TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/29 92/03/0198

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Veröffentlicht am 29.09.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
StVO 1960 §5 Abs4 lita;
StVO 1960 §5 Abs4 litb;
VStG §44a lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 7. April 1992, Zl. 13/207-6/1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. April 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 10. Mai 1991 um 2.10 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf der Kaiserstraße, Wegscheidgasse, Bundesstraße B 312 und dem Hinterkaiserweg in St. Johann in Tirol bis zum Haus Hinterkaiserweg Nr. 30 gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Es wurde deshalb über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde mit Beschluß vom 25. Juni 1992, Zl. B 809/92-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 28. Juli 1992, Zl. B 809/92-5, zur Entscheidung abgetreten.

Der Beschwerdeführer stellt in der von ihm ergänzten Beschwerde den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit der Beschwerdeführer die Aufassung vertritt, der Spruch des angefochtenen Bescheides erfülle nicht die Voraussetzungen des § 44a Z. 1 VStG, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Verwaltungsgerichtshof kann im Lichte seiner Rechtsprechung zu dieser Bestimmung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 1992, Zl. 92/02/0169, mit weiteren Judikaturhinweisen) nicht finden, daß die Tatzeit von 2.10 Uhr, bezogen auf eine Tatortumschreibung mit mehreren Straßen rechtswidrig wäre. Gerade bei einem Delikt wie jenem nach § 5 Abs. 1 StVO, das über längere Strecken begangen werden kann, darf weder die Tatzeitangabe noch die Umschreibung des Tatortes isoliert gesehen werden, sondern sind beide Elemente in ihrer Verbindung zu betrachten. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes wurde der Beschwerdeführer durch den Spruch des angefochtenen Bescheides weder in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt noch der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt.

Dessen ungeachtet ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die belangte Behörde ging nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid davon aus, daß ein namentlich genannter Gendarmeriebeamter nach Anhaltung des Beschwerdeführers im Zuge einer Lenkerkontrolle bei diesem Alkoholgeruch der Ausatemluft sowie gerötete Augenbindehäute feststellte. Bei der in der Folge durchgeführten Atemalkoholuntersuchung stellte sich ein Atemluftalkoholgehalt von 0,50 mg pro Liter beim Beschwerdeführer heraus. Aufgrund des positiven Meßergebnisses verlangte der Beschwerdeführer die Durchführung einer Blutabnahme, weshalb die Gendarmeriebeamten ihn ins Bezirkskrankenhaus St. Johann in Tirol brachten. Anläßlich der Blutabnahme waren die Beamten in der Ordination nicht anwesend, sie übergaben lediglich dem Arzt ein Protokoll, bei welchem der Teil A vom Beamten aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers ausgefüllt worden war. Unter B des Protokolls erfolgte eine Eintragung durch den Arzt des Bezirkskrankenhauses, der zusammenfassend bezüglich einer Fahrtüchtigkeit keine ernstlichen Bedenken erhob. Nach Durchführung der Blutabnahme und nach Durchführung der ärztlichen Untersuchung wurde "den Beamten" die Blutvenüle übergeben und "von diesen" an das Institut für gerichtliche Medizin gesandt.

Im Rahmen der Begründung ging die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ferner von der Behauptung des Beschwerdeführers aus, daß er von ihr aufgefordert worden sei,bekannt zu geben, ob er seine Zustimmung zur Auswertung der abgenommenen Blutprobe erteile, worauf ihr von ihm mitgeteilt worden sei, daß die Blutprobe zwischenzeitlich vernichtet worden sei. Der Beschwerdeführer habe daher den vom Gesetz geforderten Gegenbeweis gegen das Ergebnis der Atemluftuntersuchung nicht erbracht, sodaß die Bestrafung durch die Erstbehörde zu Recht erfolgt sei.

Wird eine Untersuchung der Atemluft nach § 5 Abs. 2 a lit. b StVO 1960 vorgenommen, so gilt deren Ergebnis zufolge § 5 Abs. 4 a StVO 1960 in seiner durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1991, Zlen. G 274-283/90, u. a., bereinigten Fassung - die Kundmachung des Bundeskanzlers erfolgte am 25. April 1991 in BGBl. Nr. 207/1991; die vorliegende Tat wurde am 10. Mai 1991 begangen - als Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung, es sei denn, daß eine Bestimmung des Blutalkoholgehaltes (Abs. 4 b, 6, 7 oder 7 a) etwas anderes ergibt. Nach Abs. 4 b in der bereinigten Fassung haben die Organe der Straßenaufsicht, wenn eine Untersuchung der Atemluft nach Abs. 2 a lit. b einen Alkoholgehalt der Atemluft ergeben hat, auf Verlangen des Untersuchten eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zu veranlassen. Eine solche Blutalkoholbestimmung bildet zufolge § 5 Abs. 4 a leg. cit. das einzig zulässige Mittel zur Erbringung des Gegenbeweises (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 27. Feber 1992, Zl. 92/02/0060).

Die belangte Behörde hat somit zutreffend erkannt, daß die ärztliche Untersuchung für den geforderten Gegenbeweis nicht ausreichte. Sie hat jedoch verkannt, daß die Behörde die Verpflichtung traf, im Grunde des § 5 Abs. 4 b StVO zu veranlassen, daß das abgenommene Blut ausgewertet und eine Blutbestimmung vorgenommen wird. Die Behörde hätte daher für die Auswertung des Inhaltes der an das Institut für gerichtliche Medizin übergebenen Blutvenüle Sorge tragen müssen. Abgesehen davon, daß das Verhalten des Beschwerdeführers nicht anders verstanden werden konnte, als daß er auch der Auswertung des abgenommenen Blutes zustimmt, könnte dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden, wenn die Blutauswertung unterblieb und die Blutprobe vernichtet wurde, bloß weil der Beschwerdeführer eine vom Ergebnis der Untersuchung unabhängige Kostentragung verweigerte, wie er dies in seinem Schreiben vom 19. Februar 1992 anklingen läßt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigengutachten Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Blutalkoholbestimmung Tatbild Verfahrensrecht Beweismittel Verhältnis zu anderen Normen und Materien VStG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992030198.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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