TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/6 93/17/0266

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Veröffentlicht am 06.10.1993
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Index

L37069 Kurzparkzonenabgabe Parkabgabe Parkgebühren Wien;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ParkometerG Wr 1974 §3 Abs1 litc;
StGB §10;
StGB §3;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde des Dr. R in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. Juli 1993, Zl. UVS-05/27/00729/92, betreffend Übertretung des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus dem ihr in Ablichtung beigeschlossenen angefochtenen Bescheid geht der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt hervor:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, ein dem behördlichen Kennzeichen nach näher bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug - unter Tatort- und Tatzeitangabe - in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt zu haben, ohne die Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet zu haben, weil der Parkschein gefehlt habe. Demnach habe der Beschwerdeführer die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG wurde von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der Beschwerdeführer ermahnt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, nach Durchführung des Beweisverfahrens werde "auf Grund der vom Kranken- und Entbindungsanstalt N" eingeholten Bestätigung als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer sein Fahrzeug im Zuge einer ärztlichen Hilfeleistung am Tatort abgestellt habe. Nach der Aktenlage gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, daß dem Kontrollorgan bei der Erstellung der Organstrafverfügung dahingehend ein Irrtum unterlaufen sei, daß es ein im Fahrzeug vorhandenes "Arzt im Dienst"-Schild übersehen hätte. Die Kontrollorgane des Magistrates der Stadt Wien seien auf dem Gebiet der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Parkometergesetzes speziell geschult. Es könne daher von ihnen erwartet werden, daß sie den Sachverhalt am Tatort richtig wiedergäben und zutreffend feststellten, ob ein Fahrzeug innerhalb einer Kurzparkzone abgestellt sei oder nicht oder ob sich im Fahrzeug ein entwerteter Parkschein bzw. das Hinweisschild "Arzt im Dienst" befinde oder nicht. Da auch alle anderen Feststellungen auf der Organstrafverfügung unbestrittenermaßen zutreffend seien (Tatzeit, Tatort, Kennzeichen, Automarke, Autofarbe, Fehlen eines Parkscheines) habe das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sein Fahrzeug mit einer "Arzt im Dienst"-Tafel gekennzeichnet gehabt, nicht überzeugen können.

Wie es weiters heißt, habe der Beschwerdeführer glaubhaft machen können, daß er sein Fahrzeug im Zuge einer ärztlichen Hilfeleistung selbst gelenkt und am Tatort abgestellt habe. Die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Abgabenbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 lit. c des Parkometergesetzes sei daher nur deshalb nicht erfüllt worden, weil der Beschwerdeführer es verabsäumt gehabt habe, das Fahrzeug mit einer Tafel entsprechend den Vorschriften der StVO zu kennzeichnen. Im Hinblick auf den Zweck dieser Befreiungsbestimmung, der darin bestehe, zu verhindern, daß durch eine lange Parkplatzsuche die ärztliche Hilfe den Kranken oder Verletzten erst sehr spät erreiche, erscheine dieses Versäumnis als geringfügiges Verschulden. Da die übrigen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Abgabenbefreiung zur Tatzeit vorgelegen seien, seien auch die Folgen der Übertretung als geringfügig zu bewerten. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles erschiene es daher ausreichend, den Beschwerdeführer lediglich zu ermahnen und von der Verhängung einer Strafe abzusehen, um ihn von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 6 VStG wiederholt entschieden habe, könne unter Notstand nur ein Fall der Kollision von Rechten und Pflichten verstanden werden, indem jemand sich oder einen anderen einzig und allein aus schwerer unmittelbarer Gefahr dadurch retten könne, daß er eine allgemein strafbare Handlung begehe. Eine solche, einen Notstand rechtfertigende Situation sei nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers schon deshalb nicht gegeben gewesen, weil dieser sein Fahrzeug, erst nachdem ein Parken auf dem hauseigenen Parkplatz nicht möglich gewesen sei, in der Kurzparkzone abgestellt habe. Da der Beschwerdeführer somit Zeit gefunden habe, zu versuchen, das Fahrzeug auf einem gebührenfreien Parkplatz abzustellen, wäre ihm daher auch zuzumuten gewesen, sein Fahrzeug mit dem Hinweisschild "Arzt im Dienst" ordnungsgemäß zu kennzeichnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht schuldig erkannt zu werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Grunde des § 1 Abs. 1 des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 47/1974, in der Fassung LGBl. Nr. 42/1983, kann der Gemeinderat für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorschreiben. Von dieser Ermächtigung hat der Wiener Gemeinderat mit Beschluß vom 28. Februar 1986, Pr.Z. 576, verlautbart im Amtsblatt der Stadt Wien vom 20. März 1986, Heft Nr. 12, Gebrauch gemacht.

Gemäß § 3 Abs. 1 lit. c Parkometergesetz ist die Abgabe nicht für Fahrzeuge zu entrichten, die von Ärzten bei einer Fahrt zur Leistung ärztlicher Hilfe von ihnen selbst gelenkt werden und die beim Abstellen mit einer Tafel entsprechend den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung gekennzeichnet sind.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist oder, obgleich sie den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Im Beschwerdefall ist allein das Vorliegen eines Notstandes strittig, und zwar sowohl in der Form als entschuldigender wie auch als rechtfertigender.

Bezogen auf das Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei zum Vorfallszeitpunkt in das Krankenhaus N zur Durchführung eines Kaiserschnittes gerufen worden. Dieser sei vom Beschwerdeführer um 8.28 Uhr vorgenommen worden. Ein Kaiserschnitt werde nur dann durchgeführt, wenn für Mutter und Kind lebensbedrohliche Umstände einträten. Bei dieser Situation bedürfe es keiner weiteren Ausführungen, daß der diese Operation durchführende Arzt nicht bestraft werden könne, wenn er seine lebensrettende Maßnahmen nicht deshalb hinausschiebe, um die Parkometerabgabe zu entrichten oder die Tafel im Fahrzeug anzubringen, die in hievon befreie.

Jedenfalls lägen die auch von der strafrechtlichen Lehre herausgearbeiteten Voraussetzungen für den (entschuldigenden)

Notstand vor:

"I. Notstandssituation: Leben und Gesundheit zweier Menschen nämlich Mutter und Kind sind gefährdet.

II. Entschuldigende Notstandshandlung: das verletzte Rechtsgut (geringfügige Abgabe) ist geringerwertig, als das durch die Notstandshandlung geschützte Rechtsgut (Leben und Gesundheit). Die Ausschlußklauseln der Unverhälnismäßigkeit (der "Schaden" aus der Tat wiegt nicht unverhältnismäßig schwerer als der Mutter und Kind drohende Nachteil), des Verschuldens (der Beschwerdeführer hat sich der seiner Patientin drohenden Gefahren nicht bewußt ausgesetzt) und der Zumutbarkeit (bei der Notswendigkeit, ehestens zur Patientin und dem Kind zu kommen, ist das Suchen von Parkscheinen oder Befreiungstafeln keinesfalls zu fordern) liege nicht vor.

III. Der Rettungswille des Beschwerdeführers liegt zweifellos vor."

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, gehört es zum Wesen des Notstandes, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 5. März 1985, Zl. 84/04/0191). Davon ausgehend vermag mit dem dargestellten Beschwerdevorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden. Den Beschwerdeausführungen ist nämlich nicht zu entnehmen, daß dem Beschwerdeführer (im Sinne eines entschuldigenden Notstandes) rechtmäßiges Verhalten - im konkreten Fall - unzumutbar gewesen sei. Das Beschwerdevorbringen geht nicht etwa dahin, daß eine Kennzeichnung des Fahrzeuges mit dem Schild "Arzt im Dienst" (oder auch eine Entrichtung der Abgabe mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheines) - auf Grund besonderer Umstände - nicht zumutbar gewesen sei, sondern es stellt die Rechtsrüge dar, SCHLECHTHIN sei "das Suchen von Parkscheinen oder Befreiungstafeln keinesfalls zu fordern". Der Beschwerdeführer verkennt dabei, daß es IN JEDEM EINZELNEN FALL auf die Zumutbarkeit eines bestimmten Verhaltens ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1985, Zl. 85/02/0176), wobei das Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes des Notstandes in den Fällen der Ungehorsamsdelikte, in denen der Beschuldigte seine Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen hat, dieser nachweispflichtig ist (vgl. Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren, 2. Halbband, 8. Auflage, Anmerkung 3 zu § 6 VStG).

Der Beschwerdeführer macht aber auch einen rechtfertigenden Notstand geltend, weil das Rechtsgut des Lebens und der Gesundheit einer werdenden Mutter und von deren Kind zweifellos höherwertiger sei, als die Sicherung einer geringfügigen Abgabe.

Nach der Lehre (Rittler, Lehrbuch des österreichischen Strafrechts, I. Band, S. 143 f), der die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1964, Slg. NF Nr. 6496/A), ist eine Tat dann nicht rechtswidrig, wenn durch sie ein im Rechtssinn höherwertiges Gut auf Kosten eines geringerwertigen Gutes gerettet werden kann. Der Beschwerdeführer verkennt, daß nicht bereits das Vorliegen eines im Rechtssinn höherwertigen Gutes genügt. Es muß vielmehr noch hinzutreten, daß die Rettungshandlung das EINZIGE MITTEL zur Abwendung des Nachteils ist (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch 3, Rz 52 zu § 3; vgl. auch Kienapfel, Der rechtfertigende Notstand, ÖJZ 1975, S. 431, wonach die - rechtfertigende - Notstandshandlung "das einzige und zugleich schonendste Mittel zum Schutz eines höherwertigen Rechtsguts sein" müsse). Daß diese (einschränkende) Voraussetzung für einen (rechtfertigenden) Notstand vorliege, wird in der Beschwerde gar nicht behauptet.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, mußte die Beschwerde gemäß § 35 Abs.1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abgewiesen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993170266.X00

Im RIS seit

26.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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