TE Vwgh Beschluss 1993/9/21 93/04/0140

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Veröffentlicht am 21.09.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
50/02 Sonstiges Gewerberecht;

Norm

AVG §56;
AVG §63 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
GewO 1973 §360 Abs1 idF 1993/029;
GewO 1973 §360 Abs1;
GewRNov 1992;
StGG Art2;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/04/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, in der Beschwerdesache des E in W, vertreten durch Dr. E, RA in W, gegen 1. die Verfahrensanordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 1. 7. 1993, betr Aufforderung nach § 360 Abs. 1 GewO 1973 und 2. den Bescheid des BM für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. 1. 1993, Zl. 315.317/3-III/3/92, betr Verfahren gemäß § 79 GewO 1973, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit der Verfahrensanordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 1. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer als Inhaber der Betriebsanlage in W, S-Gasse 44, gemäß 360 Abs. 1 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBL. Nr. 29/1973, aufgefordert, innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung dieser Verfahrensanordnung - da der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 und 4 leg. cit. bestehe - den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand in der Weise herzustellen, daß die Teile des Betriebes, für die infolge mehr als dreijährigen Nichtbetriebes die Betriebsanlagengenehmigung erloschen sei, das sei der gesamte Tankstellenbereich und damit verbunden die Abgabe von Treibstoffen sowie die Vornahme von mit der Inbetriebnahme der

betriebsanlagengenehmigungspflichtigen Maschinen (Hebebühnen, Kompressor, Schlagschrauber, Reifenwuchtgerät, Staubsauger) verbundenen Servicetätigkeiten in den beiden an der hinteren Grundstücksgrenze befindlichen Serviceboxen wie auch im Hof, zu schließen und die Vornahme der vorgenannten Tätigkeiten zu unterlassen seien.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Jänner 1993 wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Juni 1992, mit welchem für die Tankstelle mit Servicestation im gegenständlichen Standort zusätzliche Auflagen vorgeschrieben wurden, im Grunde des § 79 GewO 1973 behoben. Zur Begründung dieses Bescheides führte der Bundesminister aus, mit einer Reihe von Bescheiden, zuletzt vom 14. Juli 1983 seien gewerbebehördliche Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb einer Tankstelle bzw. deren Änderungen am Standort W, S-Gasse 44, erteilt worden. Mit Schriftsatz vom 12. April 1984 habe die damalige Betriebsinhaberin J um die gewerbebehördliche Genehmigung der neuerlichen Änderung der Anlage angesucht. Das geänderte Projekt habe den Verkauf von Petroleum sowie Petroleumöfen anstelle der Abgabe von Treibstoffen umfaßt. Eine Treibstofftankstelle sei spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr betrieben worden. Weiters hätten die ehemaligen Kfz-Serviceräume nur mehr der Lagerung von Ölfässern und Kunststoff-Leergebinden gedient. Mit Bescheid vom 21. Jänner 1985 habe das Magistratische Bezirksamt für den

18. Bezirk hiefür die Änderungsgenehmigung erteilt. Mit Bescheid vom 19. Juni 1992 habe der Landeshauptmann von Wien für die "Tankstelle mit Servicestation" im gegenständlichen Standort zusätzliche Auflagen, die ein Falt- und Schwenktor der Tankstelle betrafen, vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid habe die Nachbarin S Berufung erhoben. Die Vorschreibung von zusätzlichen Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1973 sei nur zur Hintanhaltung von Immissionen, die von einer genehmigten Anlage bzw. einem genehmigten Anlagenteil hervorgerufen würden, zulässig. Die Auflagen des Landeshauptmannes von Wien bezögen sich auf eine Tankstelle mit Servicestation. Wie sich aus dem Sachverhalt jedoch ergebe, liege für eine derartige Anlage eine gewerbebehördliche Genehmigung nicht mehr vor, da gemäß § 80 Abs. 1 GewO 1973 die Genehmigung dieser Anlagenteile durch mehr als dreijährigen Nichtbetrieb erloschen sei. Der Genehmigungsumfang des Bescheides des Magistratischen Bezirksamtes vom 21. Jänner 1985 erfasse nämlich nicht den Betrieb einer Tankstelle samt Servicestation.

Gegen diese behördlichen Erledigungen richtet sich die

vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verfahrensanordnung anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1, 3 oder 4 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z. 26 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 78 Abs. 4 oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie Stillegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes, zu verfügen.

§ 63 AVG unterscheidet von den Bescheiden (Abs. 1) "nur das Verfahren betreffende Anordnungen" (Abs. 2), gegen die eine abgesonderte Berufung ausgeschlossen ist und welche daher auch vor dem Verwaltungsgerichtshof selbständig nicht angefochten werden können (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 16. Dezember 1986, Zl. 86/04/0044).

Daraus, daß sich der Gesetzgeber in der durch die Gewerberechtsnovelle 1992 neu gefaßten Bestimmung des § 360 Abs. 1 GewO 1973 dieses von ihm in der Rechtsordnung bereits vorgefundenen Begriffes der Verfahrensanordnung bediente, ist sein Wille abzuleiten, daß gegen solche nach § 360 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 ergehende Aufforderungen weder eine abgesonderte Berufung noch die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes stattzufinden hat.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, diese Regelung wäre unsachlich. Mit der in Rede stehenden Verfahrensanordnung wird nämlich keineswegs in Rechte des Gewerbeausübenden bzw. des Anlageninhabers eingegriffen. Das Wesen dieser Verfahrensanordnung erschöpft sich vielmehr in der Bekanntgabe der Rechtsansicht der belangten Behörde über die Gesetzwidrigkeit der Gewerbeausübung bzw. des Betriebes der Betriebsanlage, verbunden mit der nicht weiter sanktionierten Aufforderung, innerhalb der gesetzten Frist den gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Erst wenn die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist, hat die Behörde durch Bescheid die im Gesetz vorgesehenen und allenfalls auch durch Vollstreckungsmaßnahmen durchsetzbaren Maßnahmen zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes anzuordnen. Es trifft daher insbesondere nicht zu, daß der im § 360 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 vorgesehenen Verfahrensanordnung in Wahrheit Bescheidcharakter zukäme.

Aus diesen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht, wie in der Beschwerde angeregt, veranlaßt, hinsichtlich dieser Gesetzesstelle beim Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu beantragen.

2.) Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem, dieselbe Betriebsanlage betreffenden und über eine Beschwerde desselben Beschwerdeführers ergangenen Beschluß vom 21. Juni 1993, Zl. 92/04/0275, dargetan, daß durch einen Bescheid, mit dem im Instanzenzug eine von einer Unterbehörde nach § 79 GewO 1973 vorgeschriebene Auflage behoben wird - unabhängig von der einem solchen Bescheidspruch beigegebenen Begründung - der Betriebsinhaber nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten auf Ausübung seiner Gewerberechte und auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verletzt sein kann und daher eine gegen einen solchen Bescheid erhobene Beschwerde des Betriebsinhabers unzulässig ist. Zur näheren Begründung genügt es in Anwendung der Bestimmung des § 43 Abs. 2

zweiter Satz VwGG auf diesen Beschluß zu verweisen.

Es erweist sich somit die Beschwerde sowohl in ihrem gegen die Verfahrensanordnung vom 1. Juli 1993 als auch in ihrem gegen den Bescheid vom 2. Jänner 1993 gerichteten Teil als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Verfahrensanordnungen Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten in welchen die Anrufung des VwGH ausgeschlossen ist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993040140.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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