TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/29 92/01/0985

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Veröffentlicht am 29.10.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §39 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth sowie die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des M in T, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juli 1992, Zl. 4.328.920/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juli 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - der kurdischer Abstammung, jedoch ungeklärter Staatsangehörigkeit ist, und der am 26. November 1991 illegal in das Bundesgebiet eingereist war - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. März 1992, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Anläßlich seiner am 19. Dezember 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten schriftlichen Einvernahme hatte der Beschwerdeführer angegeben, er sei kurdischer Abstammung und in Syrien geboren, jedoch habe man im Jahre 1963 seinen Eltern bereits die syrische Staatsbürgerschaft entzogen. Er selbst sei 1985 der kommunistischen Arbeiterpartei in Syrien beigetreten, bei der es sich um eine illegale verbotene Partei handle, deren Mitgliedschaft mit lebenslanger Haft bestraft werde. Im Jahre 1987 seien 25 Parteigenossen verhaftet worden. Um einer eventuellen Verhaftung zu entgehen, sei er illegal in den Libanon ausgereist, wo er sich bis zum 25. November 1991, und zwar hauptsächlich in Sidon, aufgehalten habe. Dort habe er gemeinsam mit der Bruderpartei gearbeitet und sei für die syrischen Behörden unerreichbar gewesen. Am 20. Mai 1991 habe er sich dort mit einer libanesischen Staatsbürgerin verehelicht und beschlossen, in Beirut zu bleiben. Als die libanesische Armee von Syrien gelenkt an Macht gewonnen habe, sei es jedoch zu Massenverhaftungen syrischer Oppositioneller in Beirut gekommen, sodaß er, da er den syrischen Behörden bekannt gewesen sei, um sein Leben gefürchtet und beschlossen habe, den Libanon zu verlassen. Würde er nach Syrien oder in den Libanon zurückkehren, würde er mit Schwierigkeiten der jeweiligen Behörden zu rechnen haben. Mit Hilfe von Parteigenossen habe er am 25. November 1991 den Libanon mit einem gefälschten syrischen Personalausweis verlassen. Am 26. November 1991 habe er Syrien vom Flughafen Damaskus aus mit einem ebenfalls gefälschten tunesischen Reisepaß in Richtung Österreich verlassen. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer noch vor, es habe auch im November 1987 nach seiner Flucht in den Libanon eine Hausdurchsuchung durch die Polizei stattgefunden, er müsse im Falle der Rückkehr in sein Heimatland mit seiner Ermordung rechnen.

Nach Wiedergabe der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung führte die belangte Behörde zur Begründung ihrer abweislichen Entscheidung im wesentlichen aus, glaubhaft sei die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur kommunistischen Arbeiterpartei; unglaubwürdig sei hingegen, daß er mit seiner Tötung oder Bestrafung mit lebenslanger Haft im Heimatstaat rechnen müsse, da er, ausgehend von seinen eigenen Angaben, daß es seine Aufgabe als Mitglied der kommunistischen Arbeiterpartei gewesen sei, die Parteizeitung zu verteilen und Plakate anzubringen sowie bei Versammlungen und Kundgebungen für die Partei tätig zu werden, nur in untergeordneter Rolle in Erscheinung getreten sei. Nicht nachvollziehbar sei überdies, warum er, der angeblich eine Verfolgung in Syrien zu gewärtigen habe, sich dem Risiko ausgesetzt habe, sich freiwillig in den angeblich verfolgenden Staat zurückzubegeben, zudem mit einem gefälschten Ausweisdokument eben dieses Staates. Es sei unwahrscheinlich, daß eine in Syrien und von den syrischen Behörden verfolgte Person auch mit gefälschtem Reisepaß die Grenzkontrolle unbeschadet passieren könne. Eine gegen den Beschwerdeführer stattgefundene Verfolgungshandlung anläßlich seines zweiten Aufenthaltes in Syrien sei von ihm nicht einmal behauptet worden.

Zutreffend verweist der Beschwerdeführer nun darauf, daß diese von der belangten Behörde aus den vorliegenden Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens gezogenen Schlußfolgerungen nicht nachvollziehbar sind. Insbesondere hat sich die belangte Behörde mit der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptung nicht auseinandergesetzt, ihn erwarte in seinem Heimatland allein aufgrund seiner Mitgliedschaft zur verbotenen kommunistischen Arbeiterpartei - und damit unabhängig von seiner Stellung innerhalb derselben - die Todesstrafe oder zumindest eine lebenslange Haftstrafe. Die belangte Behörde ist auf dieses Vorbringen nicht eingegangen, obwohl der Beschwerdeführer damit konkret eine aufgrund seiner politischen Gesinnung zu erwartende und damit im Sinne des § 1 Abs. 1 Asylgesetz 1991 relevante Verfolgung darstellt. Unschlüssig ist auch die Argumentation der belangten Behörde, anläßlich seines (zweiten) Aufenthaltes in Syrien

(25./26. November 1991) sei es zu keinen konkreten Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer gekommen, ohne sich hinreichend mit dem Vorbringen auseinanderzusetzen, daß er in dieser relativ kurzen Zeit durch die Verwendung gefälschter Personaldokumente seine wahre Identität verschleiert habe und es besonderer Anzeichen bedurft hätte, anzunehmen, die Behörden des Verfolgerstaates hätten von seiner Rückkehr überhaupt Kenntnis erlangt. Die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen stellen daher keine schlüssige Begründung dar. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Verfahrensmängeln behaftet, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß auf die weiteren Beschwerdeausführungen im einzelnen eingegangen werden muß.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010985.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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