TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/29 92/03/0084

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Veröffentlicht am 29.09.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
93 Eisenbahn;

Norm

ABGB §364a;
AVG §8;
EisenbahnG 1957 §34 Abs4;
EisenbahnG 1957 §35 Abs2;
EisenbahnG 1957 §35 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des ES,

2)

der HS, 3) des Dr. HR, 4) der Dr. CR, 5) des Dkfm. DF,

6)

der MF, 7) des Dr. WS, 8) der Dr. JS, 9) des CH, 10) der EH,

11)

des Dipl.-Ing. H, 12) des GK, 13) der AK, 14) der IL,

15)

des Dr. B, 16) des Ing. Z und 17) des Mag. S, alle in E, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des LH von Slbg vom 30. 9. 1991, Zl. 9/02-32.898/13-1991, betreffend eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung (mP: ÖBB, Bundesbahndirektion Linz, in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei beantragte im Jahre 1990 die Erteilung der erforderlichen eisenbahnrechtlichen Bewilligungen im Zuge des Ausbaues der Tauernachse Salzburg - Schwarzach-St. Veit für die vorgesehene Linienverbesserung der ÖBB-Strecke Salzburg-Wörgl durch Linienbegradigung (Verschwenkung der bestehenden Trasse) zwischen Bahnkm 9,6 und 11,3. Am 20. August 1991 fand eine mündliche Verhandlung mit Lokalaugenschein statt, bei der die Beschwerdeführer (ihre Grundstücke, bebaut mit Einfamilienhäusern und Doppelhäusern, verbunden mit Wohnungseigentum, liegen nicht im Bereich des Bauloses) Einwendungen im wesentlichen mit der Begründung erhoben, sie nähmen Parteistellung im Sinne des § 34 Abs. 4 des Eisenbahngesetzes (EG) in Anspruch, da dort die Aufzählung lediglich demonstrativ sei; jedenfalls handle es sich um vom Bauvorhaben berührte Interessen im Sinne des § 35 Abs. 2 EG. Die schon derzeit bestehende äußerst hohe Lärmbelästigung, mit der sie sich recht und schlecht abgefunden hätten, werde (durch die aus der Begradigung resultierende höhere Geschwindigkeit) eine Erhöhung von 3 bis 4 dB erfahren und zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen, die den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllten. Die Immissionsgrenzwerte für Bauland (insbesondere erweitertes Wohngebiet) würden überschritten. Es bedürfe geeigneter Lärmschutzmaßnahmen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg als der gemäß § 12 Abs. 1 des Eisenbahngesetzes, BGBl. Nr. 60/1957, delegierten Behörde vom 30. September 1991 wurde der mitbeteiligten Partei im Spruchpunkt I die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung gemäß den §§ 35 und 36 EG in Verbindung mit dem Wasserrechtsgesetz für die schon genannte Linienverbesserung der ÖBB-Strecke Salzburg-Wörgl und die damit verbundenen Baumaßnahmen unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Spruchpunkte II und III betreffen die eisenbahnbehördliche Betriebsbewilligung sowie die Bewilligung für straßenbauliche Maßnahmen und Gerinneherstellung. Mit Spruchpunkt IV wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer wegen Gesundheitsgefährdung durch Bahnlärm gemäß § 34 Abs. 4 und § 35 Abs. 2 EG als unzulässig zurückgewiesen, soweit sie sich nur gegen Lärmbelästigung wenden, gemäß § 35 Abs. 2 EG auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei nicht Aufgabe des Bauverfahrens festzustellen, ob mit dem Bestand und dem Betrieb der Bahn bereits vor der Erteilung der Bewilligung eine Gesundheitsgefährdung von Anrainern verbunden sei. Es sei lediglich zu prüfen, ob durch die Verwirklichung des eingereichten Projektes (Linienverschwenkung von km 9,6 bis 11,3) Personen Schaden erleiden könnten. Die Siedlung der Beschwerdeführer liege außerhalb dieses Bereiches, und zwar 100 bis 180 m vorher (km 9,5 und weiter entfernt). Die Liegenschaften seien weder direkt von den baulichen Maßnahmen betroffen noch im Bauverbotsbereich gelegen, auch nicht im (neuen) der verschwenkten Trasse. Sie würden wegen des gegenständlichen Bauvorhabens in keiner Weise Veränderungen oder Beschränkungen unterworfen, da diese Liegenschaften höchstens im Gefährdungsbereich der bestehenden, nicht jedoch der zu verlegenden Trasse gelegen seien. Die Beschwerdeführer könnten daher eine Parteistellung nicht damit ableiten, sie wären Eigentümer der betroffenen Liegenschaften oder dinglich Berechtigte daran. Im übrigen dürften die von Salzburg in Richtung Wörgl fahrenden Züge schon jetzt eine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h auch ohne die gegenständliche Baugenehmigung im Streckenabschnitt bis zum Baulosbeginn erreichen. Eine Beschleunigung wäre erst ab der neuen Verschwenkung möglich. Deshalb bleibe die Geschwindigkeit der in Richtung Wörgl fahrenden Züge im Bereich der Siedlung der Beschwerdeführer unverändert, eine Beschleunigung könne erst mit zunehmender Entfernung von der Siedlung eintreten. Die aus Richtung Wörgl kommenden Züge könnten nach Baudurchführung von Golling bis Baubeginn mit der neuen Streckenhöchstgeschwindigkeit von 130 km/h fahren. Da sie jedoch ab Baubeginn (km 9,619) in Richtung Salzburg wieder höchstens die bisher bereits zulässige Geschwindigkeit von 110 km/h erreichen dürften, müsse schon zuvor die Geschwindigkeit von 130 km/h weit vor der Siedlung der Beschwerdeführer so reduziert werden, daß ein ordnungsgemäßes Passieren ab km 9,619 Richtung Salzburg gewährleistet sei. Es trete somit vor der Liegenschaft der Beschwerdeführer keine Erhöhung der zulässigen Streckenhöchstgeschwindigkeit ein. Daraus ergebe sich, daß die Beschwerdeführer nicht Eigentümer von betroffenen Liegenschaften seien. Sie könnten daher keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte geltend machen. Ihre Einwendungen seien daher als unzulässig zurückzuweisen bzw. bezüglich der Lärmbelästigung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Im übrigen sei darauf zu verweisen, daß von Bewohnern der im Baulosbereich gelegenen Objekte keine Gesundheitsgefährdungen geltend gemacht worden seien. Zur Gesundheitsgefährdung im allgemeinen werde bemerkt, daß eine solche offenbar auch von der für die Bewilligung der Wohngebiete zuständigen Behörde als nicht zutreffend angesehen worden sei, da sonst weder die gewählte Flächenwidmung festgelegt noch eine Baugenehmigung für die Siedlung hätte erteilt werden dürfen. Die Siedlung der Beschwerdeführer sei erst 1986 errichtet worden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, welcher jedoch deren Behandlung mit Beschluß vom 25. Februar 1992, B 1294/91, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Mit der vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Von der mitbeteiligten Partei wurde in ihrer Gegenschrift ein gleichlautender Antrag gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorwegzunehmen ist, daß ein im wesentlichen gleichgelagerter Fall bereits mit hg. Erkenntnis vom 24. April 1991, Zl. 90/03/0237, entschieden wurde, welcher die Linienverbesserung derselben ÖBB-Strecke im Bereich der Gemeinde Puch (Bahnkm 12,815 bis 15,276) betraf. Es wurde die Beschwerde der genannten Gemeinde, mit der ebenfalls Lärmbelästigungen durch hohe Zugsgeschwindigkeit und daraus resultierende Gesundheitsgefährdung, die die Errichtung geeigneter Lärmschutzmaßnahmen erforderten, geltend gemacht wurden, teils zurück-, teils abgewiesen.

Des weiteren erscheint es wenig verständlich, wenn die Beschwerdeführer zwar mit der Ansicht der belangten Behörde übereinstimmen, sie seien nicht Eigentümer oder dinglich Berechtigte betroffener Grundstücke (im Sinne des § 34 Abs. 4 EG), aber dennoch die Meinung vertreten, daß ihnen Parteistellung zukomme. Wie die Aktenlage beweist und dies auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten wurde, liegen die Grundstücke nicht im Bereich des gegenständlichen Bauloses, sondern in einer Entfernung von ca. 100 bis 180 m vor dessen Beginn (links der Trasse im Bereich von ca. 30 bis 100 m von dieser entfernt). Die belangte Behörde hat sich damit auch im angefochtenen Bescheid ausreichend auseinandergesetzt. Die Behauptung in der Beschwerde, die belangte Behörde habe fälschlich unterstellt, daß die neue Trasse schon im Bereich der Siedlung der Beschwerdeführer nach rechts abweiche, erweist sich, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, als aktenwidrig. Es ist eindeutig der Bereich nach dem Beginn des Bauloses gemeint.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Meinung der Beschwerdeführer, es komme ihnen schon deshalb (im eisenbahnbehördlichen Genehmigungsverfahren) Parteistellung zu, weil ihre Einwendungen entgegengenommen, behandelt und darüber entschieden worden sei, schließlich sei ihnen auch der Bescheid zugestellt worden, nicht zu teilen, da durch derartige Verfahrensschritte allein keine Parteistellung begründet wird. Abgesehen davon kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst der Eigentümer einer betroffenen Liegenschaft als Partei (§ 34 Abs. 4 EG) im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren entsprechend den Bestimmungen der Abs. 2 und 3 des § 35 EG zwar Einwendungen erheben, die eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte zum Gegenstand haben bzw. auch zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Einwendungen, mit denen Immissionen, insbesondere Lärm, geltend gemacht werden, haben jedoch keine Verletzung der den Parteien nach dem Eisenbahngesetz gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Rechte zum Inhalt, sondern

- allenfalls - zivilrechtliche Ansprüche, die gemäß § 35 Abs. 2 EG auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1991, Zl. 90/03/0038). Zu Unrecht berufen sich die Beschwerdeführer auf § 19 Abs. 2 (in Verbindung mit § 13 Abs. 1) EG. Wohl hat die Behörde dann, wenn durch die Verwirklichung des zur Genehmigung eingereichten Projektes Personen in ihrem Leben oder in ihrer Gesundheit Schaden erleiden können, einem solchen Schaden durch Vorschreibung entsprechender Auflagen zu begegnen. Dies hat jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat, von Amts wegen zu geschehen, ohne daß den betroffenen Personen darauf ein Rechtsanspruch zustünde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. März 1991, Zl. 90/03/0038, und vom 24. April 1991, Zl. 90/03/0237). Die in diesem Zusammenhang von den Beschwerdeführern erhobene Verfahrensrüge, wonach die Behörde, obwohl die beigezogenen lärmtechnischen Amtssachverständigen wegen Überschreitung der laut ÖNORM S 5021 für erweitertes Wohngebiet zutreffenden Grenzwerte eine lärmtechnische und lärmmedizinische Begutachtung für zweckmäßig erachtet hatten, dem nicht Rechnung getragen habe, vermag daher der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Den Beschwerdeführern ist weiters entgegenzuhalten, daß ihre Objekte im Jahre 1986 in Kenntnis der schon damals vorhandenen Lärmbelästigung durch die Bahn errichtet wurden und schon im seinerzeitigen baubehördlichen Bewilligungsverfahren (1985) verschiedene bauliche Maßnahmen (wie Schallschutzfenster) vorgeschrieben wurden.

Zum Hinweis der Beschwerdeführer auf einen "Verordnungsentwurf der Schienenverkehrslärm-Verordnung" ist zu bemerken, daß die Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über Lärmschutzmaßnahmen bei Haupt-, Neben- und Straßenbahnen (Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordnung - SchIV), BGBl. Nr. 415/1993, erst Ende Juni 1993 in Kraft getreten ist. Im § 5 dieser Verordnung sind unter bestimmten Voraussetzungen Lärmschutzmaßnahmen durch das Eisenbahnunternehmen vorzunehmen. Nach § 5 Abs. 7 der Verordnung werden allerdings subjektiv-öffentliche Rechte durch diese Verordnung nicht begründet.

Da u.a. aus ökologischen Gründen eine Verlegung eines Teiles des Verkehrs von der Straße auf die Bahn erfolgen soll, wozu es einer Erhöhung der Kapazitäten der Bahn und deren Attraktivität bedarf, ist eine Trassenbegradigung wie die vorliegende zweifellos im öffentlichen Interesse gelegen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher nicht zu finden, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in Rechten, die ihnen im eisenbahnbehördlichen Verfahren zustünden, verletzt wurden.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht und Eisenbahnrecht Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Parteibegriff Tätigkeit der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992030084.X00

Im RIS seit

28.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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