TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/19 92/08/0232

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Veröffentlicht am 19.10.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §10 Abs3 idF 1981/588;
ASVG §4 Abs3 Z10 idF 1981/588;
ASVGNov 37te Art1 Z1;
ASVGNov 37te Art6 Abs1;
ASVGNov 37te Art6 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des LH von OÖ vom 20. 11. 1990, Zl. SV-1341/2-1990, betreffend Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG gemäß Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle (mP: PVA der Ang, Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 23. November 1989 bei der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eingelangten Antrag vom 20. November 1989 beantragte die Beschwerdeführerin gemäß Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 588/1981, die Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG rückwirkend ab dem Zeitpunkt ihrer Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach dem genannten Gesetz. Begründend führte sie dazu aus, daß sie als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der A Beteiligungsgesellschaft m.b.H. nach dem GSVG pflichtversichert gewesen sei. Die genannte Gesellschaft sei am 28. Oktober 1988 in die A Beteiligungs-Aktiengesellschaft umgewandelt und als solche am 24. November 1988 beim Handelsregister des Landesals Handelsgerichtes Linz protokolliert worden. Die Beschwerdeführerin sei Aktionärin und Vorstandsmitglied dieser Aktiengesellschaft. Da aufgrund ihrer sonstigen Beschäftigungen eine Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht mehr vorgelegen sei, habe die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ausgesprochen, daß ihre Pflichtversicherung am 31. Dezember 1988 geendet habe. Mangels Vorliegens einer Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz sei die Beschwerdeführerin daher nach § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG pflichtversichert. Da sie aber im Rahmen der Pensionsversicherung nach dem GSVG bereits

470 Versicherungsmonate in Österreich und

106 Versicherungsmonate in der Bundesrepublik Deutschland erworben habe und infolgedessen die Zahlung weiterer Pensionsversicherungsbeiträge nach dem ASVG nicht zweckmäßig wäre, stelle sie den schon genannten Antrag.

Mit Bescheid vom 27. März 1990 lehnte die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt diesen Antrag gemäß Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle mit der Begründung ab, daß die Beschwerdeführerin am 31. Dezember 1981 noch nicht die Tätigkeit eines Vorstandsmitgliedes oder Geschäftsleiters einer im § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG angegebenen Art ausgeübt habe und daher die Voraussetzungen des Art. VI Abs. 2 der genannten Novelle nicht vorlägen.

In dem dagegen erhobenen, als Berufung bezeichneten Einspruch wendete die Beschwerdeführerin ein, daß - entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt - Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle nicht die Tätigkeit des Antragstellers als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft am 31. Dezember 1981 voraussetze. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung komme es lediglich darauf an, daß der Antragsteller vor dem 1. Jänner 1982 das 50. Lebensjahr vollendet habe, am 31. Dezember 1981 noch keine Anmeldung zur Pflichtversicherung vorgelegen sei und die Antragstellung innerhalb eines Jahres erfolge. Alle drei Voraussetzungen träfen auf den Antrag der Beschwerdeführerin zu. Das zuletzt genannte Tatbestandsmerkmal sei nämlich so zu verstehen, daß die Antragstellung innerhalb eines Jahres ab Einbeziehung in die Pensionsversicherung erfolgen müsse. Im übrigen wäre es nach dem Gebot der sachlichen Rechtfertigung unverständlich, wenn eine Befreiung davon abhängig gemacht würde, daß zum 31. Dezember 1981 eine Vorstandstätigkeit ausgeübt werde. Die Problematik, Pensionsbeiträge zahlen zu müssen, obwohl keine Möglichkeit mehr bestehe, auch einen Pensionsanspruch zu erwerben, stelle sich nämlich völlig unabhängig davon, ob eine Vorstandstätigkeit am genannten Tag bereits ausgeübt worden sei oder nicht. Eine verfassungskonforme Auslegung des Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle könne daher nur zum Ergebnis führen, daß eine Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unabhängig von der Ausübung einer Vorstandstätigkeit am 31. Dezember 1981 möglich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Nach der Bescheidbegründung stehe unbestritten fest, daß die Beschwerdeführerin vor dem 1. Jänner 1982 das 50. Lebensjahr vollendet habe, am 31. Dezember 1981 aber noch nicht die Tätigkeit eines Vorstandsmitgliedes oder Geschäftsleiters einer im § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG angeführten Art ausgeübt habe und (daher) zu diesem Zeitpunkt als Vorstandsmitglied noch nicht zur Pflichtversicherung gemeldet gewesen sei. Die belangte Behörde schließe sich bei ihrer rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes voll der Argumentation der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt in ihrer Stellungnahme zum Einspruch an, wonach gemäß Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle der Personenkreis des § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG als Adressat angesprochen sei. Der Betroffene dürfe demnach am 31. Dezember 1981 nicht zur Pensionsversicherung gemeldet gewesen sein, müsse jedoch dem angesprochenen Personenkreis angehört haben, wenn er die beantragte Befreiung in Anspruch nehmen wolle. Dies ergebe sich aus der Tatsache, daß sich die Bestimmungen des § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG und des Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle gegenseitig bedingten und daher gleichzeitig eintreten müßten. Eine weitere unabdingbare Voraussetzung stelle die normierte Altersgrenze von 50 Jahren dar. Das Hauptgewicht der genannten Voraussetzungen liege aber, wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt richtig ausführe, auf der Ausübung einer der in § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG genannten Funktionen. Da die angeführten Gesetzesstellen demgemäß sowohl vom Inhalt her nachvollziehbar als auch in ihrem Wortlaut klar festgelegt seien, erübrige es sich, auf die Anmerkungen der Beschwerdeführerin zur verfassungskonformen Interpretation näher einzugehen.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung - Berufung an den Bundesminister für Arbeit und Soziales, die dieser mit Bescheid vom 25. Juni 1981 als unzulässig zurückwies.

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin an den Verfassungsgerichtshof einen Wiedereinsetzungsantrag, verbunden mit einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde und dem Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof gab zwar dem Wiedereinsetzungsantrag Folge, lehnte aber die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 28. September 1992, Zl. B 826/91, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Nach der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes in ihrem Recht auf Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG in der Fassung des Art. I Z. 1 der 37. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 588/1981, stehen den Dienstnehmern, soweit im folgenden nichts Besonderes bestimmt wird, gleich (und sind daher pflichtversichert):

"Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Aktiengesellschaften, Sparkassen, Landeshypothekenbanken sowie Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und hauptberufliche Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Kreditgenossenschaften, alle diese, soweit sie in dieser Tätigkeit nicht schon aufgrund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert sind."

Die Absätze 1 bis 3 des Art. VI der genannten Novelle lauten:

"(1) Die im § 4 Abs. 3 Z. 10 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der Fassung des Art. I Z. 1 genannten Personen, die vor dem 1. Jänner 1982 zur Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz angemeldet waren, gelten auch für die danach in Betracht kommenden vor dem 1. Jänner 1982 liegenden Zeiträume, frühestens ab dem Zeitpunkt der Bestellung zum Vorstandsmitglied (Geschäftsleiter), als Pflichtversicherte im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 10 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der Fassung des Art. I Z. 1.

(2) Die im § 4 Abs. 3 Z. 10 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der Fassung des Art. I Z. 1 genannten Personen, die vor dem 1. Jänner 1982 das 50. Lebensjahr vollendet haben und am 31. Dezember 1981 noch nicht zur Pflichtversicherung angemeldet waren, sind von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf Antrag zu befreien, wenn dieser Antrag innerhalb eines Jahres bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gestellt wird. Die Befreiung gilt rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Einbeziehung. Die Entscheidung über den Befreiungsantrag obliegt der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten.

(3) Die erstmaligen Meldungen für Personen, die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes der Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz am 1. Jänner 1982 unterliegen und nicht schon zur Pflichtversicherung angemeldet sind, sind bis 31. März 1982 beim zuständigen Versicherungsträger zu erstatten. Die Bestimmungen der §§ 33 bis 38, 41 bis 43 und 111 bis 113 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes sind entsprechend anzuwenden."

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage der 37. ASVG-Novelle (907 BlgNR 15. GP, Seite 10) wird, soweit dies im Beschwerdefall von Bedeutung ist, zu diesen Bestimmungen ausgeführt:

"Nach der derzeitigen Praxis der Gebietskrankenkassen werden Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften als Dienstnehmer in die Sozialversicherung einbezogen, wenn die Merkmale einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (§ 4 Abs. 2 ASVG) angenommen werden können. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Vorgangsweise der Krankenversicherungsträger in seinem Erkenntnis vom 15. Mai 1981, Zl. 3319/79, verworfen und festgestellt, daß Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft aufgrund ihrer ihnen durch das Aktiengesetz eingeräumten Rechtsstellung in keinem Fall als persönlich und wirtschaftlich abhängig angesehen werden können und daher nicht als Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizieren wären. Die vorgeschlagene Einbeziehung liegt im Interesse der Riskengemeinschaft, aber auch der bisher der Vollversicherung unterlegenen Vorstandsmitglieder. In diesem Sinn soll daher § 4 Abs. 3 ASVG entsprechend erweitert werden.

Durch die Übergangsbestimmung des Art. VI Abs. 1 soll gewährleistet werden, daß es für Personen im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG in der Fassung des Entwurfes zu keiner Benachteiligung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen kommt. Dabei sind die Worte "zur Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz angemeldet waren" so zu verstehen, daß eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nach dem ASVG diese Voraussetzungen auch dann erfüllt, wenn die in Betracht kommende Person nicht in der Eigenschaft, die nun die Pflichtversicherung begründet, zur Sozialversicherung angemeldet war.

Durch die Bestimmung des Art. VI Abs. 2 soll eine Befreiungsmöglichkeit auf Antrag geschaffen werden, wenn der nun zu Versichernde das 50. Lebensjahr vollendet hat."

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin beziehe sich der Streit zwischen ihr und der belangten Behörde bei der Auslegung der zitierten Befreiungsbestimmung des Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle auf das Tatbestandselement "die im § 4 Abs. 3

Z. 10 ... genannten Personen". Nach Meinung der

Beschwerdeführerin sei bei objektiver Auslegung dieses Tatbestandsmerkmales "nur gefordert, daß der Antragsteller der Personengruppe des § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG angehören muß, nicht jedoch zu welchem Zeitpunkt dieses Erfordernis gegeben sein muß". Demgegenüber ergänze die belangte Behörde die Bestimmung ohne gesetzliche Deckung dahingehend, daß die im § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG genannte Eigenschaft bereits vor dem 1. Jänner 1982 vorgelegen sein müsse. Diese Auslegung widerspreche aus nachstehenden Gründen dem Wortlaut und der Intention des Gesetzes und sei daher rechtswidrig: Sinn und Zweck der Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle bestehe darin, daß Personen, die lediglich aufgrund der Bestimmung des § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG versicherungspflichtig seien und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der genannten Novelle aufgrund ihres Alters keine Aussicht auf Erwerb eines Pensionsversicherungsanspruches mehr besäßen, von der Versicherungsleistung in der Pensionsversicherung auf Antrag befreit würden. Entscheidender Zeitpunkt für die Legitimation zur Stellung des Befreiungsanspruches könne daher sinnvollerweise nur der Zeitpunkt der Antragstellung sein. Es müsse daher ausreichen, daß der Antragsteller im Zeitpunkt des Antrages dem genannten Personenkreis angehöre. Die Unhaltbarkeit der behördlichen Interpretation, wonach alle Tatbestandsmerkmale der genannten Befreiungsbestimmung bereits am 31. Dezember 1981 gleichzeitig erfüllt sein müßten, erhelle ferner aus einem Vergleich mit Art. VI Abs. 1 der 37. ASVG-Novelle, genauer mit dem Tatbestandsmerkmal "frühestens ab dem Zeitpunkt der Bestellung zum Vorstandsmitglied". Nach Auffassung der belangten Behörde müßten die genannten Personen spätestens zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung zur Pflichtversicherung zum Vorstandsmitglied bestellt gewesen sein. Dem stehe jedoch der klare Wortlaut der genannten Bestimmung entgegen, der davon ausgehe, daß die Anmeldung zur Pflichtversicherung auch vor der Bestellung zum Vorstandsmitglied erfolgt sein könne. Schließlich wäre eine Differenzierung danach, ob ein Antragsteller bereits am 31. Dezember 1981 zum Vorstandsmitglied bestellt gewesen sei, sachlich nicht zu rechtfertigen. Nach ständiger Judikatur beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei zufolge des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes bei der Auslegung von Gesetzestexten immer diejenige Auslegungsvariante zu wählen, die zu einem Ergebnis führe, das mit der Verfassung in Einklang zu bringen sei. Da jedoch die sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Vorstandsmitgliedern je nach dem Datum ihrer Bestellung nicht denkbar sei, würde eine derartige Interpretation zu einem verfassungwidrigen, d.h. gleichheitswidrigen, Ergebnis führen, weshalb sie im Sinne des Grundsatzes der verfassungskonformen Interpretation unzulässig sei.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist aus nachstehenden Gründen der Interpretation des Art. VI Abs. 2 der 37. ASVG-Novelle durch die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt und durch die ihr insofern folgende belangte Behörde der Vorzug vor jener durch die Beschwerdeführerin zu geben:

§ 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG in der Fassung des Art. I Z. 1 der genannten Novelle ist gemäß Art. IX Abs. 1 der Novelle am 1. Jänner 1982 in Kraft getreten. Demgemäß wurden - unter Bedachtnahme auf die in den Erläuterungen zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. außer dem genannten Erkenntnis vom 15. Mai 1981, Zl. 3319/79, Slg. Nr. 10.452/A, auch das Erkenntnis vom 22. Mai 1981, Zl. 1773/80) - (unter anderem) Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, ungeachtet ihrer bereits vor dem 1. Jänner 1982 erfolgten Bestellung und der Beibehaltung dieser Funktion über den 31. Dezember 1981 hinaus, grundsätzlich erst ab 1. Jänner 1982 in die Vollversicherungspflicht (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungspflicht) nach dem ASVG einbezogen.

Von diesem Grundsatz statuiert Art. VI Abs. 1 der 37. ASVG-Novelle eine Ausnahme dahin, daß (unter anderem) Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, die (bereits) vor dem 1. Jänner 1982 zur Pflichtversicherung nach dem ASVG angemeldet waren (aber - entsprechend der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - nicht der Pflichtversicherung unterlagen), zur Vermeidung einer "Benachteiligung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen" in Erweiterung des genannten Grundsatzes "auch für die danach in Betracht kommenden, vor dem 1. Jänner 1982 liegenden Zeiträume" (das heißt - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nur für die Zeiträume zwischen der vor dem 1. Jänner 1982 gelegenen Anmeldung und dem 1. Jänner 1982) "als Pflichtversicherte im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 10" ASVG gelten; allerdings im Hinblick auf § 10 Abs. 3 ASVG in der Fassung der genannten Novelle, wonach die Pflichtversicherung mit der Bestellung beginnt, "frühestens ab dem Zeitpunkt der Bestellung zum Vorstandsmitglied" (und nicht bereits ab einer davor liegenden Anmeldung).

Für die übrigen, von Art. VI Abs. 1 der genannten Novelle nicht erfaßten, in § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG genannten Personen, also solche, welche die darin genannte Funktion bereits seit einem vor dem 1. Jänner 1992 liegenden Zeitpunkt ausgeübt haben, aber nicht zur Pflichtversicherung nach dem ASVG angemeldet waren, bleibt es nach den Absätzen 2 und 3 des Art. VI beim genannten Grundsatz. Sie unterliegen demnach erst ab dem 1. Jänner 1982 der Vollversicherungspflicht nach dem ASVG; allerdings mit zwei Besonderheiten: 1. mußten nach Art. VI Abs. 3 der genannten Novelle diese Personen - in Abweichung von den sonstigen Meldefristen - erst bis spätestens 31. März 1982 beim zuständigen Versicherungsträger gemeldet werden und 2. waren diese Personen über ihren innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der genannten Novelle zu stellenden Antrag unter der weiteren Voraussetzung, daß sie vor dem 1. Jänner 1982 bereits das 50. Lebensjahr vollendet haben, von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung zu befreien. Wie sich aus dem Zusammenhang des Art. VI Abs. 2 mit den beiden anderen Übergangsbestimmungen sowie den Erläuterungen zu ihnen ergibt, erschöpft sich darin der normative Gehalt der strittigen Befreiungsregelung. Sie ist demnach - entgegen den Beschwerdeausführungen - nicht auch auf Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften anwendbar, die erst nach dem 11. Dezember 1981 dazu bestellt wurden.

Diese dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Auslegung des Art. VI Abs. 2 der genannten Novelle widerspricht auch nicht dem erkennbaren Zweck dieser Bestimmung. Denn ihr liegt offensichtlich die Überlegung zugrunde, von den im § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG angeführten Personen, die in dieser Funktion bereits seit einem vor dem 1. Jänner 1982 liegenden Zeitpunkt tätig, aber - aus welchem Grunde immer - nicht zur Pflichtversicherung nach dem ASVG angemeldet waren und die daher erst ab dem 1. Jänner 1982 unter anderem in die Pensionsversicherung nach dem ASVG einbezogen wurden, jenen, die schon vor dem 1. Jänner 1982 das 50. Lebensjahr vollendet haben, die Möglichkeit zu geben, eine Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung zu bewirken, weil und insofern von ihnen im Hinblick auf ihr Alter angenommen werden kann, sie hätten sich wegen der Nichteinbeziehung in die Pensionsversicherung bereits durch privatrechtliche Verträge gegen die durch die Pensionsversicherung abgedeckten Risken abgesichert.

Gegen die Gewährung einer Befreiungsmöglichkeit an die eben genannte Personengruppe und nicht auch an andere, z. B. an solche, die zwar bereits vor dem 1. Jänner 1982 das 50. Lebensjahr vollendet, aber erst nach Inkrafttreten der 37. ASVG-Novelle unter anderem zum Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft bestellt wurden, bestehen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aus nachstehenden Gründen aber auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des im Art. 7 B-VG verankerten, auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatzes:

Dieser Grundsatz setzt dem Gesetzgeber insofern verfassungsrechtliche Schranken, als er ihm verbietet, Differenzierungen vorzunehmen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind. Er darf demnach nicht Gleiches in unsachlicher Weise ungleich behandeln. Dem Gleichheitsgrundsatz ist aber auch das Gebot einer differenzierenden Regelung wesentlich unterschiedlicher Sachverhalte immanent; das heißt der Gesetzgeber darf auch Ungleiches nicht unsachlicherweise gleich behandeln (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 1991, VfSlg. 12.641). Bei seinen rechtspolitischen Überlegungen kann der Gesetzgeber allerdings - ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen - auch von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen. Der Umstand, daß eine - an sich sachliche - Regelung in Einzelfällen zu unbefriedigenden Ergebnissen und Härten führt, berührt nicht die Sachlichkeit der Regelung (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1989, Zl. 88/08/0132, sowie OGH, Arb. 10.221).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze, insbesondere auf die demnach gebotene Durchschnittsbetrachtung, erscheint es dem Verwaltungsgerichtshof nicht als unsachlich, wenn der Gesetzgeber von den im § 4 Abs. 3 Z. 10 ASVG angeführten Personen, die schon vor dem 1. Jänner 1982 das 50. Lebensjahr vollendet haben, aus den obgenannten Gründen nur jenen die Befreiungsmöglichkeit von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung eingeräumt hat, die bereits zu einem vor dem 1. Jänner 1982 liegenden Zeitpunkt unter anderem zum Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft bestellt wurden, nicht aber auch den Personen, deren Bestellung erst nach Inkrafttreten der genannten Novelle erfolgte; dies deshalb, weil für sie im Hinblick auf die neue Rechtslage keine Notwendigkeit mehr besteht, sich gegen die durch die Pensionsversicherung abgedeckten Risken in ähnlicher Weise wie Personen der erstgenannten Gruppe abzusichern. Wie der Verfassungsgerichtshof in dem im Ablehnungsbeschluß zitierten Erkenntnis vom 10. März 1987, VfSlg. 11.288, ausgeführt hat, ist hiebei nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber damit die sachgerechteste Lösung getroffen hat; die ihm durch den Gleichheitsgrundsatz gesetzte Grenze hat er nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes bei dieser Regelung (noch) nicht überschritten, auch wenn mit der getroffenen Regelung Härten verbunden sein mögen; letzteres auch unter Bedachtnahme auf den Einwand im Einspruch, es sei problematisch, Pensionsbeiträge zahlen zu müssen, obwohl im Hinblick auf den geschilderten Versicherungsverlauf keine Möglichkeit mehr bestehe, auch einen Pensionsanspruch (auf Grund des versicherungspflichtigen Tätigkeiten nach dem ASVG) zu erwerben. Denn angesichts des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin von Leistungen aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG, zu der sie wegen ihrer Funktion beiträgt, nicht etwa von vornherein (durch das Gesetz) ausgeschlossen ist, macht die bloß geringe Wahrscheinlichkeit bzw. nur theoretische Möglichkeit, eine Leistung auch von dieser Versicherungsgemeinschaft zu erhalten, ihre Einbeziehung in diese Riskengemeinschaft nicht verfassungswidrig (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1989, Zl. 89/08/0175, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1991, VfSlg. 12.739).

Letztlich übersieht die Beschwerdeführerin, daß die Übergangsbestimmung des Art. VI Abs. 2 der mehrfach genannten Novelle, soweit sie auf die Vollendung des 50. Lebensjahres vor dem 1. Jänner 1982 abstellt, nur mit der Einbeziehung u.a. von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in die Pflichtversicherung zu diesem Zeitpunkt sachlich gerechtfertigt werden kann. Denn würde man diese Bestimmung als Dauerrecht verstehen, wäre es in der Tat verfassungsrechtlich bedenklich, innerhalb des Kreises von Vorstandsmitgliedern, die nach Vollendung des 50. Lebensjahres bestellt werden, jenen, die dieses Lebensalter vor dem 1. Jänner 1982 vollendet haben, eine Befreiungsmöglichkeit einzuräumen, die den anderen nicht offenstünde.

Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080232.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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