TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/30 93/18/0310

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Veröffentlicht am 30.09.1993
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. April 1993, Zl. SD 94/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. April 1993 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz (FrG) ausgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei nach ihren Angaben am 18. Oktober 1992 mit einen Bus ohne den erforderlichen Sichtvermerk eingereist. § 19 FrG komme nicht zum Tragen. Die Beschwerdeführerin habe am 4. August 1992 einen Antrag für Einwanderungsbewerber gestellt, jedoch den Ausgang dieses Verfahrens nicht abgewartet. Durch die unrechtmäßige Einreise habe die Beschwerdeführerin dieses vor der Einreise durchzuführende Verfahren bewußt "illusorisch" gemacht. Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf ihre am 13. Jänner 1992 geschlossene Ehe und den langjährigen Aufenthalt ihres Ehemannes in Österreich ließen einen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin nicht erkennen. Ihr habe im Zeitpunkt der Eheschließung bewußt sein müssen, daß sie bis zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet von ihrem Manne getrennt leben müsse. Um die Aufenthaltsberechtigung hätte sie sich nach der Eheschließung in Istanbul bemühen müssen. Der Wunsch, mit dem Ehemann zusammen in Österreich zu leben, rechtfertige nicht die illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt in Österreich. Durch die Ausweisung werde der Beschwerdeführerin nicht die Möglichkeit genommen, die Aufenthaltsberechtigung zu erlangen.

Mit Beschluß vom 21. Juni 1993, B 996/93-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 6. April 1993 ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.

Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist nach § 19 ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 dieser Konvention hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 dieser Konvention ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

2.1. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, daß mit dem angefochtenen Bescheid - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen wird, nimmt doch die Befolgung der gemäß § 22 Abs. 1 FrG mit der Ausweisung verbundenen Ausreiseverpflichtung der Beschwerdeführerin jedenfalls vorübergehend die Möglichkeit, mit ihrem Ehemann in Österreich zusammenzuleben. Damit ist aber für sie im Ergebnis nichts gewonnen, weil ihre Ausweisung im Sinne des § 19 FrG dringend geboten ist. Die öffentliche Ordnung, insbesondere das Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, erfordert es, daß Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung ist in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte.

2.2. Diese Überlegungen kommen im Beschwerdefall voll zum Tragen, hat sich doch die Beschwerdeführerin über das Erfordernis des Sichtvermerkes bewußt hinweggesetzt und ist ohne Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist. Die Voraussetzungen für die Ausweisung nach § 17 Abs. 1 FrG liegen vor; die gebotene Bedachtnahme auf § 19 FrG macht die Ausweisung nach dem Gesagten nicht unzulässig.

3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180310.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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