TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/23 93/04/0169

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Veröffentlicht am 23.11.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
GewO 1973 §366 Abs1 Z2;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. Juni 1993, Zl. UVS-04/23/00201/92, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 18. Bezirk, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Gesellschafter der "S-Gesellschaft n. b.R." in Wien das konzessionierte Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung ausgeübt zu haben, ohne hiezu gewerbeberechtigt gewesen zu sein, indem er näher bezeichnete Arbeitskräfte zu bestimmten Zeiten an die ""X-Ges.m.b.H." (Y)" in Wien verliehen habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 begangen, weshalb über ihn nach § 366 Abs. 1 Einleitungssatz leg. cit. eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt wurde.

Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers bestätigte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien mit Bescheid vom 22. Juni 1993 das erstbehördliche Straferkenntnis in der Schuldfrage und im Kostenausspruch mit der Maßgabe, daß es im Spruch statt "X-Ges.m.b.H. (Y)" richtig "Y-Zeitschriften GesmbH & Co. KG" zu lauten habe. Die Strafnorm habe richtig "§ 366 Abs. 1 Einleitungssatz iZm Z. 2 GewO 1973" zu lauten. Im Strafausspruch wurde der Berufung Folge gegeben und die Geldstrafe auf S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) herabgesetzt. Zur Begründung führte der Unabhängige Verwaltungssenat aus, die Abänderung im Spruch habe deshalb erfolgen können, da es sich bei der Firma, an welche die Arbeitskräfte verliehen worden seien, laut den in der Verhandlung vorgelegten Auftragsbestätigungen einwandfrei um die "Y-Zeitschriften Ges.m.b.H. & Co. KG" gehandelt habe und es sich hiebei nicht um ein wesentliches Tatbestandselement im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer u.a. geltend, die belangte Behörde habe "eigenmächtig und ohne vorherige Erörterung mit dem Beschuldigten oder dessen Vertreter den inkriminierten Überlassungsvorgang wesentlich verändert". Der Beschwerdeführer habe keine Möglichkeit gehabt, sich auf den neuen Sachverhalt einzustellen und ihn entlastende Beweisanträge zu stellen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) hat die Berufungsbehörde - von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall des Abs. 2 abgesehen -, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauungen an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Verpflichtung der Berufungsbehörde, "in der Sache" zu entscheiden, besagt, daß die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen erstbehördlichen Bescheides begrenzt ist. Das bedeutet für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens, daß es der Berufungsbehörde untersagt ist, die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat gegen eine andere Tat auszuwechseln (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1977, Slg. N.F. Nr. 9222/A).

Gegen diese gesetzliche Anordnung verstieß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dadurch, daß sie dem Beschwerdeführer, dem im Straferkenntnis erster Instanz als Tathandlung, durch welche die unbefugte Ausübung eines konzessionierten Gewerbes gesetzt wurde, zur Last gelegt worden war, er habe Arbeitskräfte an die ""X-Ges.m.b.H." Y" verliehen, nunmehr eine andere Tathandlung vorwarf, nämlich den Verleih von Arbeitskräften an die "Y-Zeitschriften Ges.m.b.H. & Co KG".

Es trifft zwar zu, daß es sich bei der Person des Empfängers der Leih-Arbeitskräfte nicht um ein wesentliches Tatbestandselement der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten unbefugten Ausübung des Gewerbes der Arbeitskräfterüberlassung handelt, doch vermag dies nichts daran zu ändern, daß es sich dabei um ein die Identität der Tathandlung bestimmendes Merkmal handelt, dessen Auswechslung den Vorwurf einer anderen Tathandlung bedeutet.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da eine mündliche Verhandlung nicht stattfand, war auch der begehrte Verhandlungsaufwand nicht zuzusprechen. Im übrigen betrifft die Abweisung des Mehrbegehrens nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993040169.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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