TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/27 92/01/0932

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1992, Zl. 4.315.336/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 7. Oktober 1991, mit dem festgestellt worden war, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen, ab und sprach aus, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, der am 29. März 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat seinen durch seinen Rechtsvertreter schriftlich erhobenen Asylantrag vom 10. April 1991 damit begründet, daß er Angehöriger der kurdischen Volksgruppe sei. Es sei immer wieder zu Schwierigkeiten gekommen, bis hin zu körperlicher Folter durch Polizeibeamte. Bei einer dieser Auseinandersetzungen habe er sogar eine Schußverletzung erlitten, deren Narben noch immer nachweisbar seien. Die Polizei habe offenbar gewußt, daß er die PKK unterstützt habe, wenn er auch nicht deren aktives Mitglied gewesen sei.

Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 3. Juli 1991 gab der Beschwerdeführer an, er sei zwar Kurde, beherrsche jedoch die kurdische Sprache nur sehr mangelhaft bis gar nicht, weil ihn seine Eltern, um ihm in seinem späteren Leben Schwierigkeiten zu ersparen, nur in der türkischen Sprache unterrichtet hätten. Bis zur Beendigung seiner Militärzeit am 21. August 1990 habe er nie Probleme mit der Polizei gehabt. Jedoch seien andere Dorfbewohner nach Aktionen kurdischer Terroristen wahllos zu Verhören mitgenommen worden. Zwei Tage nach Beendigung seines Militärdienstes sei auch er zur Polizeistation gebracht worden, wo man ihn schikaniert und aufgefordert habe, seine kurdischen Lebensgewohnheiten aufzugeben. Da er sich geweigert habe, sei er von den Polizisten mit Gummiknüppeln geschlagen worden. Nach fünf bis sechs Stunden habe man ihn wieder freigelassen. Bis zu seiner Ausreise hätten sich solche Vorfälle noch etwa zwanzigmal wiederholt. Manchmal sei er auch in den Keller der Polizeistation gebracht worden, wo die Polizisten eine Art Folterkammer eingerichtet gehabt hätten. Dort habe er sich nackt ausziehen müssen und sei durch Stromstöße gefoltert worden. Dabei sei er zu Aussagen gezwungen worden, wonach seine Familie die PKK mit Lebensmittel versorgt habe und man habe Auskünfte über die PKK in Erfahrung bringen wollen. Da er aber keine Angaben habe machen können, seien die Mißhandlungen fortgesetzt worden. Insgesamt sei er etwa zehnmal auf diese Weise gefoltert worden, wobei er jedoch nie länger als 12 Stunden festgehalten worden sei. Im Spätherbst 1990, als man ihn wieder habe abholen wollen, sei er geflüchtet. Einer der Polizisten habe ihm nachgeschossen, ihn jedoch nicht getroffen.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß nach der Spruchpraxis der Straßburger Konventionsinstanzen und der "benachbarten" europäischen Höchstgerichte erwiesen sei, daß die Kurden in der Türkei verfolgt würden.

Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers angesichts der Widersprüche zwischen seinem Asylantrag und seiner niederschriftlichen Befragung für nicht glaubhaft erachtet. Dieser Würdigung kann von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, weil sich zwischen den Behauptungen im schriftlichen Asylantrag und den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung in der Tat unübersehbare Widersprüche finden. So sind nicht nur seine Ausführungen bezüglich des Bestehens bzw. Nichtbestehens einer Schußverletzung, sondern auch seine Behauptungen bezüglich seiner Unterstützung der PKK völlig unterschiedlich. Wenn er nunmehr in der Beschwerde erstmals andeutet, es könnte offensichtlich zu Verständigungsschwierigkeiten zwischen ihm und seinem Rechtsanwalt gekommen sein, so macht er damit keinen, eine offenkundige Mangelhaftigkeit erkennen lassenden Verfahrensfehler geltend.

Der Auffassung des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid leide an einer "Rechtswidrigkeit des Inhaltes", da die "Zweiinstanzlichkeit des Ermittlungsverfahrens" nicht gewahrt worden sei und weil die belangte Behörde - da es dem Erstbescheid an einer "individuellen Sachverhaltsfeststellung" fehle - es unterlassen habe, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, kann nicht gefolgt werden. Für die Frage, ob die Berufungsbehörde eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen hat, kommt es ausschließlich darauf an, ob einer der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe, also wenn das Ermittlungsverfahren erster Instanz offenkundig mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat, vorliegt. Eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen und hat der Beschwerdeführer eine solche in seiner Berufung auch nicht aufgezeigt. Bestand sohin für die belangte Behörde keine Veranlassung, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, so war sie gemäß Abs. 1 dieses Paragraphen verpflichtet, ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde auch nicht gehalten, ihm vor ihrer Entscheidung bekannt zu geben, warum sie seine Behauptungen nicht als glaubhaft erachten werde (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0753).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992010932.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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