TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/21 90/14/0258

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Veröffentlicht am 21.12.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
22/03 Außerstreitverfahren;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §550;
ABGB §819;
ABGB §863;
ABGB §869;
ABGB §914;
AußStrG §170;
AußStrG §174;
BAO §188 Abs1 litd;
EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §19;
EStG 1972 §28 Abs3;
MRG §20;
MRG §45;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Dr. E in G und der Mag. S in L, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 27. September 1990, Zl. B 172-3/90, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer waren zu je einem Sechstel ideelle Miteigentümer an einem Mietobjekt in G. Im März 1987 veräußerten sämtliche Miteigentümer diese Liegenschaft. § 5 des Kaufvertrages vom 20. März 1987 enthielt unter anderem die Bestimmung, daß die von den Mietern eingehobenen Reparaturkostenbeiträge und die Mietzinsreserve auf die Käuferin übergehen sollten. Die mit Stichtag 17. März 1987 festgestellten Beträge in Höhe von S 298.232,59 seien durch Umschreibung bei der Hausverwaltung auf die Käuferin zu übertragen.

Die der Einkünftefeststellungserklärung für das Jahr 1987 beigelegte Überschußrechnung wies für den Zeitraum 1.1.-1.3.1987 negative Einkünfte von insgesamt S 39.306,-- aus. Darin waren zwar "steuerfreie Beträge" aus den Jahren 1984 bis 1986 im Gesamtbetrag von S 258.926,96 als einnahmenerhöhend aufgelöst, die "Weitergabe Mietzinsreserve an den Käufer" in Höhe von S 298.232,59 allerdings als Werbungskosten abgezogen worden. Das Finanzamt ließ diesen Werbungskostenabzug nicht zu und beließ es bei der Auflösung der nach § 28 Abs. 3 EStG 1972 gebildeten steuerfreien Beträge im - berichtigten - Gesamtbetrag von S 254.300,--. Eine "Neutralisierung" der nachzuversteuernden Beträge im Wege einer "Weitergabe der Mietzinsreserve an den Käufer" komme nicht in Betracht.

In der Berufung vom 8. September 1989 machten die Beschwerdeführer geltend, die für sie im Jahr 1987 jeweils festgestellten anteiligen Einkünfte aus Vermietung in Höhe von S 42.383,-- beruhten auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Es sei "sicherlich richtig", daß im Falle der Veräußerung vor dem Ende der 9-Jahresfrist die bisher steuerfreien Rücklagen aufzulösen seien; durch die Weitergabe des Betrages von S 298.232,59 sei aber zweifellos ein "Verlust" bzw. eine "Betriebsausgabe" entstanden, die den zur Versteuerung theoretisch anstehenden Beträgen von zusammen S 254.300,-- gegenüberstehe. Dieser Betrag übersteige die theoretischen Einkünfte, sodaß "kein einziger zu versteuernder Schilling als Einkunft aus Vermietung" verbleibe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Auch nach Mieten- bzw. Mietrechtsgesetz verrechnungspflichtige Einnahmen seien dem Hauseigentümer zuzurechnen, weil er darüber frei verfügen könne. Die spätere Verwendungspflicht dieser Beträge ändere daran nichts. § 28 Abs. 3 EStG 1972 schaffe die Möglichkeit, verrechnungspflichtige Mietzinse unter bestimmten Voraussetzungen nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen. Da der Veräußerer ab dem Zeitpunkt der Veräußerung des Mietobjektes keine Möglichkeit zur bestimmungsgemäßen Verwendung dieser Beträge mehr habe, seien diese nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zeitpunkt aufzulösen und nachzuversteuern.

In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht und deshalb dessen Aufhebung beantragt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Übersteigen bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die nach mietrechtlichen Vorschriften verrechnungspflichtigen Einnahmen aus der Vermietung eines Grundstückes (Gebäudes) sowie die zur Deckung von Aufwendungen nach § 10 Mietrechtsgesetz vereinnahmten Beträge sämtliche mit diesem Grundstück (Gebäude) in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Werbungskosten, so bleibt der übersteigende Betrag nach dem ersten Satz des § 28 Abs. 3 EStG 1972 auf Antrag zunächst steuerfrei. Voraussetzung ist, daß die verrechnungspflichtigen Einnahmen in der nach mietrechtlichen Vorschriften gebotenen Abrechnung der Mietzinsreserve oder der Erhaltungsbeiträge ausgewiesen werden. Übersteigen in einem der auf das Jahr der Bildung des steuerfreien Betrages folgenden neun Jahre die Werbungskosten im Sinne des ersten Satzes die Einnahmen im Sinne des ersten Satzes, so ist der übersteigende Betrag mit den für die Vorjahre gebildeten steuerfreien Beträgen zu verrechnen; hiebei ist mit dem für das zeitlich am weitesten zurückliegende Jahr gebildeten steuerfreien Betrag zu beginnen. Steuerfreie Beträge, die nicht innerhalb von neun Jahren nach ihrer Bildung auf diese Weise verrechnet wurden, erhöhen im neunten Jahr nach ihrer Bildung die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Durch die Bildung eines steuerfreien Betrages nach § 28 Abs. 3 EStG 1972 wird die Möglichkeit eröffnet, daß verrechnungspflichtige Mietzinse nach § 20 Mietrechtsgesetz ohne vorhergehende Kürzung durch Einkommensteuern für die Erhaltung und Verbesserung des Mietobjektes verwendet werden können. Diese - vorläufige - Steuerfreistellung ändert aber nichts daran, daß die nach § 20 Mietrechtsgesetz verrechnungspflichtigen Einnahmen (darunter fallen neben den Hauptmietzinsen u.a. die nach § 45 Mietrechtsgesetz eingehobenen Erhaltungsbeiträge) grundsätzlich steuerpflichtige Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind. Trotz der mietrechtlichen Verrechnungspflicht ist der Hauseigentümer nämlich berechtigt, über die eingehenden Mietzinse nach seinem Belieben zu verfügen. Er verletzt keine Pflicht, wenn er sie zu anderen als den vorgesehenen Zwecken verwendet. Der jeweilige Hauseigentümer ist nur verpflichtet, die Mittel für die im Gesetz vorgesehenen Instandhaltungs- und Verbesserungsarbeiten ohne Erhöhung der Mietzinse aus eigenem beizustellen, soweit das Erfordernis nicht die gesetzliche Mietzinsreserven übersteigt (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zum EStG 1972, Anmerkung 16.1 zu § 28 EStG 1972, Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, Tz. 6 zu § 19 und Tz. 36 zu § 28 EStG 1972 sowie die dort zitierte hg. Judikatur, beispielsweise vom 23. Februar 1962, 2655/59, Slg. 2594/F). Zivilrechtlich handelt es sich bei der Mietzinsreserve und bei den eingehobenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen nicht um an das Haus gebundenes Sondervermögen, sondern um eine bloße Rechengröße, die die Grundlage mietenrechtlicher Entscheidungen bildet. Der jeweilige Vermieter ist verpflichtet, den mietrechtlichen Verwendungs- bzw. Verrechnungspflichten nachzukommen, gleichgültig ob die Mietzinsreserven noch vorhanden sind oder ob sie von einem Voreigentümer übergeben wurden. Einem neuen Eigentümer sind zwar die erforderlichen Rechnungsunterlagen, Zinslisten und dergleichen auszufolgen, nicht jedoch die noch verrechenbaren Mietzinsreserven (vgl. Würth in Rummel, ABGB,

2. Auflage, Rz. 8 zu § 20 und Rz. 2 und 10 zu § 45 Mietrechtsgesetz). Da die Vereinnahmung durch einen Bevollmächtigten gleichzeitig zugunsten des Machtgebers erfolgt, sind die von der Hausverwaltung vereinnahmten Mietentgelte zugleich den Hauseigentümern zugeflossen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1980, 1300/80, und vom 7. Februar 1990, 86/13/0072).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage, kann der Beschwerde nicht gefolgt werden, soweit sie die Steuerpflicht der verrechnungspflichtigen Mieteinnahmen überhaupt in Frage zu stellen scheint ("rein theoretisches Einkommen", das sich bei der Hausverwaltung befunden habe). Es ist auch nicht erkennbar, warum die Weitergabe der Mietzinsreserve bzw. der Erhaltungsbeiträge an die Käuferin als "Betriebsausgabe" (systematisch wohl richtig "Werbungskosten") anerkannt werden müßte. Die Verfügung über zugeflossene Einnahmen hat auf die Tatsache des Zuflusses keinen Einfluß (vgl. Hofstätter-Reichel, a. a.O., Anmerkung 3 zu § 19 EStG 1972, sowie das hg. Erkenntis vom 12. November 1980, 1300/80). In der Beschwerde ist unter anderem davon die Rede, die Auslösung der entsprechenden Einkommensteuerpflicht könne "keinem Zweifel unterliegen", wenn die Beschwerdeführerinnen die strittigen Beträge "behalten" hätten. Durch die Weitergabe der angesammelten Mietzinsreserven und der Erhaltungsbeiträge haben die Verkäufer diesen Wert aber - im Gegensatz etwa zu einer Rückzahlung an die Mieter - wirtschaftlich "behalten", zumal dieser bei der Kaufpreisgestaltung Berücksichtigung finden konnte. Die Weitergabe dieses Wertes diente nicht der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus der gleichzeitig veräußerten Einkunftsquelle Vermietung und Verpachtung; sie konnte deshalb nicht zu Werbungskosten i.S.d. § 16 Abs. 1 EStG 1972 führen.

Die Berechtigung zur Auflösung der steuerfreien Beträge gemäß § 28 Abs. 3 EStG 1972 anläßlich der Veräußerung wird von den Beschwerdeführerinnen im wesentlichen nicht bestritten. Es genügt hiezu auch gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die ständige hg. Rechtsprechung zu verweisen, die für den Fall der Rechtsnachfolge aufgrund eines entgeltlichen Rechtsgeschäftes die Nachversteuerung vorsieht, "unabhängig davon, ob die Mittel, die die Mietzinsreserve bilden, noch tatsächlich vorhanden sind oder nicht" (siehe die Erkenntnisse vom 11. Dezember 1990, 90/14/0079, 5. August 1993, 93/14/0031, 5. Juni 1985, 84/13/0291, Slg. 6.010/F, und vom 18. Jänner 1989, 88/13/0014; in dem zuletzt zitierten Erkenntnis waren im übrigen ebenfalls die Erhaltungsbeiträge an die Käufer übergeben worden).

Da somit der angefochtene Beschwerde nicht mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 2 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990140258.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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