TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/25 93/11/0173

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Veröffentlicht am 25.01.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AZG §1 Abs2 Z8;
AZG §28 Abs1;
AZG §7 Abs1;
AZG §7 Abs2;
AZG §9;
VStG §19;
VStG §31;
VStG §44a Z1;
VStG §44a;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in F, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 25. Juni 1993, Zl. 1-240/93/E2, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, als mit ihm über Punkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn abgesprochen wird.

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Strafausspruches und der Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrages zu den Punkten 2 und 3 des genannten Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 26. Februar 1993 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als für eine näher bezeichnete Filiale verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG schuldig erkannt, zu verantworten zu haben, daß drei namentlich genannte, in der in Rede stehenden Filiale beschäftigte Arbeitnehmerinnen an datumsmäßig bezeichneten Tagen im Mai und im Juni 1992 über die höchstzulässige Tagesarbeitzeit hinaus gearbeitet hätten und daß eine der drei Arbeitnehmerinnen im Jahr 1992 einmal über die höchstzulässige Wochenarbeitszeit hinaus gearbeitet habe. Die konkrete Umschreibung der als erwiesen angenommenen Taten (§ 44a Z. 1 VStG) lautet:

1. hinsichtlich der Arbeitnehmerin S.Z.:

"8.5.1992 7.00 Uhr - 11.30 Uhr 13.30 Uhr - 20.00 Uhr 11 Stunden,

19.6.1992 6.25 Uhr - 11.02 Uhr 12.57 Uhr - 20.00 Uhr 11,5 Stunden,

26.6.1992 6.56 Uhr - 13.01 Uhr 14.53 Uhr - 20.00 Uhr 11 Stunden."

2. hinsichtlich der Arbeitnehmerin D.C.:

"17.6.1992 5.00 Uhr - 11.00 Uhr 13.00 Uhr - 19.00 Uhr 12 Stunden."

3. hinsichtlich der Arbeitnehmerin D.H.:

"9.6.1992 6.01 Uhr - 10.53 Uhr 13.00 Uhr - 19.05 Uhr 11 Stunden,

12.6.1992 7.00 Uhr - 11.04 Uhr 13.00 Uhr - 20.02 Uhr 11 Stunden,

22.6.1992 6.33 Uhr - 11.04 Uhr 13.00 Uhr - 19.44 Uhr 11,5 Stunden,

23.6.1992 5.32 Uhr - 11.12 Uhr 13.00 Uhr - 21.00 Uhr 13,5 Stunden,

24.6.1992 7.00 Uhr - 14.49 Uhr 17.00 Uhr - 20.00 Uhr 11 Stunden."

4. Die Arbeitnehmerin D.H. habe in der 26. Kalenderwoche des Jahres 1992 62 Stunden gearbeitet.

Dadurch habe der Beschwerdeführer zu 1. bis 3. je eine Übertretung nach § 9 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und Abs. 2 und § 28 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes begangen; zu Punkt 4. habe er eine Übertretung nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 AZG begangen.

Über ihn wurden vier Geldstrafen zu je S 3.000,-- (je sechs Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit dem über seine Berufung ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die zu 1. verhängte Strafe auf S 2.000,-- (vier Tage Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis vom 26. Februar 1993 bestätigt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde ging zu Spruchpunkt 1 davon aus, daß in Ansehung der Überschreitung der Tagesarbeitszeit am 8. Mai 1992 durch die Arbeitnehmerin S.Z. Verjährung eingetreten sei. Sie hat dies aber nicht zum Anlaß einer Änderung des Spruches des Straferkenntnisses genommen, sondern nur die verhängte Strafe um ein Drittel herabgesetzt. Der Beschwerdeführer wurde damit im Ergebnis in diesem Punkt teilweise eines Verhaltens für schuldig erkannt, welches nach Ansicht der belangten Behörde gar nicht strafbar ist.

Was die Höhe der verhängten Strafen betrifft, ist es nicht nachvollziehbar, warum diese bei Überschreitungen der höchstzulässigen Tagesarbeitszeit an zwei Tagen mit S 2.000,-- (Spruchpunkt 1), an einem Tag hingegen mit S 3.000,-- (Spruchpunkt 2) sowie an fünf Tagen wiederum ebenfalls mit S 3.000,-- (Spruchpunkt 3) bemessen wurden.

Diese aufgezeigten Rechtswidrigkeiten belasten den angefochtenen Bescheid in Ansehung des Schuld- und Strafausspruches (einschließlich der betreffenden Verfahrenskostenvorschreibung) hinsichtlich des Punktes 1 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hinsichtlich der Strafaussprüche (einschließlich Verfahrenskostenvorschreibungen) in Ansehung der Spruchpunkte 2 und 3 mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

2. Unbegründet ist die Beschwerde hingegen insoweit, als darin die Feststellung der Überschreitung der Tagesarbeitszeiten auf Grund der betreffenden Aufzeichnungen, die im Betrieb hergestellt wurden und auf die das zuständige Arbeitsinspektorat seine Anzeige gegründet hat, gerügt wird. Wenn auch das absolute Ausmaß der täglichen Arbeitszeiten nach halben Stunden gerundet festgehalten wurde, so ergibt sich aus den Aufzeichnungen auch der Beginn und das Ende der jeweiligen Arbeitszeiten auf die Minute genau und die Berechnung der Tagesarbeitszeit erfolgte in nachvollziehbarer Weise auf eine Art, die keine Rechtswidrigkeit zu Lasten des Beschwerdeführers erkennen läßt (so wurde z.B. hinsichtlich der Arbeitnehmerin S.Z. am 19. Juni 1992 eine Anwesenheit von insgesamt 11 Stunden und 40 Minuten mit der Tagesarbeitszeit von 11,5 Stunden festgehalten).

3. Unbegründet ist weiters der zu Spruchpunkt 4 erhobene Vorwurf der Beschwerde, die als erwiesen angenommene Tat sei nicht im Sinne des § 44a Z. 1 VStG ausreichend konkretisiert. Die Nennung der Wochenarbeitszeit in einer bestimmten Kalenderwoche in ihrem Gesamtausmaß ist in diesem Zusammenhang ausreichend. Die nähere Berechnung als Summe von in bestimmter Höhe angenommenen Tagesarbeitszeiten braucht nicht Inhalt des Spruches zu sein.

4. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, während der fraglichen Zeit (insgesamt vom 9. bis zum 26. Juni 1992) urlaubsbedingt vom Betrieb abwesend gewesen zu sein, vermag ihn das nicht zu entschuldigen. Der Behörde gegenüber wurde für die Dauer des Urlaubes des Beschwerdeführers von der Unternehmensleitung kein anderer verantwortlicher Beauftragter namhaft gemacht. Der Beschwerdeführer verblieb damit auch für die Zeit seines Urlaubes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0035). Er hatte für diese Zeit die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Nach seinem eigenen Vorbringen hat er sich aber darauf verlassen, daß eine der in Rede stehenden Arbeitnehmerinnen (D.H.) in seiner Abwesenheit die Arbeitszeiten dem Gesetz entsprechend einteilen werde, wie sie es auch in seiner Anwesenheit fallweise tue. Damit hat er aber nicht ausreichend dargetan, daß ihn an den Überschreitungen der höchstzulässigen Arbeitszeiten in seiner Abwesenheit kein Verschulden trifft.

5. Was schließlich die Behauptung anlangt, die Arbeitnehmerin D.H. sei in ihrer Eigenschaft als "Substitutin" - worunter nach dem übrigen Vorbringen eine

"Marktleiter-(= Filialleiter-)Stellvertreterin" zu verstehen sei - als leitende Angestellte im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 8 des Arbeitszeitgesetzes vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen, so ist auch dieses Vorbringen unbegründet. Nach der genannten Bestimmung sind leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen. Der Umstand allein, daß der betreffenden Arbeitnehmerin in Abwesenheit des Beschwerdeführers ein gewisser Entscheidungsspielraum zugestanden war, macht sie noch nicht zu einer leitenden Angestellten. Davon, daß die Arbeitnehmerin im Sinne der Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Mai 1989, Slg. Nr. 12.929/A) die Filiale eigenverantwortlich leitete, kann nach dem Akteninhalt keine Rede sein, war sie doch - auch während der Zeit der Abwesenheit des Beschwerdeführers, worauf dieser selbst mit Nachdruck hinweist - an die Anweisungen des Beschwerdeführers gebunden und hat sie in gleicher Weise wie alle anderen Arbeitnehmerinnen ihre Anwesenheit im Betrieb mit Stechuhr und handschriftlichen Aufzeichnungen festgehalten.

Es kann daher dahinstehen, ob ein stellvertretender Filialleiter überhaupt als leitender Angestellter in diesem Sinn qualifiziert werden kann.

6. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, als der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Überschreitung von Tagesarbeitszeiten durch die Arbeitnehmerin S.Z. einer Übertretung des Arbeitszeitgesetzes für schuldig erkannt wurde, und zwar unter Einschluß des Strafausspruches und der Kostenvorschreibung. Hinsichtlich der Strafbemessung (einschließlich Kostenvorschreibung) wegen der Überschreitungen der Tagesarbeitszeit durch die Arbeitnehmerinnen D.C. und D.H. hat die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu erfolgen. Die Abweisung der Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG bezieht sich somit auf den Schuldspruch in Ansehung der Arbeitnehmerinnen D.C. und D.H. sowie auf die Bestrafung wegen Überschreitung der Wochenarbeitszeit durch die Arbeitnehmerin D.H.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Mängel im SpruchSpruch und BegründungSpruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung)Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzRechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993110173.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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