TE Vfgh Erkenntnis 1991/6/11 B979/90

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Veröffentlicht am 11.06.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

StGG Art8
MRK Art5
VStG §35 lita
VStG §35 litc
EGVG ArtIX Abs1 Z2

Leitsatz

Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf persönliche Freiheit durch Festnahme und Anhaltung wegen ungestümen Benehmens; kein Verharren in der strafbaren Handlung; keine Wiederholungsgefahr; keine Notwendigkeit einer Identitätsfeststellung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist dadurch, daß er am 21. Juni 1990 um 10 Uhr 17 von Organen der Bundespolizeidirektion Graz festgenommen und anschließend bis 10 Uhr 35 angehalten wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 30.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer betreibe einen Obst- und Gemüsestand am Jakominiplatz in Graz. Unmittelbar vor diesem habe er am 21. Juni 1990 sein Kraftfahrzeug in einer Kurzpark- und Ladezone abgestellt. Gleich darauf habe auch eine Angestellte des Beschwerdeführers ihren PKW kurzzeitig, und zwar in zweiter Spur, angehalten, um Waren in den Obst- und Gemüsestand des Beschwerdeführers zu bringen, weshalb sie von der mit Verkehrsüberwachungsaufgaben betrauten Vertragsbediensteten W S beanstandet worden sei. Daraufhin habe der Beschwerdeführer die Genannte kritisiert und aufgefordert, auch die Lenker der bei einer anderen Firma beschäftigten Personen, die ihre Fahrzeuge ebenfalls in zweiter Spur geparkt bzw. gehalten hätten, zur Verantwortung zu ziehen.

Einige Zeit später seien zwei Sicherheitswachebeamte erschienen, hätten das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers eingehend inspiziert und festgestellt, daß das auf der Begutachtungsplakette gemäß §57a KFG eingestanzte polizeiliche Kennzeichen nicht mit jenem am Kraftfahrzeug angebrachten übereinstimme, weshalb sie am Fahrzeug des Beschwerdeführers unter Hinweis auf §36e KFG eine Lenkerverständigung mit dem Hinweis darauf angebracht hätten, daß Anzeige erstattet werde. Daraufhin hätten sich die beiden Beamten zum Obst- und Gemüsestand des Beschwerdeführers begeben und ihn aufgefordert, die Fahrzeugpapiere vorzuweisen.

Der Beschwerdeführer habe dieses Begehren mit dem Hinweis abgelehnt, das Fahrzeug stehe auf einem Privatparkplatz, es sei nicht in Betrieb, er bediene gerade Kunden und habe die Fahrzeugpapiere nicht greifbar.

Nach weiteren, in der Beschwerde näher geschilderten Auseinandersetzungen zwischen dem Beschwerdeführer und den Sicherheitswachebeamten sei der Beschwerdeführer zur Ausweisleistung aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen, weil er dazu nicht verpflichtet gewesen sei. Insbesondere sei auch den Beamten seine Identität schon vorher bekannt gewesen, und sie sei darüberhinaus von den anwesenden Angestellten des Beschwerdeführers, darunter von seiner Lebensgefährtin, bestätigt worden.

In weiterer Folge sei die Verhaftung gemäß §35 lita VStG 1950 ausgesprochen (und wohl auch vollzogen) worden; auf seine Frage hätten die Beamten die Verhaftung des Beschwerdeführers damit begründet, daß er die Ausweisleistung verweigert habe.

Der Beschwerdeführer sei unter Einsatz von Körperkraft zum Dienstfahrzeug der Beamten gebracht, um 10 Uhr 35 des 21. Juni 1990 sei er schließlich auf freien Fuß gesetzt worden.

Der Beschwerdeführer begehrt die kostenpflichtige Feststellung, daß er durch die vorgenommene Festnahme und Anhaltung von 10 Uhr 17 bis 10 Uhr 35 des 21. Juni 1990 in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit gemäß (Art8 StGG und) §4 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, und Art5 MRK verletzt worden sei.

2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - Bundespolizeidirektion Graz als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher ausdrücklich die "Zurückweisung", nach dem gesamten Inhalt der Gegenschrift jedoch der Sache nach die Abweisung der Beschwerde begehrt wird. Sie hält die Festnahme des Beschwerdeführers im Hinblick darauf gerechtfertigt, daß gegen den Beschwerdeführer der begründete Verdacht mehrerer Verwaltungsübertretungen, darunter der Verwaltungsübertretungen nach ArtIX Abs1 Z2 EGVG 1950 und der Anstandsverletzung sowie der Lärmerregung gemäß §1 des Gesetzes betreffend die Anstandsverletzung, Lärmerregung und Ehrenkränkung, LGBl. für das Land Steiermark 158/1975, bestanden habe und der Festnahmegrund des §35 lita und c VStG 1950 gegeben gewesen sei.

3. Aufgrund des Parteienvorbringens, der vorgelegten Verwaltungsakten und der im Rechtshilfeweg erhobenen Beweise, nämlich der Einvernahme der Zeugen M H, B B, Bezirksinspektor Mag. H A II, Revierinspektor J S II, W S, I S und V W sowie des Beschwerdeführers als Partei nimmt der Verfassungsgerichtshof folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt als gegeben an:

3.1. Am 21. Juni 1990 in der Frühe kam es am Jakominiplatz in Graz, dem Standort des Obst- und Gemüsestandes des Beschwerdeführers, zwischen dem Beschwerdeführer und dem Verkehrsüberwachungsorgan W S zu verbalen Auseinandersetzungen in Zusammenhang mit der polizeilichen Beanstandung einer Angestellten des Beschwerdeführers, die ihren PKW in zweiter Spur abgestellt hatte. Diese Auseinandersetzungen wurden von einem weiteren Überwachungsorgan, nämlich der Vertragsbediensteten I S, wahrgenommen. Dieser war der Beschwerdeführer von einer früheren - ähnlichen - Auseinandersetzung her bekannt. Im Zuge ihrer weiteren Überwachungstätigkeit stellte die S fest, daß am Kombinationskraftfahrzeug mit polizeilichem Kennzeichen G22.196, Nissan Urvan, weiß lackiert, eine Begutachtungsplakette angebracht war, in der das polizeiliche Kennzeichen G21.932 eingestanzt war. Sie hatte auch beobachtet, daß der Beschwerdeführer kurz zuvor an diesem Fahrzeug eine Ladetätigkeit ausgeführt hatte. Da sie nach dem KFG einzuschreiten nicht befugt war, forderte sie Unterstützung an, worauf die beiden, in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren als Zeugen einvernommenen Sicherheitswachebeamten mit ihrem Dienstfahrzeug zum Jakominiplatz fuhren, wo ihnen S den oben dargestellten Sachverhalt zur Kenntnis brachte.

Nachdem auch die beiden Sicherheitswachebeamten festgestellt hatten, daß das in der Begutachtungsplakette eingestanzte polizeiliche Kennzeichen nicht mit jenem am Kraftfahrzeug angebrachten übereinstimmte, begaben sie sich zum Marktstand des Beschwerdeführers, um die Angelegenheit aufzuklären.

Der Beschwerdeführer wies sie jedoch zurecht und war zu einer Sachverhaltsklärung nicht bereit, worauf seitens der Sicherheitwachebeamten eine "EKIS-Anfrage" (Elektronisches Kriminalpolizeiliches Informationssystem) durchgeführt wurde. Sie brachte zutage, daß der Beschwerdeführer am 30. Juni 1989 seinen Kombi Nissan Urvan, weiß, mit polizeilichem Kennzeichen G21.932 abgemeldet und mit gleichem Tage mit Wechselkennzeichen G22.196 drei Kraftfahrzeuge, darunter nur einen Nissan Urvan, und zwar "rot", angemeldet hatte. Als sich die Sicherheitswachebeamten wieder zum erwähnten (weißen) Kombi begaben, stellten sie überdies fest, daß das Fahrzeug nicht abgeschlossen war und der Zündschlüssel im Zündschloß steckte, worauf das Kraftfahrzeug versperrt und der Zündschlüssel in Verwahrung genommen wurde.

Sodann begaben sich die beiden Sicherheitswachebeamten wiederum zu dem vor seinem Obst- und Gemüsestand befindlichen Beschwerdeführer, der seine Abneigung gegen die Sicherheitswachebeamten zum Ausdruck brachte und mit den Händen gestikulierte. In der Folge wurde der Beschwerdeführer von den Sicherheitswachebeamten abgemahnt und zur Ausweisleistung aufgefordert. Dies trotz des Umstandes, daß den einschreitenden Sicherheitswachebeamten die Identität des Beschwerdeführers bekannt und durch die über "EKIS" erhaltenen Informationen bestätigt worden war. In der Folge wurde die Identität des Beschwerdeführers auch von den anwesenden Angestellten, darunter der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, gegenüber den Sicherheitwachebeamten bestätigt.

Da der Beschwerdeführer sein von den Sicherheitswachebeamten als ungestümes Benehmen, Anstandsverletzung und Lärmerregung gewertetes Verhalten nicht einstellte - ob ein solches gegeben war, ist nicht entscheidungswesentlich -, wurde er ein zweites Mal abgemahnt, worauf er sich in das Innere seines Standes zurückzog.

Die Sicherheitswachebeamten folgten ihm jedoch in den Obst- und Gemüsestand, wo sie um 10 Uhr 17 des 21. Juni 1990 gemäß §35 VStG 1950 seine Festnahme aussprachen; ob sie dabei nach lita und/oder litc dieser Gesetzesstelle vorgingen, kann auf sich beruhen. Da der Beschwerdeführer dem Auftrag, zum Funkstreifenwagen mitzukommen, nicht Folge leistete, wurde er unter Anwendung von Körperkraft in das Fahrzeug gebracht, schließlich um 10 Uhr 35 desselben Tages freigelassen.

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die in zahlreichen Belangen - sofern sie entscheidungswesentlich sind - übereinstimmenden Beweismittel.

3.2. Soweit diese Beweismittel divergieren, waren für die Beweiswürdigung folgende Überlegungen maßgeblich:

3.2.1. Daß den eingeschrittenen Sicherheitswachebeamten die Identität des Beschwerdeführers vor dessen Verhaftung bekannt war, ergibt sich - abgesehen davon, daß S mit dem Beschwerdeführer schon einmal "eine ähnliche Amtshandlung gehabt" hatte - sogar aus der in dieser Hinsicht besonders zurückhaltenden Aussage des Zeugen Mag. A II, welcher anläßlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme meinte, daß ihm "bei der Festnahme" des Beschwerdeführers dessen Identität bekannt war (S 13 des Protokolls über die Beweisaufnahme durch den ersuchten Richter). Vor allem aber bestätigt der Zeuge Revierinspektor S II mehrfach und eindeutig, daß ihm die Identität des Beschwerdeführers vor dessen Verhaftung bekannt war; dies nicht nur im Hinblick auf die Information seitens der Vertragsbediensteten S, sondern auch aufgrund der "EKIS-Anfrage" (S 18 und 19 des genannten Protokolls).

Auch die Zeugin S bestätigt in ihrer Zeugenaussage, daß jedenfalls im Zuge der Amtshandlung der Name des Beschwerdeführers bekannt gewesen sei.

3.2.2. Daß der Beschwerdeführer vor dem Ausspruch seiner Verhaftung das ihm von den Sicherheitswachebeamten vorgeworfene strafbare Verhalten - soferne er dieses gesetzt haben sollte - jedenfalls einstellte, ergibt sich zunächst aus der mehrfach erwähnten Anzeige vom 22. Juni 1990 (S 4), in der es heißt, der Beschwerdeführer sei in seinen Marktstand hineingegangen (und dann verhaftet worden). Bezirksinspektor Mag. A II bestätigte als Zeuge, daß der Beschwerdeführer "dann im Marktstand" verhaftet worden sei (S 14 des zitierten Protokolls). Auch die Gegenschrift bestätigt, der Beschwerdeführer "versuchte schließlich das Innere des Marktstandes W zu erreichen."

Daraus resultiert, daß der Beschwerdeführer das ihm vorgeworfene Verhalten eingestellt hatte und daß er sich weiteren Auseinandersetzungen mit den Sicherheitswachebeamten entziehen wollte.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

1. Zu den Prozeßvoraussetzungen:

Die Beschwerde ist offenkundig zulässig. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über sie ist durch die Einrichtung des unabhängigen Verwaltungssenates nicht weggefallen; vielmehr war dieses verfassungsgerichtliche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof am 1. Jänner 1991 anhängig und ist deshalb gemäß ArtIX Abs2 der B-VG-Novelle 1988, BGBl. 685, nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen sind gegeben.

2. Zur Sache selbst:

Gemäß Art8 Abs4 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988, sind im Zeitpunkt des Inkrafttretens desselben - das ist gemäß seinem Art8 Abs1 der 1. Jänner 1991 - anhängige Verfahren, einschließlich solcher vor dem Verfassungsgerichtshof, die in diesem BVG geregelte Angelegenheiten betreffen, nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen; dies gilt somit, da dieses verfassungsgerichtliche Verfahren am 1. Jänner 1991 vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig war (vgl. schon II.1.), auch für diesen Beschwerdefall.

Der somit hier anzuwendende Art8 StGG gewährt - ebenso wie Art5 MRK (vgl. zB VfSlg. 10.441/1985, 11.426/1987) - Schutz gegen gesetzwidrige "Verhaftung":

Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, das gemäß Art8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz im Sinne des Art44 Abs1 B-VG gilt, bestimmt in seinem §4, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen dürfen. §35 VStG 1950 ist ein solches Gesetz.

2.1. Gemäß §35 litc VStG 1950 ist eine Festnahme unter den dort näher umschriebenen Bedingungen zum Zwecke der Vorführung vor die Behörde aber nur dann statthaft, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

An letzterer Voraussetzung fehlt es hier:

Nach der mehrfach zitierten Anzeige vom 22. Juni 1990 und den damit übereinstimmenden Zeugenaussagen der beiden eingeschrittenen Sicherheitswachebeamten wurde zwar die Verhaftung des Beschwerdeführers auf §35 litc VStG 1950 gestützt. Der auf frischer Tat bei der Übertretung der Verletzung des öffentlichen Anstandes und der ungebührlichen Erregung störenden Lärmes (§1 des Gesetzes betreffend die Anstandsverletzung, Lärmerregung und Ehrenkränkung, LGBl. für das Land Steiermark 158/1975) sowie des ungestümen Benehmens gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht (ArtIX Abs1 Z2 EGVG 1950) betretene Beschwerdeführer habe trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt.

Es kann jedoch auf sich beruhen, ob die Sicherheitswachebeamten in vertretbarer Weise annehmen konnten, daß der Beschwerdeführer diese ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen hat oder nicht. Wie nämlich der Sachverhaltsdarstellung unter I.3. zu entnehmen ist, ging die Verhaftung des Beschwerdeführers schon deshalb nicht gesetzmäßig vonstatten, weil dieser weder in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrte noch sie zu wiederholen suchte. Vielmehr haben die Sicherheitswachebeamten dies in unvertretbarer Weise angenommen, da der Beschwerdeführer letztlich alles unternommen hat, um - weiteren - Auseinandersetzungen mit den eingeschrittenen Organen aus dem Wege zu gehen. Zu diesem Zwecke zog er sich in das Innere seines Obst- und Gemüsestandes zurück, wo er sich ruhig verhielt. Für die Sicherheitswachebeamten bestand objektiv keinerlei Grund (mehr), den Beschwerdeführer dorthin zu verfolgen und ihn festzunehmen.

Die Verhaftung des Beschwerdeführers ist demnach durch §35 litc VStG 1950 nicht gedeckt.

2.2. In ihrer Gegenschrift versucht die belangte Behörde, die Verhaftung des Beschwerdeführers auch auf den Tatbestand des §35 lita VStG 1950 zu stützen. Diese Bestimmung eröffnet den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen die Möglichkeit zur Festnehmung, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist.

Auch auf diese gesetzliche Regelung kann aber die Verhaftung des Beschwerdeführers nicht gestützt werden. Wie nämlich ebenfalls in der Sachverhaltsdarstellung unter I.3. dargetan wurde, war den eingeschrittenen Sicherheitswachebeamten die Identität des Beschwerdeführers schon vor seiner Festnahme bekannt.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann der Umstand auf sich beruhen, daß zur Frage des tatsächlichen Verhaftungsgrundes divergierende Aussagen vorliegen. Während nämlich der Beschwerdeführer und seine als Zeugen einvernommenen Angestellten der Sache nach behaupten, die Verhaftung des Beschwerdeführers sei ausschließlich auf §35 lita VStG 1950 gestützt worden, berufen sich die mehrfach erwähnte Anzeige vom 22. Juni 1990 ebenso wie die als Zeugen einvernommenen Sicherheitswachebeamten ausschließlich auf die Bestimmung der litc der genannten Gesetzesstelle. Ebenso ist es entbehrlich, der Frage nachzugehen, ob es auf ein - unzulässiges (vgl. VfSlg. 5232/1966, S 141, VfGH 7.3.1990, B1615/88, 12.6.1990, B1227/88) - Nachschieben von Verhaftungsgründen hinausläuft, wenn sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf lita oder wenn sie sich auf litc des §35 VStG 1950 beruft.

Die Verhaftung des Beschwerdeführers konnte demnach in gesetzmäßiger Weise auch nicht auf §35 lita VStG 1950 gestützt werden.

2.3. Die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers war demnach rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer wurde deshalb in dem durch Art8 StGG und Art5 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von

S 5.000,-- enthalten.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Festnehmung, Benehmen ungestümes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B979.1990

Dokumentnummer

JFT_10089389_90B00979_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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