TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/20 93/02/0246

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Veröffentlicht am 20.12.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
60/02 Arbeitnehmerschutz;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;

Norm

AAV §63 Abs1;
AAV §81 Abs5;
AAV §85 Abs3;
AAV §86 Abs1;
AAV §87 Abs1;
ArbVG §34 Abs1;
ASchG 1972;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. August 1993, Zl. MA 63-L 4/93/Str, betreffend Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte A)b), A)c), B)c) und B)d) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie hinsichtlich der Spruchpunkte B)b) und C)b) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Hinsichtlich des übrigen angefochtenen Teiles, d.i. die Strafbemessung im Spruchpunkt A)a), wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Wien richtete im Instanzenzug an den Beschwerdeführer mit Datum 3. August 1993 einen Bescheid, dessen Schuldspruch samt Strafausspruch wie folgt lautet:

    "Sie haben es als Komplementär und damit als zur Vertretung

nach außen berufenes Organ der Arbeitgeberin H.... KG zu

verantworten, daß am 30. August 1990 in den folgenden Betrieben

dieser Personengesellschaft Vorschriften der Allgemeinen

Arbeitnehmerschutzverordnung nicht eingehalten wurden, als

A) Im Betrieb in Wien ... H-Straße 42,

a)

nicht jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, versperrbarer und luftiger Kasten zur Verfügung gestellt wurde, weil den in diesem Betrieb beschäftigen ArbeitnehmerINNEN keine solche Kästen zur Verfügung standen,

b)

den im Betrieb beschäftigten 24 Arbeitnehmern kein geeigneter Raum zum Aufenthalt während der Arbeitspausen zur Verfügung gestellt wurde,

c)

diesen Arbeitnehmern keine Einrichtung für das Wärmen mitgebrachter Speisen zur Verfügung gestellt wurde, und

d)

die zulässige Belastung der tragenden Teile (Fachlast) an Regalen und Schränken nicht deutlich erkennbar und dauerhaft angeschrieben war,

B) im Betrieb in Wien ... H-Straße 53,

a)

die zulässige Belastung tragender Teile (Fachlast) an Regalen und Schränken nicht deutlich erkennbar und dauerhaft angeschrieben war,

b)

nicht jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, versperrbarer und luftiger Kasten zur Verfügung gestellt wurde, weil in diesem Betrieb überhaupt kein Garderobekasten vorhanden war,

c)

den sieben in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern keine Einrichtung für das Wärmen mitgebrachter Speisen zur Verfügung gestellt wurde, und

d)

im Betrieb keine Person nachweislich für die erste Hilfeleistung ausgebildet war, obwohl sieben Arbeitnehmer ständig beschäftigt waren,

C) im Betrieb in Wien ... H-Straße 39,

a)

die zulässige Belastung tragender Teile (Fachlast) an den Regalen und Schränken nicht deutlich erkennbar und dauerhaft angeschrieben war, und

b)

die Abortanlage mit einem Arbeitsraum (Verkaufsraum) in unmittelbarer Verbindung stand.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu A)a) § 31 Abs. 3 lit. b Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV),

zu A)b) § 31 Abs. 3 lit. c ASchG in Verbindung mit § 87 Abs. 1 zweiter Satz AAV,

zu A)c) § 31 Abs. 3 lit. c ASchG in Verbindung mit § 87 Abs. 1 erster Satz AAV,

zu A)d) § 31 Abs. 2 lit. p ASchG in Verbindung mit § 63 Abs. 1 und 3 AAV,

zu B)a) § 31 Abs. 2 lit. p ASchG in Verbindung mit § 63 Abs. 1 und 3 AAV,

zu B)b) § 31 Abs. 3 lit. b ASchG in Verbindung mit § 86 Abs. 1

AAV,

zu B)c) § 31 Abs. 3 lit. c ASchG in Verbindung mit § 87 Abs. 1 erster Satz AAV,

zu B)d) § 31 Abs. 2 lit. g ASchG in Verbindung mit § 81 Abs. 5

AAV,

zu C)a) § 31 Abs. 2 lit. p ASchG in Verbindung mit § 63 Abs. 1

und 3 AAV

und

zu C)b) § 31 Abs. 2 lit. b ASchG in Verbindung mit § 85 Abs. 3

AAV.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

zu A)a), c) und d) je eine Geldstrafe von S 500,--, bei Uneinbringlichkeit je eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden, gemäß § 31 Abs. 2 ASchG (Punkte A)b), c) sowie gemäß § 31 Abs. 3 ASchG, (Punkt A)a)),

zu A)b) eine Geldstrafe von S 1.000,--, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, gemäß § 31 Abs. 2 ASchG,

zu B)a), b) und c) je eine Geldstrafe von S 500,--, bei Uneinbringlichkeit je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, gemäß § 31 Abs. 2 ASchG (Punkte B)a) und c)) sowie gemäß § 31 Abs. 3 lit. b ASchG (Punkt B)b)),

Zu B)d) eine Geldstrafe von S 1.000,--, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, gemäß § 31 Abs. 2 ASchG,

zu C)a) eine Geldstrafe von S 500,--, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, gemäß § 31 Abs. 2 ASchG und

zu C)b) eine Geldstrafe von S 1.000,--, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, gemäß § 31 Abs. 2 ASchG.

Die Gesamtsumme der Geldleistungen beträgt S 6.500,--, die Ersatzfreiheitsstrafen belaufen sich insgesamt auf 6 Tage und 12 Stunden."

Gegen diesen Bescheid - und zwar entsprechend dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers allein gegen die Schuldsprüche zu den Spruchpunkten A)b), A)c), B)b, B)c), B)d) und C)b) sowie gegen die Strafbemessung zum Spruchpunkt A)a) - richtete sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Zu Den Spruchpunkten A)b), A)c), B)c) und B)d):

Gemäß § 87 Abs. 1 erster Satz AAV müssen den Arbeitnehmern u. a. Einrichtungen für das Wärmen mitgebrachter Speisen zur Verfügung stehen. Nach § 87 Abs. 1 zweiter Satz AAV müssen in Betrieben, in denen regelmäßig mehr als zwölf Arbeitnehmer tätig sind, für den Aufenthalt während der Arbeitspausen geeignete und entsprechend eingerichtete Räume zur Verfügung stehen.

Gemäß § 81 Abs. 5 zweiter Halbsatz AAV muß in Betrieben mit fünf bis 20 Arbeitnehmern ... mindestens eine Person für die erste Hilfeleistung nachweislich ausgebildet sein.

Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen die obzitierten Vorschriften zu verantworten hatte, ist, ob sich der Beschwerdeführer insoweit zu Recht auf das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes berufen konnte. Er hatte nämlich im Verwaltungsverfahren vorgebracht, der auch für die im Gebäude ON 42 beschäftigten Dienstnehmer bestimmte Aufenthaltsraum befinde sich im Hause ON 39; dort sei auch ein "großzügiger Speisewärmer" vorhanden. Da sämtliche (in einem räumlichen Naheverhältnis stehenden) drei Gebäude (gemeint: ON 39, 42 und 53) einen einzigen Betrieb bilden würden, sei auch vom Vorhandensein einer entsprechend geeigneten Person mit Erste-Hilfe-Ausbildung für das Gebäude ON 53 auszugehen.

Was zunächst die Verneinung des Vorliegens mehrerer Betriebe anlangt, so pflichtet der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer insoweit bei: Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0287) orientiert sich der Betriebsbegriff des ASchG grundsätzlich an der Definition des § 34 Abs. 1 des Arbeitsverfassungsgesetzes. Danach gilt als Betrieb jene Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht; wesentliches Merkmal eines Betriebes im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes ist die organisatorische Einheit, die in der Einheit des Betriebsinhabers, des Betriebszweckes und der Organisation zum Ausdruck kommen muß. Dafür, daß diese Voraussetzungen im Beschwerdefall nicht gegeben seien, ergaben sich aber im Verwaltungsverfahren keinerlei Anhaltspunkte.

Davon ausgehend kam dem oben dargestellten Vorbringen des Beschwerdeführers auch unter Bedachtnahme auf den Schutzzweck der im Beschwerdefall herangezogenen Vorschriften des § 87 Abs. 1 erster und zweiter Satz AAV sowie des § 81 Abs. 5 zweiter Halbsatz leg. cit. und die gegebenen örtlichen Verhältnisse rechtserhebliche Bedeutung zu, was die belangte Behörde allerdings rechtsirrtümlich verkannt und infolgedessen auch nicht in ihre Überlegungen einbezogen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Zum Spruchpunkt B)b):

Zu Recht rügt hier der Beschwerdeführer, daß er im Verwaltungsverfahren auf das Vorhandensein von entsprechenden Kästen hingewiesen habe, was vom Zeugen K. auch bestätigt worden sei. Demgegenüber hat sich die belangte Behörde begnügt, auf das "von der Behörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren" zu verweisen, ohne jedoch eine überprüfbare Würdigung der insoweit vorliegenden Beweise (vgl. auch die Aussage des Zeugen Ignaz G. vom 20. Jänner 1993) vorzunehmen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß der Beschwerdeführer für die Richtigkeit seiner Behauptung weitere Zeugen anführte, deren Einvernahme jedoch ohne Begründung unterblieb.

Der angefochtene Bescheid war daher im Spruchpunkt B)b) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß in das weitere diesbezügliche Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Zum Spruchpunkt C)b):

Hier hatte der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht, die Erstbehörde habe entsprechende Sachverhaltsfeststellungen unterlassen, da sich "im Aufenthalts- bzw. Sozialraum" des Gebäudes ON 39 eine Toilettenanlage befinde. Dazu führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides (unter Hinweis auf ihre Rechtsansicht des Vorliegens dreier selbständiger Betriebe) aus, die im Betrieb ON 53 zur Verfügung gestellte Abortanlage entspreche nicht der Vorschrift des § 85 Abs. 3 AAV. Diese Antwort der belangten Behörde auf das dargestellte Berufungsvorbringen entzieht sich einer logischen Nachvollziehbarkeit. Der angefochtene Bescheid war daher zu diesem Spruchpunkt infolge eines wesentlichen Begründungsmangels gleichfalls gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Zur Strafbemessung im Spruchpunkt A)a):

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides - insbesondere auch keine Überschreitung des der Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes - zu erkennen: Eine solche Rechtswidrigkeit ist im Beschwerdefall auch nicht davon abzuleiten, daß die belangte Behörde bei einem hier anzuwendenden geringeren Strafrahmen dieselbe Strafe verhängt hat als hinsichtlich anderer Spruchpunkte bei einem dort anzuwendenden höheren Strafrahmen, handelt es sich doch bei letzterem - gerade weil der Strafrahmen höher ist - um milde Strafen, welche die Behörde nicht veranlassen mußten, im Spruchpunkt A)a) noch milder vorzugehen.

Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Umfang als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020246.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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