TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/23 93/11/0154

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Veröffentlicht am 23.11.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §52;
AVG §63 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §67;
KFG 1967 §75;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 1. Juli 1993, Zl. 421330/3-I/10/93, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens, zu Recht erkannt.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im Besitz einer bis 12. Juli 1992 befristeten Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen B und F. Sein Antrag vom 27. Mai 1992 auf "Verlängerung" dieser Berechtigung wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 29. Juli 1992 abgewiesen. Dagegen brachte er am 11. August 1992 Berufung ein. Wegen Nichterledigung der Berufung durch die Berufungsbehörde, den Landeshauptmann von Wien, brachte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG vom 20. April 1993 an die belangte Behörde ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Devolutionsantrag abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, mitgeteilt, daß von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen wird, und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Devolutionsantrages damit, daß die Berufungsbehörde nicht das ausschließliche Verschulden an der Nichterledigung der Berufung trage. Sie hätte dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, daß sie zur meritorischen Erledigung seiner Berufung einen vom Beschwerdeführer beizubringenden verkehrspsychologischen Befund benötige. Der Beschwerdeführer habe aber einen solchen nicht vorgelegt. Dieser Umstand habe die Berufungsbehörde außerstande gesetzt, über die Berufung zu entscheiden.

Erachtet die Behörde in einem Verfahren betreffend Erteilung einer Lenkerberechtigung - um eine solche handelt es sich auch bei der vom Beschwerdeführer auf Verwaltungsebene begehrten "Verlängerung" - ein bestimmtes Gutachten oder einen bestimmten Befund zur Beurteilung des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen für erforderlich, so hat sie den Antragsteller mittels Verfahrensanordnung aufzufordern, dieses Gutachten oder diesen Befund beizubringen. Zur Beibringung ist der Antragsteller gemäß § 67 Abs. 2 letzter Satz KFG 1967 verpflichtet. Wenn er dieser Pflicht nicht nachkommt, ist die Behörde berechtigt, davon auszugehen, daß die betreffende Eignungsvoraussetzung bei ihm nicht gegeben ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 19. Februar 1991, Zl. 90/11/0099). Setzt die Behörde für die Beibringung eine Frist, so wird die genannte Annahme - unter der Voraussetzung, daß die Frist angemessen war - mit Ablauf der Frist gerechtfertigt sein. Setzt sie eine solche Frist nicht, dann kann diese Rechtsfolge nicht eintreten. Um das Verfahren abschließen zu können, muß die Behörde eine neuerliche Aufforderung - dieses Mal unter Setzung einer angemessenen Frist - an den Antragsteller richten. Unterläßt sie dies, so ist ihr Untätigbleiben über die Frist des § 73 Abs. 2 AVG hinaus von ihr verschuldet. Die Berufungsbehörde hätte daher die Pflicht gehabt, die Berufung meritorisch zu erledigen.

Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie davon ausging, die Nichtbeibringung des verlangten Befundes berechtigte die Berufungsbehörde zum Untätigbleiben. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß die einzige Möglichkeit eines Antragstellers zur Bekämpfung der seiner Auffassung nach ungerechtfertigten Annahme der Erforderlichkeit eines solchen Befundes die Anfechtung eines negativen Bescheides über seinen Antrag wegen Nichtbeibringung des Befundes ist. Der Befund wäre nämlich im Falle seiner Beibringung jedenfalls der Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Lenkerberechtigung zugrunde zu legen und die Rechtmäßigkeit des Verlangens nach seiner Vorlage wäre als überholt anzusehen.

Der angefochtene Bescheid war aus dem genannten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztInhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz)Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110154.X00

Im RIS seit

19.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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