TE Vfgh Beschluss 1991/9/30 B647/91, G232/91

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Veröffentlicht am 30.09.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Allg
StGB §46 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung mangels Zuständigkeit des VfGH sowie eines Individualantrags auf Aufhebung des §46 Abs2 StGB mangels Legitimation; Gerichtsverfahren anhängig

Spruch

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Schriftsatz vom 3. Juni 1991 begehrt der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Einschreiter, die Überprüfung des Beschlusses des Kreisgerichtes Krems vom 14. Mai 1991, Z20 BE 199/90, mit dem seinem Antrag auf bedingte Entlassung aus der Strafhaft gemäß §46 Abs2 StGB keine Folge gegeben wurde. Des weiteren beantragt der Einschreiter die Prüfung des §46 Abs2 StGB wegen Verletzung des Gleichheitsgebotes.

2. Weder die Beschwerde noch der Antrag ist zulässig:

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen eine gerichtliche Entscheidung.

Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, gerichtliche Entscheidungen aufgrund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu prüfen.

Die Beschwerde ist daher wegen offenkundiger Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

2.2. Mit seinem Antrag begehrt der Einschreiter die Aufhebung des §46 Abs2 StGB.

Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem unmittelbar betroffenen Normadressaten kommt diese Antragsbefugnis zu. Es ist (wie der Verfassungsgerichtshof im Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausführt und in seiner späteren Judikatur mehrfach bestätigt hat; vgl. zB VfSlg. 8485/1979, 8869/1980 und 11660/1988 sowie VfGH vom 26.6.1991, G130/91) für die Antragslegitimation darüberhinaus auch erforderlich, daß dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.

Ein solcher zumutbarer Weg stand dem Antragsteller jedoch offen.

Im Zuge eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens - er hat nach seinem eigenen Vorbringen gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems ein Rechtsmittel erhoben - bestand für den Antragsteller Gelegenheit, seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Gesetzesstelle vorzutragen und bei dem in dieser Rechtssache zuständigen Gericht zweiter Instanz die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen. Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wäre das Gericht, sofern es - gleich dem Antragsteller - Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §46 Abs2 StGB gehegt hätte, zur entsprechenden Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet gewesen (vgl. zB VfSlg. 8552/1979, 9374/1982, 11480/1987 und VfGH vom 26.6.1991, G130/91).

Der Gesetzesprüfungsantrag war daher - schon aus den dargelegten Erwägungen - mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B647.1991

Dokumentnummer

JFT_10089070_91B00647_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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