TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/7 93/01/0638

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Veröffentlicht am 07.10.1993
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
ZPO §292 Abs2;
ZustG §22 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Mai 1993, Zl. 4.294.590/3-III/13/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. September 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (BGBl. Nr. 126/1968) sei. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde als verspätet zurück, da der erstinstanzliche Bescheid am 15. September 1992 durch Hinterlegung zugestellt worden und die Berufungsfrist somit am 29. September 1992 abgelaufen sei. Die Berufung des Beschwerdeführers sei aber erst am 30. September 1992 eingebracht worden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht auf "Einbringung einer Berufung", auf "Einhaltung der Verfahrensvorschriften" und auf Asylgewährung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1988, Zl. 87/10/0077) hat die Behörde, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ausspricht, zu prüfen, ob die Zustellung des mit Berufung angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist, insbesondere ob die auf dem Rückschein vermerkten Daten den Tatsachen entsprechen. Die Behörde hat daher die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist den Berufungswerber zur Stellungnahme vorzuhalten. Unterläßt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist nicht zur Stellungnahme vorgehalten. Der Beschwerdeführer hatte aber anläßlich seiner Beschwerde Gelegenheit, seine Einwände dazu vorzutragen. Im Lichte dieser Einwendungen des Beschwerdeführers hat der Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob dieser Verfahrensmangel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG ein solcher ist, daß die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Im Beschwerdefall liegt ein die gehörige äußere Form aufweisender Zustellnachweis über die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer vor, in dem festgehalten ist, daß die Verständigung über die Hinterlegung der Sendung in das Hausbrieffach eingelegt und die Sendung beim Postamt 1100 Wien hinterlegt wurde. Als Beginn der Abholfrist ist der 15. Dezember 1992 angeführt.

Ein vom Zusteller erstellter Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde, die den Beweis darüber erbringt, daß die für die Zustellung maßgebenden, auf dem Rückschein beurkundeten Angaben des Zustellers richtig sind und insoweit die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 292 Abs. 2 ZPO zulässig. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise anzuführen, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen, geeignet erscheinen lassen (vgl. in diesem Sinne etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 86/08/0141 und das bereits zitierte Erkenntnis). Im Hinblick auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, daß er sich genau erinnern könne und auch hiefür Zeugen habe, "daß er die Hinterlegung durch die Post erstmals am 17. September 1992 erhalten habe", ist der vorliegende Verfahrensmangel auch als wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu qualifizieren, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einräumung von Parteiengehör zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010638.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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