TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/30 93/18/0362

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Veröffentlicht am 30.09.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §12;
AsylG 1991 §9 idF 1992/838;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der B in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 23. Februar 1993, Zl. 11-F/92, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (der belangten Behörde) vom 23. Februar 1993 wurde der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, die Erteilung eines Sichtvermerkes versagt; dies mit der - auf das Wesentliche zusammengefaßten - Begründung, daß die Beschwerdeführerin am 2. November 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle, also illegal, in das Bundesgebiet eingereist sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 2. Juli 1993, B 639/93, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 FrG kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern ein gültiges Reisedokument vorliegt und kein Versagungsgrund gemäß § 10 gegeben ist. Der Sichtvermerk kann befristet oder unbefristet erteilt werden. Zufolge des § 10 Abs. 1 ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn ...

"4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde; ...

7. sich der Sichtvermerkswerber nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufhält."

2.1. Die Beschwerde versucht unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1991 darzutun, daß die Beschwerdeführerin rechtlich nicht als "die Grenzkontrolle umgangen habend" zu betrachten sei. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei illegal in das Bundesgebiet eingereist, sei im übrigen durch keine Feststellungen gedeckt; weder aus dem bekämpften Bescheid noch aus dem Akteninhalt sei ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin nach dem Grenzkontrollgesetz "oder sonstigen einschlägigen Gesetzen" bestraft worden sei oder sie die Grenzkontrolle umgangen hätte.

2.2.1. Der Beschwerde ist insofern beizupflichten, als die belangte Behörde eine Begründung dafür schuldig blieb, weshalb sie sich in der Lage sah, den Versagungstatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG als verwirklicht anzusehen. Nicht nur entbehrt die Beschwerdebegründung diesen rechtlichen Schluß tragender Tatsachenfeststellungen; vielmehr läßt auch der Inhalt der (dem Verwaltungsgerichtshof vom Verfassungsgerichtshof direkt übermittelten) Verwaltungsakten - insbesondere die Aussage der Beschwerdeführerin im Asylverfahren (Niederschrift vom 20. November 1992), die von der belangten Behörde hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel gezogen wurde - diese rechtliche Beurteilung als unzutreffend erscheinen (zur Frage, welches Verhalten eines Fremden eine "Umgehung der Grenzkontrolle" darstellt, vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0093).

2.2.2. Diese unrichtige rechtliche Subsumtion seitens der belangten Behörde verhilft der Beschwerde indes nicht zum Erfolg. Denn die eigenen aktenkundigen Angaben der Beschwerdeführerin, daß sie bei ihrer Einreise nach Österreich am 2. November 1992 zwar im Besitz eines bulgarischen, nicht aber eines österreichischen Sichtvermerkes gewesen sei, und auch weiterhin über einen solchen nicht verfüge, berechtigte zu der Annahme, der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung. Damit war der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG als erfüllt anzusehen. Der Heranziehung dieses Versagungstatbestandes stand auch die Stellung eines Asylantrages nicht entgegen. Da der Beschwerdeführerin die von ihr beantragte Erteilung eines Sichtvermerkes jedenfalls im Grunde dieser Gesetzesstelle - zwingend - zu versagen war, führte die der belangten Behörde unterlaufene (oben aufgezeigte) objektive Rechtswidrigkeit zu keiner Rechtsverletzung (vgl. das vorzitierte Erkenntnis Zl. 93/18/0093).

3. Der von der Beschwerde im Zusammenhang mit dem im angefochtenen Bescheid verfehlterweise ins Spiel gebrachten § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG gerügte Begründungsmangel geht schon deshalb ins Leere, weil diese Bestimmung von vornherein nur bei Vorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 zum Tragen kommt. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen unter II. 2.2.2. ist auch dem Vorwurf, der Beschwerdeführerin sei zur Frage der "Umgehung der Grenzkontrolle" kein Parteiengehör gewährt worden, der Boden entzogen. Zu dem Einwand, der Beschwerdeführerin sei durch die Nichtgewährung von Parteingehör die Möglichkeit genommen worden, sämtliche im Asylverfahren vorgebrachten Gründe darzulegen, "was natürlich einen Einfluß auf die Ermessensentscheidung der Behörde gehabt hätte", genügt der Hinweis, daß die belangte Behörde - zu Recht - keine Ermessensentscheidung getroffen hat.

4. Was schließlich die Beschwerdebehauptung anlangt, die belangte Behörde hätte im Hinblick auf den Zeitpunkt der Stellung des Sichtvermerksantrages (14. Dezember 1992) den § 25 des Paßgesetzes 1969 anzuwenden gehabt, ist der Beschwerdeführerin zu entgegnen, daß im vorliegenden Fall - anders lautende Übergangsvorschriften fehlen - die bei Erlassung der bekämpften Entscheidung geltenden Rechtsvorschriften, also die einschlägigen Bestimmungen des Fremdengesetzes, anzuwenden waren.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiters Verfahren (daher auch ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages bezüglich einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres) als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180362.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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