TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/21 93/04/0232

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Veröffentlicht am 21.12.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/01 Jurisdiktionsnorm;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
JN §29;
VStG §1 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in B, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. H in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 31. August 1993, Zl. 311.128/4-III/4/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 17. Februar 1986 entzog die Bezirkshauptmannschaft Gmunden der Beschwerdeführerin das ihr bis dahin zustehende Gewerbe "Errichtung von Baulichkeiten durch hiezu befugte Gewerbetreibende auf eigenem Grund und Boden oder auf einer Liegenschaft, an der das Verfügungsrecht zusteht und Verwertung derselben (Bauunternehmergewerbe), unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis oder an eine besondere Bewilligung (Konzession) gebundenen Tätigkeit mit dem Standort B Nr. 202" gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1973.

Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 24. Juli 1986 als unbegründet ab.

Auch gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 31. August 1993 wies der Bundesminister diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. Art. 103 Abs. 4 B-VG als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, der vor ihm angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. Juli 1986 habe die Rechtsmittelbelehrung enthalten, es sei eine weitere Berufung zulässig. Diese Rechtsmittelbelehrung habe der damaligen aus § 361 Abs. 5 GewO 1973 erfließenden Rechtslage entsprochen, wonach im Verfahren betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung aus den in den §§ 87, 88 Abs. 1 oder 89 Abs. 1 angeführten Gründen der administrative Instanzenzug bis zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ging. Am 1. Juli 1993 sei jedoch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, in Kraft getreten, in deren Zuge § 361 GewO 1973 neu gefaßt worden und dessen bisheriger Abs. 5 entfallen sei. Eine Übergangsbestimmung für im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerberechtsnovelle 1992 anhängige Entziehungsverfahren enthalte die Gewerberechtsnovelle 1992 nicht. Maßgebend für die Zuständigkeit der Behörde sei, sofern das Gesetz nicht anderes bestimme, allein der Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides. Mangels einer Übergangsbestimmung ende daher im anhängigen Entziehungsverfahren der administrative Instanzenzug seit Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 am 1. Juli 1993 beim Landeshauptmann. In Anwendung der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesministers geltenden Rechtslage müsse daher die Berufung nunmehr als unzulässig zurückgewiesen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung über ihre Berufung vom 21.3.1988 durch die angerufene Behörde" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde habe "unnotwenig überlange" mit der Berufungsentscheidung zugewartet und damit in Verbindung mit der Gewerberechtsnovelle 1992 versucht, ihre Entscheidungspflicht zu umgehen. Es widerspreche jedem rechtsstaatlichen Prinzip, daß eine einmal rechtmäßig zuständig gewesene Behörde ohne inhaltliche Erledigung der Anträge der Parteien, durch bloße Untätigkeit ihrer Zuständigkeit verlustig gehe und ein früherer, bereits angefochtener Bescheid der unteren Instanz dadurch rechtskräftig werde. Auch wenn die Gewerberechtsnovelle keine entsprechenden Übergangsbestimmungen enthalte, habe die Beschwerdeführerin ein Anrecht darauf, daß ihre Sache nach der alten Rechtslage entschieden werde, wenn dies für sie günstiger sei. Daß eine Entscheidung durch die belangte Behörde für sie günstiger sei, ergebe sich bereits aus dem Umstand, daß durch den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde der Aufwand für die Durchsetzung des Anspruches der Beschwerdeführerin viel größer geworden sei. Durch die Änderung der Gewerbeordnung dürfe für sie keine ungünstigere Situation entstehen. Aus der Säumnis der belangten Behörde dürfe ihr kein wie immer gearteter Nachteil erwachsen. Dies wäre aber nur bei einer Entscheidung durch die belangte Behörde in der Sache selbst gegeben.

Wie schon die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend darlegte, endet zufolge Art. 103 Abs. 4 B-VG in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung der administrative Instanzenzug, sofern der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat und nicht durch Bundesgesetz ausnahmsweise auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit ausdrücklich anderes bestimmt ist, beim Landeshauptmann.

Bis zum Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 bestand eine derartige abweichende gesetzliche Regelung in der Bestimmung des § 361 Abs. 5 GewO 1973, wonach der administrative Instanzenzug in den Verfahren betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung aus den in den §§ 87, 88 Abs. 1 oder 89 Abs. 1 angeführten Gründen sowie in den Verfahren betreffend Maßnahmen gemäß § 91 bis zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ging.

Diese Bestimmung wurde durch die Gewerberechtsnovelle 1992 mit Wirksamkeit ab 1. Juli 1993 ersatzlos aufgehoben, ohne daß das Gesetz für anhängige Verwaltungsverfahren eine besondere Übergangsregelung vorsieht.

Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist auch eine gesetzliche Änderung des Instanzenzuges während eines anhängigen Verfahrens von der Verwaltungsbehörde zu beachten. Es ist daher auch die Beurteilung, ob die belangte Behörde zu einer meritorischen Berufungsentscheidung zuständig ist, nach den im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung geltenden Verfahrensvorschriften zu treffen (vgl. die in Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze,

1. Band, E 165 ff zu § 66 AVG (S. 649 f) abgedruckte Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zumal eine dem § 1 Abs. 2 VStG vergleichbare Günstigkeitsregelung dem Verwaltungsverfahrensrecht ebenso fremd ist, wie eine eine perpetuatio fori normierende Zuständigkeitsvorschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1993, Zl. 92/04/0144).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Rechtsansicht der belangten Behörde, mit Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 sei die Zuständigkeit des Bundesministers zur meritorischen Erledigung der in Rede stehenden Berufung weggefallen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Diverses Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Änderung der Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993040232.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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