TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/25 93/11/0194

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Veröffentlicht am 25.01.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §52;
KFG 1967 §64 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs1 lita;
KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. März 1993, Zl. MA 64 - 8/38/93, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm vom 27. November 1992 (dem Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. Oktober 1992) bis 27. Mai 1994 ohne Einrechnung der Haftzeiten keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die bekämpfte Entziehungsmaßnahme wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Juni 1990 des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde. In diesen strafbaren Handlungen erblickte die belangte Behörde eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967, aus der sich die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers ableiten lasse. Die belangte Behörde berücksichtigte ferner die gleichzeitige Verurteilung des Beschwerdeführers nach § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes sowie eine vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von sechs Monaten im Jahre 1989 wegen wiederholten Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand.

Der strafgerichtlichen Verurteilung nach § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes lag zugrunde, daß der Beschwerdeführer zur (teilweise nur versuchten) Einfuhr von Suchtgift (insgesamt 1130 g Kokain) im Dezember 1989 und im Februar 1990 durch eine andere Person dadurch beigetragen habe, daß er die Reisekosten und die Mittel zur Anschaffung des Suchtgiftes vorgestreckt habe, sowie daß er einer weiteren Person "Ende 1989" wiederholt Kokain zum Konsum überlassen habe. Gegen § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes habe der Beschwerdeführer dadurch verstoßen, daß er vom Frühjahr 1989 bis Jänner 1990 Kokain erworben und besessen habe.

Der Aktenlage ist zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer vom 10. Dezember 1991 bis 15. Dezember 1992 in Strafhaft befunden hat. Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Annahme geht daher dahin, daß der Beschwerdeführer nicht vor dem Ablauf von 18 Monaten von der Haftentlassung an, somit nicht vor dem 15. Juni 1994 die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen werde. Sie geht somit davon aus, daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den von ihm begangenen strafbaren Handlungen etwa vier Jahre und vier Monate verkehrsunzuverlässig sei.

Soweit der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, er sei völlig verkehrstauglich, was er durch Vorlage eines Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 27. Jänner 1993 belegt habe, geht dies schon deswegen am Inhalt des angefochtenen Bescheides vorbei, weil dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung nicht wegen des Fehlens der geistigen oder körperlichen Eignung, sondern wegen Verkehrsunzuverlässigkeit entzogen wurde. Bei letzterer handelt es sich um eine spezifisch kraftfahrrechtlich relevante Sinnesart (in concreto im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967), auf welche aus vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen geschlossen wurde und die als reine Rechtsfrage einer Beurteilung durch einen ärztlichen Sachverständigen nicht zugänglich ist.

Der Beschwerdeführer macht ferner der Sache nach geltend, daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer Wertung im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 dem Kriterium der seit der Tat verstrichenen Zeit und des Verhaltens während dieser Zeit nicht gebührend Beachtung geschenkt habe. Der Beschwerdeführer habe sich zwischen der letzten Tat und der Entziehung der Lenkerberechtigung durch die Erstbehörde bzw. bis zu seinem Haftantritt durch nahezu zwei Jahre auf freiem Fuß befunden und in dieser Zeit nichts zuschulden kommen lassen.

Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, daß in der fraglichen Zeit ein gerichtliches Strafverfahren gegen ihn anhängig war. Aus diesem Grunde kommt das von ihm an den Tag gelegte Wohlverhalten nicht in vollem Ausmaß zum Tragen; wenn sich jemand in Kenntnis gegen ihn anhängiger einschlägiger Verfahren - wie Strafverfahren oder Verwaltungsverfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung - wohlverhält, ist daraus noch nicht im selben Maße auf eine Änderung seiner Sinnesart, wie sie durch die strafbare Handlung zum Ausdruck gekommen ist, zu schließen. Der Beschwerdeführer hatte die ganze Zeit über Kenntnis vom Strafverfahren, vom Entziehungsverfahren erlangte er freilich der Aktenlage nach Kenntnis erst durch die Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides im Oktober 1992.

Zu berücksichtigen ist, daß der Beschwerdeführer erstmalig einschlägig straffällig geworden ist, was zwar für ihn spricht. Ihm wurde aber bereits einmal die Lenkerberechtigung im Zusammenhang mit der Begehung von Alkoholdelikten entzogen, was - obwohl daraus eine andere kraftfahrrechtlich relevante Sinnesart hervorleuchtet als die im Zusammenhang mit den gegenständlichen Suchtgiftdelikten zu beachtende (im ersten Fall geht es um die Gefährdung der Verkehrssicherheit im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a, im zweiten um die Gefahr der Begehung schwerer strafbarer Handlungen im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967) - im Zuge der Wertung nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 und der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 zum Nachteil des Beschwerdeführers heranzuziehen war.

Im Hinblick darauf, daß die Menge des mit Unterstützung des Beschwerdeführers eingeführten Suchtgiftes sehr groß ist (wenngleich nicht so groß wie in dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0057, zugrundeliegenden Fall, in dem der Gerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer von rund sieben Jahren für gerechtfertigt erachtet hat), sowie im Hinblick auf die geschilderte eingeschränkte Bedeutung seines von ihm ins Treffen geführten Wohlverhaltens und seine bisherige Auffälligkeit in kraftfahrrechtlichen Belangen, kommt der Verwaltungsgerichtshof zu dem Schluß, daß der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn sie der Auffassung war, der Beschwerdeführer werde wegen der Suchtgiftdelikte voraussichtlich bis Mitte 1994 verkehrsunzuverlässig sein. Wenn der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, die Annahme einer rund drei Jahre andauernden Verkehrsunzuverlässigkeit im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten sei überschießend (vgl. die Erkenntnise vom 6. März 1990, Zl. 89/11/0268, und vom 19. Mai 1992, Zl. 91/11/0109), so handelte es sich dabei um erheblich geringere Suchtgiftmengen, die eine wesentlich geringere Gefährdung der Gesundheit von Menschen herbeizuführen geeignet waren. Dieser Umstand findet seinen Niederschlag im Wertungskriterium der Verwerflichkeit.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993110194.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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