TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/20 90/13/0289

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Veröffentlicht am 20.10.1993
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
33 Bewertungsrecht;
37/02 Kreditwesen;
53 Wirtschaftsförderung;
56/02 Verstaatlichte Banken;

Norm

BAO §92;
FinStrG §33;
FinStrG §82;
FinStrG §83 Abs2;
FinStrG §83;
KWG 1979 §23 Abs2 Z1 idF 1986/325;
KWG 1979 §23 Abs2 Z1;
KWGNov 1986;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 14. November 1990, GA 10-824/90, betreffend Konkretisierung der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 29. Juni 1984 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, daß er im Bereich des Finanzamtes X im Zusammenwirken mit Dr. K und M.K. vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht in den Jahren 1977 bis 1982 eine Verkürzung von Abgaben an Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Vermögensteuer in im Abgabenbemessungsverfahren noch näher festzustellender Höhe bewirkt bzw. zu bewirken versucht und hiemit "ein Finanzvergehen nach § 33 (1), § 33 (1) i.V.m. § 13, § 11 des Finanzstrafgesetzes" begangen habe.

Am 9. Mai 1988 erging an den Beschwerdeführer ein Schreiben, mit dem das am 29. Juni 1984 eingeleitete Finanzstrafverfahren "konkretisiert" wurde. Dabei wurde der Zeitraum, für den dem Beschwerdeführer Abgabenverkürzungen angelastet worden waren, von 1977 bis 1982 auf 1979 bis 1981 eingeschränkt, der ursprüngliche Verdacht auf Verkürzung von Vermögensteuer fallengelassen und die verkürzten Abgabenbeträge (erstmals) exakt bekanntgegeben.

Der Beschwerdeführer erblickte in diesem "Konkretisierungsschreiben" einen Bescheid, den er mit Administrativbeschwerde gemäß § 152 Abs. 1 FinStrG bekämpfte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Beschwerde als unzulässig zurück, weil dem Konkretisierungsschreiben kein Bescheidcharakter zukomme.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als entscheidenden Streitpunkt bezeichnet der Beschwerdeführer, "ob einem Schreiben der Finanzstrafbehörde erster Instanz, womit bestimmte Vorwürfe eines finanzstrafrechtlich relevanten Verhaltens umschrieben werden, Bescheidcharakter zukommt oder nicht".

Dazu ist folgendes zu sagen: Nach älterer übereinstimmender Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kam der im § 83 Abs. 2 FinStrG angeordneten Verständigung des Verdächtigen von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens kein Bescheidcharakter zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1988, 87/13/0126, und die dort zitierte Rechtsprechung beider Höchstgerichte).

Mit Bundesgesetz vom 27. Juni 1986, BGBl. Nr. 325, wurde § 23 Abs. 2 Z. 1 des Kreditwesengesetzes in der Weise geändert, daß die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses gegenüber den Finanzstrafbehörden nicht besteht "im Zusammenhang ... mit EINGELEITETEN Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten".

Der Gesetzgeber stellt somit in der novellierten Fassung des § 23 Abs. 2 Z. 1 Kreditwesengesetz bei der Normierung eines Durchbrechungstatbestandes betreffend das Bankgeheimnis ausdrücklich darauf ab, daß ein Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde. Mit der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen vorsätzlicher Abgabenverkürzung wird in die Rechtssphäre des bisher Verdächtigten und nunmehr Beschuldigten insofern eingegriffen, als damit die rechtliche Voraussetzung für die Beseitigung einer gesetzlichen Geheimhaltungspflicht geschaffen wird, mit der rechtliche und wirtschaftliche Interessen des Bankkunden geschützt werden. Daraus hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 9. Juni 1988, B 92/88, die normative Wirkung der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens und damit dessen Bescheidcharakter abgeleitet. Diese normative Wirkung kommt jedoch NUR der Verständigung von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens zu. Wird im Zuge eines bereits eingeleiteten Finanzstrafverfahrens dem Beschuldigten das Ausmaß jener Abgaben mitgeteilt, deren Verkürzung ihm mit dem Hinweis "in im Abgabenbemessungsverfahren noch näher festzustellender Höhe" zur Last gelegt worden war, so entfaltet ein solches Schreiben keine Rechtswirkungen in bezug auf die Durchbrechung des Bankgeheimnisses, weil diese Rechtswirkungen bereits mit der vorangegangenen Einleitung des Finanzstrafverfahrens eingetreten sind und begrifflich kein weiteres Mal eintreten können. Andere Rechtswirkungen, die dem "Konkretisierungsschreiben" normativen Gehalt verleihen könnten, werden vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt und sind auch für den Gerichtshof nicht erkennbar. Die EINSCHRÄNKUNG der zur Last gelegten Tat auf einen Teil der ursprünglich genannten Zeiträume und Abgabenarten vermag die eingetretenen Rechtswirkungen der seinerzeitigen Einleitung des Finanzstrafverfahrens jedenfalls nicht zu erweitern. Im übrigen ist die Behauptung des Beschwerdeführers aktenwidrig, daß in der nunmehrigen Mitteilung "von ganz anderen Beträgen als jenen, die seinerzeit vorgeworfen waren, ausgegangen wird". Vielmehr enthielt die seinerzeitige Verständigung von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens überhaupt keine konkreten Angaben über die Höhe der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Abgabenverkürzungen.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht die auf § 152 Abs. 1 FinStrG gestützte Administrativbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, daß in dem Konkretisierungsschreiben vom 9. Mai 1988 kein Bescheid zu erblicken sei.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990130289.X00

Im RIS seit

19.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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