TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/21 92/08/0239

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Veröffentlicht am 21.09.1993
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Index

L92108 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Vorarlberg;
L92608 Blindenbeihilfe Vorarlberg;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/01 Jurisdiktionsnorm;

Norm

ABGB §7;
BehindertenG Vlbg 1964 §2 Abs1 litc;
BehindertenG Vlbg 1964 §2 Abs2;
BehindertenG Vlbg 1964 §2 Abs3;
JN §66;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der S in B, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 12. Oktober 1992, Zl. IVa-84/68/90, betreffend Einstellung des Pflegegeldes nach dem Behindertengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde gewährte der in B Nr. 30 wohnhaften Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 28. November 1990 Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz, LGBL.Nr. 25/1964.

Die Beschwerdeführerin nahm an einem vom 24. September 1992 bis 10. März 1993 dauernden Lehrgang Grundrehabilitation in der Bundesrepublik Deutschland, V, teil. Die Kosten hiefür wurden von der belangten Behörde (gemeint: Land Vorarlberg), der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und dem Landesarbeitsamt (gemeint: Bund) zu gleichen Teilen getragen.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde die Gewährung des Pflegegeldes mit Wirkung vom 1. Oktober 1992 bis auf weiteres, längstens jedoch für die Dauer der Ausbildung im Berufsförderungswerk V, zur Gänze ein. In der Begründung wurde ausgeführt, daß gemäß § 5 Abs. 1 des Behindertengesetzes unter anderem das Pflegegeld einzustellen sei, wenn die für die Feststellung maßgebenden Umstände sich so geändert haben, daß das Pflegegeld zu entfallen habe. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c des Behindertengesetzes hätten Personen nur dann Anspruch auf ein Pflegegeld, wenn sie im Lande Vorarlberg ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Während des Aufenthaltes im Berufsförderungswerk V vom 24. September 1992 bis 10. März 1993 seien die Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes nicht mehr gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall noch anzuwendenden Bestimmungen des Gesetzes über die Fürsorge für Behinderte (Behindertengesetz), Vorarlberger Landesgesetzblatt Nr. 25/1964, in der Stammfassung lauten:

"§ 2. (1) Anspruch auf ein Pflegegeld haben körperbehinderte Personen (§ 1), wenn sie

...

c) seit mindestens 2 Jahren ununterbrochen im Lande Vorarlberg ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und

...

(2) Eine vorübergehende Abwesenheit bis zu zwei Monaten gilt nicht als Unterbrechung des Aufenthaltes nach Abs. 1 lit. c. Der Aufenthalt in einem anderen Bundesland wird einem Aufenthalt in Vorarlberg gleichgehalten, sofern dieses Bundesland die gleiche Begünstigung gewährt.

(3) Körperbehinderten, die nach Zuerkennung eines Pflegegeldes im Sinne dieses Gesetzes ihren Aufenthalt dauernd in ein anderes Bundesland verlegen, ist, sofern dieses Bundesland gleichartige Leistungen erbringt, das Pflegegeld bei Fortbestand der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen solange weiter zu gewähren, bis sie nach den Gesetzen dieses Bundeslandes einen Anspruch auf eine dem Pflegegeld gleichartige Leistung erlangt haben, längstens jedoch für einen Zeitraum von 2 Jahren nach Aufgabe des Aufenthaltes in Vorarlberg.

(4) Anspruch auf Pflegegeld besteht nicht, wenn ein Körperbehinderter eine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit nicht ausübt oder von einer ihm gebotenen Möglichkeit zur Erlangung der Erwerbsfähigkeit keinen Gebrauch macht.

§ 4 ...

(3) Das Pflegegeld entfällt, wenn die hiefür erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

...

§ 5. (1) Das Pflegegeld ist auf Antrag oder von Amts wegen neu festzustellen, wenn die für die Feststellung maßgebenden Umstände sich so geändert haben, daß das Pflegegeld zu entfallen hat oder sich mindestens um 10 v. H. des vollen Pflegegeldes ändern würde.

(2) Die Empfänger eines Pflegegeldes sind verpflichtet, jede Änderung in dem für die Gewährung des Pflegegeldes maßgebenden Verhältnissen sowie jede Änderung ihres gewöhnlichen Aufenthaltes binnen 2 Wochen der Landesregierung anzuzeigen, Änderungen des Gesamteinkommens jedoch nur dann, wenn sie 10 v. H. des vollen Pflegegeldes übersteigen. Die Nichterfüllung der Anzeigepflicht wird als Verwaltungsübertretung bestraft."

Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß tatsächlich davon auszugehen sei, daß sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Lande Vorarlberg habe. Durch ihren vorübergehenden Aufenthalt im Berufsförderungswerk V werde der gewöhnliche Aufenthalt im Lande Vorarlberg keinesfalls aufgehoben. Gemäß § 66 JN bestimme sich der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ausschließlich nach tatsächlichen Umständen. Für die Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher anzusehen sei, seien seine Dauer und seine Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauernde Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Der gewöhnliche Aufenthalt werde allerdings durch eine vorübergehende Abwesenheit nicht aufgehoben. Der gewöhnliche Aufenthalt müsse damit nicht notwendig ein ständiger Aufenthalt sein. Eine bloß vorübergehende Abwesenheit wegen Krankenhausaufenthalt, Urlaub oder wie im konkreten Fall zu Ausbildungszwecken beende den gewöhnlichen Aufenthalt nicht. Die Ausbildung der Beschwerdeführerin sei von vornherein befristet. Selbstverständlich werde sie nach Absolvierung ihrer Ausbildung ihren Beruf im Land Vorarlberg ausüben. Die Voraussetzungen für eine weitere Gewährung des Pflegegeldes seien daher gegeben.

Diesen Ausführungen ist nicht zuzustimmen. § 2 Abs. 1 lit. c des Vorarlberger Behindertengesetz nennt als eine der Voraussetzungen für einen Anspruch auf ein Pflegegeld ausdrücklich den gewöhnlichen Aufenthalt der körperbehinderten Person seit mindestens 2 Jahren ununterbrochen im Lande Vorarlberg. Eine Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Im Zusammenhang mit Abs. 2 und 3 des § 2 leg. cit. erhellt, daß Pflegegeld grundsätzlich (sofern nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 und 3 vorliegen) nur jenen Behinderten zu gewähren ist, die während der Leistungsgewährung im Land Vorarlberg anwesend sind. Abs. 2 des § 2 leg. cit. bestimmt, daß eine vorübergehende Abwesenheit bis zu zwei Monaten nicht als Unterbrechung des Aufenthaltes nach § 2 Abs. 1 lit. c leg. cit. gilt. Eine wenngleich vorübergehende Abwesenheit von mehr als zwei Monaten unterbricht daher den gewöhnlichen Aufenthalt. Aus § 2 Abs. 2 des Vorarlberger Behindertengesetzes ergibt sich somit, daß die Beschwerdeführerin während der Dauer ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Land Vorarlberg hat. Die Frage der Unterbrechung des gewöhnlichen Aufenthalts durch eine vorübergehende Abwesenheit ist im anzuwendenden Gesetz geregelt, sodaß für eine allfällige analoge Anwendung des § 66 JN kein Raum bleibt.

Eine Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß die belangte Behörde nicht feststellte, daß die Beschwerdeführerin nach Absolvierung ihrer Ausbildung wieder nach Vorarlberg zurückkehren werde, und weiters, daß sie wöchentlich nach Vorarlberg zurückkehrt. Hieraus hätte sich erschließen lassen, daß sowohl der persönliche als auch der berufliche Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin ausschließlich im Lande Vorarlberg gegeben sei und somit der gewöhnliche Aufenthalt durch den kurzzeitigen und von vornherein befristeten Ausbildungslehrgang nicht aufgehoben werde.

Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, daß als Voraussetzung für den Anspruch auf ein Pflegegeld der gewöhnliche Aufenthalt genannt ist. Die Frage, ob die Beschwerdeführerin nach Absolvierung der Ausbildung wieder nach Vorarlberg zurückkehren werde, ist nicht von Bedeutung. Auch eine wöchentliche Rückkehr, offenbar am Wochenende zu Besuchszwecken, stellt nach dem genannten Zweck der Regelung keine jeweilige Beendigung der vorübergehenden Abwesenheit im Sinne des § 2 Abs. 2 BehG dar, weil die kursbedingte Abwesenheit von Vorarlberg zeitmäßig überwiegt. Bei Feststellung der behaupteten Besuche an den Wochenenden in Voralberg hätte die belangte Behörde zu keinem anderen Bescheid kommen können.

In Ihrer Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde führt die Beschwerdeführerin aus, die Voraussetzung des zwei Jahre ununterbrochenen Aufenthaltes sei für die Erlangung des Pflegegeldes an sich zu verstehen. Dies sei jedoch keinesfalls so zu verstehen, daß ein "fortwährend ununterbrochener Aufenthalt von zwei Jahren" gegeben sein müsse. Diese Voraussetzung müsse bei der Antragsstellung und im Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegeben sein.

Auch dem kann nicht beigetreten werden. § 2 Abs. 1 lit. c des Vorarlberger Behindertengesetzes spricht ausdrücklich davon, daß der gewöhnliche Aufenthalt SEIT mindestens zwei Jahren ununterbrochen gegeben sein muß. Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß ein Anspruch auf ein Pflegegeld nur solange besteht, als auch der gewöhnliche Aufenthalt ununterbrochen gegeben ist. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerin, es müsse lediglich ein ununterbrochener Aufenthalt von zwei Jahren bis zur Bescheiderlassung bzw. Antragstellung gegeben sein, läßt sich auch nicht aus § 2 Abs. 3 leg. cit. ableiten. Diese Bestimmung sieht lediglich eine befristete Weitergewährung des Pflegegeldes für den Fall vor, daß die Körperbehinderte ihren Aufenthalt dauernd in ein anderes Bundesland verlegt, welches gleichartige Leistungen erbringt. Das Pflegegeld wird in diesen Fällen nur solange weitergewährt, bis die Körperbehinderte nach den Gesetzen des Bundeslandes des nunmehrigen Aufenthaltes einen Anspruch auf eine dem Pflegegeld gleichartige Leistung erlangt hat, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Aufgabe des Aufenthaltes in Vorarlberg. Voraussetzung für eine solche Weitergewährung ist daher die dauernde Verlegung des Aufenthaltes in ein anderes Bundesland Österreichs und daß dieses Bundesland gleichartige Leistungen erbringt. Zweck dieser Bestimmung ist es, die Unterbrechung des Bezuges von Pflegegeld oder einer gleichartigen Leistung in diesen Fällen hintanzuhalten. Wenn die Beschwerdeführerin daraus den Schluß zieht, daß eine Weitergewährung des Pflegegeldes umsomehr für eine Behinderte gelten müsse, die sich nur vorübergehend, eben zu Zwecken der Erlangung einer Berufsausbildung, im Ausland aufhält, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung sind in diesem Fall nicht gegeben.

Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 2 Abs. 4 leg. cit. führt zu keinem anderen Ergebnis. Einerseits hat die belangte Behörde die Einstellung des Pflegegeldes nicht darauf gestützt und andererseits werden die anfallenden Kosten dieser Ausbildung zur Gänze von den Rehabilitationsträgern, auch dem Land Vorarlberg, getragen. Von einer "Bestrafung durch einen Entzug des Pflegegeldes" kann daher nicht gesprochen werden. Ein Weiterbezug des Pflegegeldes würde vielmehr zu einer Doppelversorgung der Beschwerdeführerin führen. Gleiches gilt für die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie werde durch den Entfall des Pflegegeldes bestraft, weil sie die Ausbildung auf Grund der geringen Entfernung in V anstatt in Wien vornehme. Die Gewährung des Pflegegeldes bezweckt die Abdeckung des durch die Körperbehinderung bedingten Mehraufwandes. Dadurch, daß alle anfallenden Kosten der Ausbildung von den Rehabilitationsträgern getragen werden, wird dieser Zweck erfüllt.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080239.X00

Im RIS seit

01.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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