TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/19 93/14/0118

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Veröffentlicht am 19.10.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

BAO §26 Abs2;
FamLAG 1967 §5 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Hutter, über die Beschwerde der VK in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26. Mai 1993, Zl. 209/4-5/Nw-1993, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid forderte die belangte Behörde von der Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe für ihre Enkelkinder L K, geboren am 3. Oktober 1988, und I K, geboren am 9. Mai 1990, für die Zeit vom 1. September 1991 bis 31. März 1992 zurück, da der ständige Aufenthalt im Inland unterbrochen worden sei.

Durch diese Rückforderung erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG gehört ein Kind zum Haushalt einer Person dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn (lit. a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält. Gemäß § 5 Abs. 4 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, es sei denn, daß die Gegenseitigkeit durch Staatsverträge verbürgt ist. Mit den USA besteht kein die Gegenseitigkeit verbürgender Staatsvertrag (vgl. Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Kommentar zum Familienlastenausgleich, § 5 FLAG Anmerkung 5).

Zu § 5 Abs. 4 FLAG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Juni 1982, 82/14/0047, ausgesprochen, daß zur Auslegung des (auch in § 33 Abs. 1 FLAG verwendeten) Begriffes des "ständigen Aufenthaltes" auf § 26 Abs. 2 BAO zurückgegriffen werden kann. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Lande nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Begriffsbestimmung lasse sich zwangslos auf das "sich ständig im Ausland Aufhalten" des § 5 Abs. 4 FLAG übertragen. Denn wer sich in einem Land unter erkennbaren Umständen aufhalte, daß er dort nicht nur vorübergehend verweile, von dem müsse bei objektiver Betrachtung angenommen werden, daß er sich in jenem Land ständig aufhalte (vgl. auch Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta aaO).

Unstrittig ist im Beschwerdefall, daß die beiden Enkelkinder der Beschwerdeführerin sich bei dieser in Österreich befanden, ausgenommen folgende Zeiträume, in denen sie sich bei ihrer Mutter in den USA aufhielten:

    L K:  3.10.1988 bis 20.10.1988

         30. 1.1989 bis 23. 2.1989

         23. 8.1989 bis 14. 9.1989

         22. 8.1991 bis 18. 4.1992

    I K:  9. 5.1990 bis 24. 5.1990

          4. 2.1991 bis 21. 2.1991

         22. 8.1991 bis 18. 4.1992

    Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren

vorgebracht, ihre Tochter, die Kindesmutter, studiere seit 1989

in New York (laut Beschwerde wurde das Studium im Mai 1993

beendet). Sowohl die Tochter als auch der (offenbar ägyptische)

Schwiegersohn befänden sich in den USA nicht zu Erwerbszwecken

und hätten weder eine Arbeits- noch eine

Niederlassungsbewilligung; beide seien finanziell immer noch

voll von der Beschwerdeführerin abhängig; die Tochter werde

nach Abschluß des Studiums voraussichtlich Sommer 1993 mit

ihrem Ehegatten nach Österreich zurückkehren. Die Enkelkinder

würden einmal in Österreich die Schule besuchen, das Enkelkind

L K ab 7. September 1992 einen österreichischen Kindergarten.

Die Enkelkinder hätten sich nur für kurze Zeit zur Vermeidung der Entfremdung bei ihrer Mutter an deren Studienort befunden. Sie hätten schon zu den Weihnachtsferien 1991 mit ihrer Mutter zur Beschwerdeführerin zurückreisen sollen; leider sei die finanzielle Lage der Beschwerdeführerin damals dermaßen angespannt gewesen, daß sie auf eine Reise dieser drei Personen habe verzichten müssen und sich daraus eine spätere Rückreise zu Ostern 1992 ergeben habe.

Die belangte Behörde hat die Richtigkeit dieses Vorbringens nicht bezweifelt. Sie hat auch keinen Zusammenhang zwischen der Beendigung des Studiums des Kindesvaters im Mai 1991 und dem folgenden Auslandsaufenthalt der Kinder hergestellt. Sie hat weiters eingeräumt, daß sich die Kinder nach dem 18. April 1992 ständig im Inland aufhielten. Nach Meinung der belangten Behörde müsse von einer Unterbrechung des ständigen Aufenthaltes im Inland aber unter Berücksichtigung der zahlreichen anderen Auslandsaufenthalte der Kinder deshalb gesprochen werden, weil die Dauer des Auslandsaufenthaltes der Kinder bei den Eltern ab 22. August 1991 nicht festgestanden habe und eine Verlängerung möglich gewesen sei.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die übrigen USA-Aufenthalte der Enkelkinder der Beschwerdeführerin jeweils nur etwa drei Wochen gedauert haben. Nicht einmal die belangte Behörde behauptet, diese Besuche bei der Kindesmutter würden über einen vorübergehenden Aufenthalt hinausgehen. Sofern aus diesen Aufenthalten irgendein Rückschluß auf den gegenständlichen Aufenthalt möglich sein sollte, würde ein solcher nicht für, sondern gegen die Ansicht der belangten Behörde sprechen. Daß die Dauer des USA-Aufenthaltes der Kinder ab 22. August 1991 nicht festgestanden wäre, ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde nicht, die Beschwerdeführerin hat demgegenüber eine Befristung bis Weihnachten 1991 behauptet; auf bloße Absichten kam es freilich nicht an (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, Seite 42, sowie das hg. Erkenntnis vom 31. März 1992, 87/14/0096). Aus der Möglichkeit einer Verlängerung (bis Ostern 1992) folgt nicht schon zwingend die Annahme eines ständigen Aufenthaltes im Ausland.

Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes hat der Gerichtshof die Ansicht vertreten, daß ein solcher auch bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer als von 6 Monaten vorliegen kann, sofern nur der Aufenthalt unter Umständen genommen wird, die erkennen lassen, daß es sich nicht nur um ein bloß vorübergehendes Verweilen handelt (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 31. März 1992, 87/14/0096). Andererseits kann aber auch bei einem 7 - 8monatigen Aufenthalt nicht schon allein aufgrund der Dauer von einem ständigen Aufenthalt gesprochen werden.

Die sechsmonatige Frist des 2. Satzes des § 26 Abs. 2 BAO ist im Beschwerdefall nicht heranzuziehen; dieser Subsidiartatbestand hat nur dort Bedeutung, wo unbeschränkte Steuerpflicht (Einkommensteuer, Vermögensteuer) vorgesehen ist (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, Seite 73). Betrachtet man nun die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten, oben wiedergegebenen Umstände des Einzelfalles (darunter auch das Verhältnis zu den vor dem 22. August 1991 und nach dem 18. April 1992 bei der Beschwerdeführerin verbrachten Zeiten) in ihrem Gesamtbild, so ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für den strittigen Zeitraum kein im Sinne des § 5 Abs. 4 FLAG ständiger, sondern bloß ein vorübergehender (vgl. § 2 Abs. 5 lit. a FLAG) Auslandsaufenthalt der Kinder anzunehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz die Umsatzsteuer nicht gesondert zuzusprechen ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993140118.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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