspruchnahme von Waldflächen überhaupt und bejahendenfalls in welchem Umfang erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1992, Zl. 91/10/0156 und die dort angeführt Vorjudikatur).

Entsprechende Feststellungen und eine darauf aufbauende Interessenabwägung fehlen im Beschwerdefall zur Gänze. Es wird zwar grundsätzlich davon auszugehen sein, daß die Errichtung von Anlagen der im Beschwerdefall in Rede stehenden Art (Trapezgerinne mit Absetzbecken, Zufahrtsweg), die dem Betrieb und der Erhaltung einer Autobahn dienen, im öffentlichen Interesse des Straßenverkehrs gelegen ist. Daß Anlagen dieser Art im öffentlichen Interesse gelegen sind, besagt aber noch nichts darüber, ob dies auch für die konkrete Ausgestaltung solcher Anlagen zutrifft. Ein solches Urteil setzte eine Prüfung der betreffenden Anlage am Maßstab des § 17 ForstG voraus, die aber im Beschwerdefall völlig unterblieben ist. Die Forstbehörde hätte insbesondere zu prüfen gehabt, ob das Projekt Waldboden nur im unbedingt notwendigen Ausmaß in Anspruch nimmt oder ob es darüber hinaus geht. Ein Indiz - das der Forstbehörde allerdings eine selbständige Prüfung und Bewertung nicht gänzlich ersparen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1992, Zl 92/10/0002) - für die Annahme, die verfahrensgegenständlichen Anlagen seien im öffentlichen Interesse des Straßenverkehrs gelegen, könnte es sein, wenn diese Anlagen in Umfang und Ausgestaltung denen entsprächen, für die in den Bescheiden des Landeshauptmannes von Kärnten die Enteignung zu Gunsten der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) ausgesprochen wurde. Ob dies zutrifft, läßt sich aber dem Verwaltungsakt nicht entnehmen; es scheint in bezug auf die Zufahrtsstraße die Aktenlage eher das Gegenteil zu indizieren. Im Spruch des Enteignungsbescheides vom 23. Juli 1992 wird folgendes "festgehalten":

"1. Der Waldweg Nr. 6 in M wird nicht projektgemäß (Zl. 8 BauR3-131-151/2/1988) ausgebaut. Der Neuausbau erfolgt am bestehenden Waldweg Nr. 6 in M im Einvernehmen mit dem Liegenschaftseigentümer in einer Breite von 4,50 m (davon 3,50 m befestigte Fahrbahn).

2.Sollte der Waldweg Nr. 6 in M im Eigentum des Liegenschaftseigentümers verbleiben (eventuell Übernahme in das öffentliche Gut), so erteilt der Liegenschaftseigentümer bereits jetzt die Zustimmung zur Einräumung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens für Lastkraftwagen zu Gunsten der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung - Erhaltungsdienst)."

Daraus ist zu entnehmen, daß jenes Projekt eines Zufahrtsweges, für das im Enteignungsbescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 6. Oktober 1988, Zl. 8 BauR3-131-151/2/1988 Flächen enteignet wurden, nicht verwirklicht werden soll, sondern ein anderes Projekt, wobei die Frage, ob die für den Wegausbau in Anspruch genommenen Flächen im Eigentum des Beschwerdeführers verbleiben oder an einen anderen Rechtsträger übertragen werden sollen, offen blieb.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Der Vollständigkeit halber wird noch auf folgendes hingewiesen:

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß die für die Rodung in Anspruch genommenen Flächen tatsächlich in das Eigentum der mitbeteiligten Partei oder eines anderen Rechtsträgers übergegangen sind, so wird sich die belangte Behörde mit der Parteistellung des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben. Weiters wird die belangte Behörde auch die Frage zu klären haben, wer den Rodungsantrag gestellt hat. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ist als Antragsteller die mitbeteiligte Partei bzw. deren Rechtsvorgängerin angeführt. Im Akt findet sich aber lediglich ein Antrag des Amtes der Kärntner Landesregierung, aus dem nicht hervorgeht, für wen diese Dienststelle tätig geworden ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993100081.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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