TE Vfgh Beschluss 1991/9/30 B162/91, V20/91

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Veröffentlicht am 30.09.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
VfGG §57 Abs1 letzter Satz

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des §2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 11.07.86, BGBl 415, über die Pauschalierung einer Gefahrenzulage; mangelnde Darlegung des unmittelbaren Wirksamwerdens der angefochtenen Verordnung; kein behebbares Formgebrechen; mangelnde Legitimation angesichts der gleichzeitigen Beschwerde gegen einen Feststellungsbescheid über die gebührende Gefahrenzulage; Ablehnung der Behandlung der Beschwerde

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Gendarmeriebeamter der Verwendungsgruppe W 2 bei der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark. Er bezog eine Gefahrenzulage (§19b des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. 54, idF der 24. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. 214/1972) gemäß §2 Z1 der Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 11. Juli 1986, BGBl. 415, idF der Verordnung BGBl. 471/1989, in der Höhe von 10,48 % des Gehaltes der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V der Beamten der Allgemeinen Verwaltung. Infolge einer Kontrolle durch den Rechnungshof wurde dem Beschwerdeführer anstelle der Gefahrenzulage nach §2 Z1 der Verordnung BGBl. 415/1986 eine solche nach §2 Z4 dieser Verordnung in der Höhe von 6,35 % der erwähnten Bemessungsgrundlage gewährt. Auf seinen Antrag stellte das Landesgendarmeriekommando für Steiermark mit Bescheid vom 9. Juli 1990 fest, daß dem Beschwerdeführer eine Gefahrenzulage lediglich in dieser Höhe gebühre. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gab der Bundesminister für Inneres nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 28. Dezember 1990 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Gleichzeitig stellte der Beschwerdeführer den - der Sache nach auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten - (Individual-)Antrag, den - seiner Ansicht nach gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden - §2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 11. Juli 1986, BGBl. 415, "wegen Gesetzes- bzw. Verfassungswidrigkeit" aufzuheben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Über die Zulässigkeit des (Individual-)Antrages:

1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. In einem solchen Antrag ist auch darzutun, inwieweit die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam geworden ist (§57 Abs1 letzter Satz VerfGG).

Diese Vorausetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Antrag läßt nicht erkennen, aus welchen Gründen durch die bekämpfte Verordnungsbestimmung in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingegriffen wird. Schon aus diesem Grund ist der Antrag wegen eines nicht behebbaren Formgebrechens als unzulässig zurückzuweisen (s. dazu etwa VfSlg. 11323/1987; ferner etwa VfGH 3.3.1983 B49/81, V40/81).

2. Die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG setzt auch voraus, daß für den Rechtsschutz kein anderer zumutbarer Weg als die Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof zur Verfügung steht (s. etwa VfSlg. 8118/1977, 8210/1977, 9041/1981).

Ein solcher Weg ist hier gegeben, da der Antragsteller über die Frage der ihm gebührenden Gefahrenzulage einen - im Instanzenzug ergangenen - Feststellungsbescheid erwirkt und diesen mit der zu B162/91 protokollierten, unter II.B. behandelten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpft hat. Damit ist dem Antragsteller die Möglichkeit geboten, sämtliche gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung sprechenden Bedenken darzulegen und die Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen anzuregen (vgl. dazu etwa VfSlg. 8652/1979, 10356/1985, 10856/1986, 11045/1986). Außergewöhnliche Umstände, bei deren Vorliegen ungeachtet der Anhängigkeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof ein (Individual-)Antrag nach Art139 Abs1 B-VG zulässig ist (s. zB VfSlg. 9845/1983, 9939/1984, 10509/1985), sind hier nicht erkennbar.

Somit fehlt dem Antragsteller auch die Legitimation zur Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG, was gleichfalls zur Zurückweisung des Antrages führen muß.

3. Die Zurückweisung des (Individual-)Antrages konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litc und e VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

B. Über die Beschwerde:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber mit der Behauptung, §2 der Verordnung BGBl. 415/1986 verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, verfassungsrechtliche Fragen berührt, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. zur Zulässigkeit differenzierender Regelungen auf dem Gebiet des Besoldungsrechtes etwa VfSlg. 9607/1983, 11193/1986; zur Unbedenklichkeit pauschalierender Regelungen s. etwa VfSlg. 9624/1983, 71 f. mwH) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B162.1991

Dokumentnummer

JFT_10089070_91B00162_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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