TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/14 93/17/0148

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Veröffentlicht am 14.10.1993
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Index

L34006 Abgabenordnung Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §260;
BAO §267 Abs1;
BAO §276 Abs1;
BAO §299 Abs5;
BAO §299;
LAO Stmk 1963 §206 Abs1;
LAO Stmk 1963 §220 Abs5;
LAO Stmk 1963 §220 Abs6;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde des RG und der IG, beide in X, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 15. April 1993, Zl. A 8-K-137/1992-1, betreffend aufsichtsbehördliche Behebung der Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 11. Dezember 1990 erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Graz den Beschwerdeführern die nachträgliche Bewilligung des Abbruches des teilweise unterkellerten eingeschossigen Einfamilienwohnhauses mit nicht ausgebautem Dachgeschoß und die Neuerrichtung des Keller- und Erdgeschosses, welche im Zuge der Umbauarbeiten abgebrochen wurden.

1.2. Mit Bescheid vom 13. Dezember 1990 schrieb der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz den Beschwerdeführern gemäß § 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989, in Verbindung mit der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. April 1989, LGBl. Nr. 25, aus Anlaß der Baubewilligung vom 11. Dezember 1990 einen Aufschließungsbeitrag von S 11.147,-- vor. Als Grundlage der Abgabenfestsetzung werde folgendes Produkt von Einheitssatz je m2 und der ermittelten Geschoßfläche herangezogen: 111,47 m2 x S 100 = S 11,147,--. Der Eintritt der Fälligkeit werde gesondert bekannt gegeben.

Mit einem weiteren Bescheid vom 6. Februar 1991 sprach der Stadtsenat der Stadt Graz aus, daß der vorgeschriebene Aufschließungsbeitrag zur Gänze fällig geworden und binnen einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten sei.

1.3. Mit Bescheid vom 21. Februar 1992 wies der Stadtsenat der Stadt Graz einen Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berrufungsfrist gegen den Aufschließungsbeitragsbescheid vom 13. Dezember 1990 ab.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. Februar 1992 wies der Stadtsenat der Stadt Graz die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Fälligstellungsbescheid vom 6. Februar 1991 als unbegründet ab. Die Beschwerdeführer stellten einen Vorlageantrag.

1.4. Mit Bescheid vom 15. April 1993 behob der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz die Bescheide des Stadtsenates vom 13. Dezember 1990 und vom 6. Februar 1991 betreffend die Vorschreibung und Fälligstellung eines Aufschließungsbeitrages (Ergänzungsbeitrages), ergangen an die Beschwerdeführer, für die Liegenschaft X, M-Gasse, gemäß § 220 Abs. 1 lit. b der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963 in der Fassung LGBl. Nr. 41/1988 (im folgenden: Stmk LAO). Durch die Aufhebung dieser Bescheide trete das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung der behobenen Bescheide befunden habe. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/06/0139, ausgesprochen, daß die Abtragung eines Objektes den Untergang der Baubewilligung zur Folge habe und eine Neuerrichtung dieses Objektes einer neuen Baubewilligung bedürfe. Die zitierte Baubewilligung vom 11. Dezember 1990 stelle daher keinen Bescheid zur Bewilligung der Planänderung, sondern eine neue Baubewilligung dar. Aufgrund dieser Baubewilligung sei der Aufschließungsbeitrag für das gesamte Objekt vorzuschreiben. Die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages sei daher unrichtig erfolgt. Da der den Bescheiden zugrundeliegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt worden sei, seien diese in Ausübung des Aufsichtsrechtes zu beheben gewesen.

1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der angefochtene Bescheid verletze die Beschwerdeführer in ihrem subjektiven Recht auf gesetzmäßige Handhabung der Bestimmungen des § 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968. Nach der Begründung dieser Beschwerde sei die Unterbehörde bei ihrer neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der belangten Behörde gebunden; daher stelle der angefochtene Aufhebungsbescheid für die Beschwerdeführer einen Rechtsnachteil dar. Die Unterbehörde habe nämlich aus Anlaß der Planänderungsbewilligung lediglich einen Ergänzungsbeitrag für jene Geschoßflächen des Gebäudes vorgeschrieben, hinsichtlich derer aufgrund der ersterteilten Baubewilligung noch kein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben worden sei. Die belangte Behörde stelle jedoch im bekämpften Bescheid ausdrücklich und bindend fest, daß nunmehr ein Aufschließungsbeitrag für das gesamte Objekt, sohin etwa der doppelte Betrag des von der Unterbehörde vorgeschriebenen Ergänzungsbeitrages, zu entrichten sei. Die die aufhebende Entscheidung der belangten Behörde tragende, daher die Unterbehörde bindende Begründung des angefochtenen Bescheides erlaube es der Unterbehörde bei sonstiger Rechtswidrigkeit ihres Bescheides nicht, "anderes oder weniger als den Aufschließungsbeitrag für das gesamte Objekt vorzuschreiben". Wie in der "durch die erfolgte Aufhebung verworfenen Berufung releviert", sei das Gebäude im Sinne des § 6a Abs. 2 letzter Satz der Steiermärkischen Bauordnung "im selben Ausmaß" hinsichtlich der Altbestandteile wieder errichtet worden, sodaß den Beschwerdeführern die "Rechtswohltat dieser Bestimmung dergestalt zukommen müßte, daß für die den Altbestand substituierenden Geschoßflächen (auch) kein Ergänzungsbeitrag mehr vorgeschrieben werden dürfte."

1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 220 Stmk LAO in der Fassung LGBl. Nr. 34/1983 lautet auszugsweise:

"(1) In Ausübung des Aufsichtsrechtes kann ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,

a)

wenn er von einer unzuständigen Behörde, von einem hiezu nicht berufenen Organ oder einem nicht richtig zusammengesetzten Kollegialorgan einer Behörde erlassen wurde, oder

b)

wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde, oder

c)

wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

(2) Ferner kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

...

(5) Oberbehörde im Sinne der vorstehenden Bestimmungen ist auf dem Gebiet der Landesabgaben die Landesregierung, auf dem Gebiet der Gemeindeabgaben der Gemeinderat.

(6) Durch die Aufhebung eines Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat."

2.2. Durch die aufsichtsbehördliche Behebung der erstinstanzlichen Bescheide ist das Verfahren gemäß § 220 Abs. 6 Stmk LAO in die Lage zurückgetreten, in der es sich vor Erlassung dieser Bescheide befunden hat.

Die Beschwerdeführer erachten sich im Hinblick auf die von ihnen angenommene Bindungswirkung der angefochtenen kassatorischen Entscheidung der Aufsichtsbehörde in ihrem "subjektiven Recht auf gesetzmäßige Handhabung der Bestimmungen des § 6a der Stmk. Bauordnung 1968 verletzt".

Eine Verletzung der Beschwerdeführer in dem so umschriebenen Recht hat indessen nicht stattgefunden. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft die Prämisse der Beschwerdeführer, nämlich die rechtliche Verbindlichkeit der den aufhebenden Spruch tragenden Begründungselemente, die sich in einer Bindung der erstinstanzlichen Behörde, der Aufsichtsbehörde selbst in ihrer Eigenschaft als Berufungsbehörde und des Verwaltungsgerichtshofes äußern würde und eine nicht bindungsgemäße Entscheidung als rechtswidrig erscheinen ließe, nicht zu. Verbindlichkeit in diesem Sinne kommt vielmehr nur dem Spruch zu, der sich in einer Aufhebung der erstinstanzlichen abgabenbehördlichen Bescheide erschöpft. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 20. September 1988, Zl. 88/14/0180, vom 19. September 1989, Zl. 86/14/0092, vom 7. November 1989, Zl. 86/14/0158, und im Beschluß vom 4. Juli 1990, Zl. 89/15/0133, (jeweils unter Hinweis auf Vorjudikatur) zur entsprechenden Rechtslage nach § 299 BAO ausgesprochen hat, entfaltet die Begründung des aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheides nur insoweit (gegenüber der Unterbehörde) eine Bindungswirkung, als sich dies aus dem Weisungsrecht der Oberbehörde im Sinne des Art. 20 B-VG ergibt. Gegenüber dem Abgabepflichtigen - und in weiterer Folge auch gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof - tritt aus der Begründung des Aufhebungsbescheides keine Bindungswirkung ein. Auch wenn der Abgabepflichtige den Aufhebungsbescheid unangefochten läßt, ist für ihn der Bescheid, der sodann allenfalls anstelle des aufgehobenen Bescheides ergeht, in vollem Umfang, also auch in bezug auf alle seine Begründungselemente anfechtbar (vgl. die zitierten Erkenntnisse sowie den hg. Beschluß vom 4. Juli 1990, Zl. 89/15/0133). Insoweit ist die Rechtslage anders als bei gemeindeaufsichtsbehördlichen Aufhebungsbescheiden und bei Aufhebungsbescheiden nach § 66 Abs. 2 AVG.

Gegenüber den Beschwerdeführern als Abgabepflichtigen entfaltet daher nur der Spruch des angefochtenen Aufhebungsbescheides durch Beseitigung der aufgehobenen erstinstanzlichen Bescheide aus dem Rechtsbestand Rechtswirkungen; durch die Begründung des angefochtenen Behebungsbescheides, die den Beschwerdeführern gegenüber lediglich die Erfüllung eines Aufhebungstatbestandes darlegt, wurden sie hingegen in ihrem im Beschwerdepunkt umschriebenen Recht nicht verletzt. Bemerkt sei noch, daß sich der Beschwerdefall, der dem zitierten hg. Zurückweisungsbeschluß vom 4. Juli 1990, Zl. 89/15/0133 = Anw 1991, 105, zugrunde lag, vom vorliegenden Fall dadurch unterschied, daß der damalige Beschwerdeführer, der vor dem Verwaltungsgerichtshof den auf § 299 BAO gestützten Aufhebungsbescheid bekämpfte, den aufgehobenen Bescheid selbst vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten und damit zum Ausdruck gebracht hatte, durch den Spruch des Aufhebungsbescheides gemäß § 299 BAO nicht beschwert zu sein. Anders als in diesem Fall und so wie in den übrigen oben zitierten Vorerkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführer nicht von vornherein verneint (vgl. die von ARNOLD in der Entscheidungsanmerkung Anw 1991, 105, erörterten möglichen Interessenlagen), sondern über die Beschwerde und ihre Rechtsverletzungsbehauptung eine Sachentscheidung getroffen.

2.3. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.5. Hingewiesen sei noch darauf, daß die angefochtene aufsichtsbehördliche Bescheidbehebung während des anhängigen Berufungsverfahrens betreffend den Fälligstellungsbescheid erfolgte (zur Zulässigkeit vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1971, Zl. 816/70). Schon im Hinblick darauf, daß Oberbehörde und Berufungsbehörde nicht zusammenfallen müssen (wie dies nach der BAO der Fall sein kann), ist in der aufsichtsbehördlichen Behebung eines in Berufung gezogenen Bescheides keine Erledigung der anhängigen Berufung zu erblicken. Erst die Erledigung der (durch das Zurücktreten des Verfahrens in die Lage vor Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide gemäß § 220 Abs. 6 Stmk LAO gegenstandslos gewordenen) Berufung wird die Wirkung der Berufungsvorentscheidung beenden (vgl. zur Beendigung der Wirkungen der Berufungsvorentscheidung durch die "abschließende" Berufungserledigung STOLL, Bundesabgabenordnung, Handbuch5, 665).

2.6. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993170148.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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