TE Vwgh Beschluss 1994/1/27 93/18/0627

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.1994
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
AVG;
B-VG Art130 Abs1 lita;
FrG 1993 §69;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, in der Beschwerdesache des F in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen die Erledigung der österreichischen Botschaft in Laibach vom 1. Dezember 1993, Zl. 23.11/24-A/93, betreffend Wiedereinreisebewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die österreichische Botschaft in Laibach richtete am 1. Dezember 1993 an den Beschwerdeführer ein Schreiben mit folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr F

Die Botschaft beehrt sich mitzuteilen, daß Ihre Anträge bzw. Schreiben vom 15. Oktober 1993, 26.10.1993, 17.11.1993 (2x), bzw. der Antrag Ihrer Rechtsvertreterin - Rechtsanwältin A vom 19.11.1993 betreffend die Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung gem. § 23 FrG an das Bundesministerium für Inneres zur Entscheidung vorgelegt worden sind.

Das Bundesministerium für Inneres hat nunmehr mitgeteilt, daß der Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung an Sie in der beantragten Gültigkeitsdauer bis 31. Dezember 1995 NICHT ZUGESTIMMT wird. Damit Sie allerdings Ihre zahlreichen Gerichtstermine wahrnehmen können, hat das Bundesministerium für Inneres der Erteilung von kurzfristigen Wiedereinreisebewilligungen (MAXIMAL EINE WOCHE) zugestimmt, sofern Sie jeweils nachweisen (ORIGINAL DER LADUNG), daß Sie vom Gericht als PARTEI oder ZEUGE geladen sind und Ihre PERSÖNLICHE ANWESENHEIT vor Gericht erforderlich ist.

Ihr Schreiben vom 30.11.1993, mit welchem Sie weitere Anträge in gegenständlicher Angelegenheit stellen, wird unter einem dem Bundesministerium für Inneres vorgelegt werden.

Einer Ihrer Anträge stellt auch auf Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung zur Wahrung der Gerichtstermine VON MEHR ALS EINER WOCHE ab.

Bis zu einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesministeriums für Inneres kann die Botschaft jedoch lediglich Wiedereinreisebewilligungen bis zu maximal 1 Woche ausstellen.

Mit freundlichen Grüßen"

Gegen diese Erledigung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Im selben Schriftsatz stellten drei weitere Parteien den Antrag auf Aufhebung des Fremdengesetzes.

Mit Beschluß vom 17. Dezember 1993, B 2042/93-4, G 262/93-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Spruchpunkt I). Der Antrag auf Gesetzesprüfung wurde zurückgewiesen (Spruchpunkt II).

Im Hinblick auf den dargestellten Verfahrensgang hat der Verwaltungsgerichtshof über die ihm abgetretene, nur vom eingangs genannten Beschwerdeführer erhobene Beschwerde gegen die Erledigung vom 1. Dezember 1993 zu entscheiden.

Voraussetzung für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ist, daß es sich bei der Erledigung der belangten Behörde vom 1. Dezember 1993 um einen Bescheid im Sinne des Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG handelt. Bei der Lösung dieser Rechtsfrage war zunächst zu beachten, daß auf das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden nicht die Bestimmungen des AVG, sondern die im § 69 Fremdengesetz (FrG) enthaltenen Verfahrensvorschriften anzuwenden sind, wobei sich diese Regelung nach den Materialien (692 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII. GP, 56 f) von dem vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Prinzip hat leiten lassen, daß für dieses Verfahren "die im AVG niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung" gelten und diese Grundsätze nun ausdrücklich im § 69 festgelegt werden.

Nach § 69 Abs. 1 FrG darf eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte. Nach § 69 Abs. 2 leg. cit. ist über schriftlichen oder niederschriftlichen Antrag der Partei die Entscheidung gemäß Abs. 1 auch schriftlich auszufertigen; hiebei sind außer der getroffenen Entscheidung die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen anzuführen; einer weiteren Begründung bedarf es nicht.

Auch wenn im § 69 FrG von "Entscheidung" und nicht von "Bescheid" die Rede ist, unterliegt es doch keinem Zweifel, daß Entscheidungen der Vertretungsbehörden in Verfahren nach dem FrG Bescheide im Sinne des Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG sind. Wesentliche Kriterien für das Vorliegen eines Bescheides im Sinne dieser Bestimmung sind jedenfalls die Bezeichnung der Behörde, der der Bescheid zuzurechnen ist, und der hoheitsrechtliche, rechtsverbindliche (normative) Inhalt. Das zuletzt genannte Kriterium ist erfüllt, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, über eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes abgesprochen hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dgl. stellen keinen normativen Abspruch im oben beschriebenen Sinne dar (vgl. dazu insgesamt den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, kommt man zu dem Ergebnis, daß die Erledigung der belangten Behörde vom 1. Dezember 1993 keinen Bescheid im Sinne des Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG darstellt. Der zweite Absatz dieses Schreibens beinhaltet eine Benachrichtigung von der Entscheidung des Bundesministers für Inneres hinsichtlich der im ersten Absatz genannten Anträge des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung bis 31. Dezember 1995, ohne daß eine Entscheidung der belangten Behörde betreffend diese Anträge folgt. Der weitere Inhalt des Schreibens der belangten Behörde betrifft Anträge des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 30. November 1993. In diesem Zusammenhang wird mitgeteilt, daß diese Anträge dem Bundesminister für Inneres - offenbar zur Einholung seiner Zustimmung gemäß § 66 Abs. 1 FrG - vorgelegt werden, und die Rechtsansicht ausgesprochen, daß bis zu einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesministers für Inneres lediglich Wiedereinreisebewilligungen mit einer Gültigkeitsdauer von maximal einer Woche ausgestellt werden könnten. Auch dieser Teil der Erledigung enthält somit - schon auf Grund des Hinweises betreffend die noch einzuholende Zustimmung des Bundesministers für Inneres - keinen normativen Abspruch über die Anträge des Beschwerdeführers im abweisenden Sinn.

Die Beschwerde war daher mangels Vorliegens eines beim Verwaltungsgerichtshof anfechtbaren Bescheides und damit wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und RechtsbelehrungenBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993180627.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten